Außergerichtliche Streitbeilegung

Internationale Schiedsgerichtsbarkeit

Für die außergerichtliche Streitbeilegung werden häufig internationale Schiedsgerichte vereinbart. Von besonderer Bedeutung sind die institutionellen Schiedsgerichte und die Schiedsgerichte der Industrie- und Handelskammern. 
Der Erfolg grenzüberschreitender Geschäftstätigkeit hängt auch von einer Durchsetzung der vertraglich vereinbarten Rechte ab. Nicht immer ist jedoch die staatliche Gerichtsbarkeit die geeignete Institution, dieses zu gewährleisten. Folgende Gründe können dafür angeführt werden:
Prozesse der ordentlichen Gerichtsbarkeit dauern in der Regel länger, Kläger und Beklagter kommen aus verschiedenen Ländern, die Rechtsberater und Richter sind im internationalen Handels- und Wirtschaftsrecht unerfahren, es ist manchmal erforderlich, ausländisches Recht anzuwenden sowie ausländische Gerichtsurteile zu vollstrecken.

Allgemeines

In der Schiedsgerichtsbarkeit wird eine Streitigkeit zwischen den Parteien durch Abrede erledigt. Die Regelungen über das Verfahren obliegen der Vereinbarung beider Parteien, in Deutschland gibt die Zivilprozessordnung den Rahmen vor. Bei Schiedsgerichten handelt es sich nicht um staatliche, sondern um private Gerichte, die über Streitigkeiten zwischen zwei Parteien gleichwohl abschließend und auch verbindlich entscheiden. Da der privaten Schiedsgerichtsbarkeit anders als der ordentlichen Gerichtsbarkeit keine staatliche Gewalt zukommt, kann ein Schiedsgericht nur dann über eine Streitigkeit verbindlich richten, wenn sich die Parteien des Streits zuvor auf die Schiedsgerichtsbarkeit als Entscheidungsinstrument geeinigt haben. Solche Einigungen sind zwischen Kaufleuten nicht unüblich.
Das private Schiedsverfahren ähnelt im Ablauf dem ordentliche Gerichtsverfahren: Die Parteien fertigen Schriftsätze und es findet in der Regel eine mündliche Verhandlung statt. Auch die Durchführung von Beweisaufnahmen ist möglich. Am Ende des Verfahrens steht ein verbindlicher Schiedsspruch, der für die Parteien die gleichen Wirkungen hat wie ein Gerichtsurteil.
Schiedssprüche sind nach einer Vollstreckbarkeitserklärung durch das zuständige Oberlandesgericht vollstreckbar. Im internationalen Bereich sind Schiedssprüche sehr häufig wesentlich leichter zu vollstrecken als deutsche Urteile. Dies liegt daran, dass mehr als 100 Staaten dem New Yorker Abkommen von 1958 beigetreten sind, das die Vollstreckung von Schiedssprüchen im Ausland regelt. Hinzukommen weitere entsprechende Abkommen zwischen Deutschland und anderen Staaten. Deutsche Urteile sind dagegen nicht überall auf der Welt vollsteckbar. In China zum Beispiel kann grundsätzlich aus einem deutschen Schiedsspruch vollsteckt werden, nicht aber aus einem deutschen Urteil.

Die Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit sind

Meist kürzere Verfahrensdauer, Ausschluss der Öffentlichkeit, Vertraulichkeit des Schiedsspruchs, besondere Sachkunde und Erfahrung der Schiedsrichter, Verfahrenserleichterungen, freie Wahl der Gerichtssprache, kein Anwaltszwang, häufig geringere Verfahrenskosten, grundsätzlich nur eine Instanz, das heißt der Schiedsspruch ist endgültig und unanfechtbar und die Vollstreckung des Schiedsspruchs im Ausland ist durch internationale Abkommen gewährleistet. Desweiteren kann die Schiedsgerichtsbarkeit Geschäftsbeziehungen bewahren: Nach Abschluss des Schiedsverfahrens, das sehr häufig mit einer einvernehmlichen Einigung endet, können die Geschäfte häufig unbelasteter weitergeführt werden, als es nach Führung eines Gerichtsprozesses der Fall ist.

An Nachteilen sind zu erwähnen

Schiedsrichter sind Parteivertreter, daher könnte die Neutralität und Unabhängigkeit des Schiedsgerichts beeinträchtigt werden, die Benennung der Schiedsrichter erfordert viel Zeit, eine ständige Spruchpraxis kann sich nicht entwickeln.
Die internationalen Schiedsgerichte werden in institutionelle Schiedsgerichte und Ad-hoc-Schiedsgerichte unterteilt.
Institutionelle Schiedsgerichte, die sich den internationalen Schiedsgerichtsverfahren widmen, gibt es in zahlreichen Ländern. Allgemeine Anerkennung haben unter anderem folgende institutionellen Schiedsgerichte gefunden:

Institutionelle Schiedsgerichte

International Court of Arbitration of the International Chamber of Commerce (ICC), Paris
www.iccwbo.org
London Court of International Arbitration (LCIA), London
www.lcia.org
Internationales Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Österreich, Wien
www.internationales-schiedsgericht.at
American Arbitration Association (AAA)
www.adr.org
Arbitration Institute of the Stockholm Chamber of Commerce (SCC), Stockholm
www.chamber.se
Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS), Köln
www.dis-arb.de
Ad-hoc-Schiedsgerichte werden jeweils für einen konkreten Einzelfall eingerichtet.
Die Anrufung eines Schiedsgerichts setzt immer voraus, dass die Vertragspartner in schriftlicher Form eine wirksame Schiedsgerichtsklausel vereinbart haben. Diese kann im Vertrag, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder auch in einer gesonderten Urkunde enthalten sein.
Standard-Schiedsklauseln in verschiedene Sprachen sind in der Regel in den Publikationen der Schiedsgerichte über die Schiedsgerichtsordnung abgedruckt.
Die IHK Schleswig-Holstein gibt den Unternehmen Empfehlungen zur Wahl des Schiedsgerichts, des Schiedsorts und der Zahl der Schiedsrichter sowie Informationen über den Ablauf des Schiedsgerichtsverfahrens. Ferner sind die Texte der Schiedsgerichtsordnungen und der Standard-Schiedsklauseln in verschiedenen Sprachen erhältlich.

Aktuelle Entwicklungen

Seit dem 1. Januar 2012 ist in Schiedsverfahren des Internationalen Schiedsgerichtshofes der Internationalen Handelskammer (ICC, Paris) eine neue Schiedsordnung anwendbar. Für alle Schiedsverfahren, die auf Grundlage von ICC-Schiedsvereinbarungen nach dem 1. Januar 2012 eingeleitet werden, gilt somit die neue Fassung der ICC Schiedsordnung (gtai.de).
Die „ICC 2012 Arbitration Rules“ berücksichtigen neue Entwicklungen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und bezwecken eine höhere Verfahrenseffizienz (kürzere Verfahrensdauer, niedrigere Verfahrenskosten). Die Auffälligsten Änderungen betreffen Mehrparteienschiedsverfahren (Art. 7 bis 10) und die Einführung der neuen Figur des sog. Eilschiedsrichters (Emergency Arbitrator) (gtai.de).
Das neue Eilschiedsrichterverfahren (Art. 29 und Anhang V) ist nicht mit dem beschleunigten Verfahren (Expedited Procedure bzw. Fast-Track Arbitration), wie es in Schiedsordnungen einiger Schiedsinstitutionen vorgesehen ist, zu verwechseln. Das Ziel des Eilschiedsrichterverfahrens besteht nicht darin, ein Schiedsverfahren unter besonders kurzen Fristen durchzuführen. Vielmehr ermöglicht es den Parteien, bereits in der Phase vor der Bildung des Schiedsgerichts, die drei bis vier Monate dauern kann, dringende Sicherungsmaßnahmen oder vorläufige Maßnahmen zu beantragen (gtai.de). In diesem Fall hat der Eilschiedsrichter innerhalb von 15 Tagen nach seiner Einsetzung über den Antrag zu entscheiden. Die Parteien müssen gehört werden. Sollte der Antragssteller nicht innerhalb von zehn Tagen nach Eingang des Antrags eine Schiedsklage erheben, erledigt sich der Eilantrag. Den Parteien steht es dennoch nach wie vor frei, vorläufigen Rechtsschutz vor staatlichen Gerichten zu beantragen. Das Eilschiedsrichterverfahren findet automatisch Anwendung bei Vorliegen einer ICC-Schiedsvereinbarung und bedarf im Gegensatz zum früheren Pre-Arbitral-Referee-Verfahren der ICC keiner ausdrücklichen Einigung der Parteien. Die Anwendbarkeit des Eilschiedsrichterverfahrens kann von den Parteien ausgeschlossen werden (Opt-out-Lösung). In Abweichung vom Rest der ICC-Schiedsordnung sind die Vorschriften zum Eilschiedsrichter lediglich dann anwendbar, wenn die ICC-Schiedsvereinbarung nach dem 1. Januar 2012 zustande gekommen ist (gtai.de).
Andere Neuerungen betreffen höhere Anforderungen an die Schiedsklage, die Klageantwort sowie die Widerklage (Art. 4, 5). Die neue Schiedsordnung sieht vor, dass eine Partei, die eine dritte Partei in das Verfahren einbeziehen möchte, dies durch eine an eine eigenständige Partei gerichtete Schiedsklage erreichen kann. Letztere wird dadurch eine eigenständige Partei des Verfahrens. Vorab ist jedoch zu prüfen, ob ein Fall offensichtlicher Unzuständigkeit vorliegt, weil die dritte Partei nicht an die Schiedsvereinbarung gebunden ist. Eine solche offensichtliche Unzuständigkeit wird verneint, wenn die Partei an den Vertragsverhandlungen, der Durchführung oder der Beendigung des Vertrags beteiligt gewesen ist. Die Streitverkündung oder gar Intervention durch die zusätzliche Partei kennt das ICC-Schiedsverfahren nicht. Nach der Einbeziehung können die Parteien gegen jede andere Partei Ansprüche geltend machen. Diese können auch aus unterschiedlichen Verträgen herrühren, sofern die Schiedsvereinbarung diese umfasst. Ebenfalls können mehrere Schiedsverfahren verbunden werden. Um eine zeit- und kosteneffizienten Verfahrensführung zu gewährleisten, ist unter anderem vorgesehen, dass so früh wie möglich mit allen Beteiligten eine Verfahrensmanagementkonferenz durchgeführt wird. Auch ist es möglich in einer Schiedsklage Ansprüche aus mehreren Verfahren zu vereine. Hierfür müssen die Streitbeilegungsklauseln in den wesentlichen Punkten miteinander vereinbar sein und die Parteien müssen sich darauf einigen, dass die Ansprüche in demselben Schiedsverfahren entschieden werden.
In jedem ICC-Schiedsverfahren ist jetzt zwingend eine Verfahrensmanagementkonferenz durchzuführen, die auch als Videokonferenz oder per Telefon stattfinden kann (Art. 24 und Anhang IV): Im Rahmen einer Verfahrensmanagementkonferenz wird ein Verfahrenskalender erstellt, dem das Schiedsgericht in der Führung des Schiedsverfahrens zu folgen gedenkt. Der neue Art. 22 verpflichtet das Schiedsgericht und die Parteien zur Mitwirkung („mit allen Mitteln … unter Berücksichtigung der Komplexität und des Streitwerts“) an einer zügigen und kosteneffizienten Verfahrensführung (gtai.de). Die ICC hat dafür eine unverbindliche „Mustertagesordnung“ für Verfahrensmanagementkonferenzen erarbeitet. Darin wir u.a. empfohlen das Verfahren in verschiedene Phasen aufzuteilen, die jeweils mit Teilschiedssprüchen abgeschlossen werden; stets zu prüfen ob ein Zeuge wirklich gehört werden muss oder ob Urkunden (z.B. schriftliche Zeugenerklärungen)ausreichen; Anträge auf Vorlage von Urkunden durch die Gegenseite („document production“, „discovery“) tendenziell restriktiv zu handhaben.
Um die Bestellung von „überbuchten“ Schiedsrichtern zu verhindern, muss jeder Schiedsrichter vor der Ernennung eine Erklärung über die eigene Verfügbarkeit abgeben (Art. 11(2)). Schiedsgerichte sind jetzt gemäß Art. 37(5) ausdrücklich befugt, bei der Kostenentscheidung auch das Ausmaß zu berücksichtigen, in dem jede der Parteien das Schiedsverfahren in einer zügigen und kosteneffizienten Weise betrieben hat. (gtai.de)
Die ICC-Schiedsordnung ist in eine Reihe von Sprachen übersetzt worden. Bei Abweichungen gelten die englische und die französische Originalfassung als allein verbindlich. (gtai.de)
Die Reform der bestehenden Verfahrensordnung trägt dem gestiegenen Kosten- und Effizienzbewusstsein auf der Nutzerseite Rechnung. Ob die Reform in der Praxis nun wirklich zu einer kürzeren Verfahrensdauer und zu mehr Kostenersparnissen beiträgt, wird sich zeigen.