Standortrisiko Energiepolitik: Zeit, dass sich was dreht

Hohe Preise und fehlende Planbarkeit bei Strom und Gas sind für die Unternehmen am Standort Deutschland mehr denn je ein Produktions- und Investitionshemmnis. Das zeigt das Anfang August vorgestellte IHK-Energiewende-Barometer, mit dem die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) die Einschätzungen von rund 3.300 Unternehmen aus der Breite der deutschen Wirtschaft abbildet.
“Das Vertrauen der deutschen Wirtschaft in die Energiepolitik ist stark beschädigt. Der Politik ist es bisher nicht gelungen, den Unternehmen eine Perspektive für eine zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung aufzuzeigen. Das gilt insbesondere für die Industrie”, kommentierte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks die Ergebnisse.
Bislang kann die Politik den Unternehmen vor allem drei wichtige Fragen nicht beantworten: Wie werden sich die Preise für fossile Energieträger mittelfristig entwickeln? Ist eine sichere und wirtschaftlich tragfähige Versorgung mit erneuerbaren Energien möglich? Welche Maßnahmen sollen Betriebe ergreifen?
Achim Dercks, stv. DIHK-Hauptgeschäftsführer:
Das Vertrauen der deutschen Wirtschaft in die Energiepolitik ist stark beschädigt.
Erste Antworten zur Entwicklung der Energiepreise liefert das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), das seit Januar 2021 für den Verkehrs- und Wärmesektor in Deutschland gilt. Die Kosten für CO2-Emissionen werden demnach von heute 45 Euro pro Tonne bis 2026 auf 65 Euro pro Tonne ansteigen. Ab 2027 wird dieses Modell durch den freien Emissionshandel abgelöst werden. Zu diesem Zeitpunkt könnte es zu einem sprunghaften Anstieg der Preise für Emissionszertifikate kommen. Lassen sich diese Kostenbestandteile dennoch einigermaßen “einpreisen”, bleiben die Risiken bei anderen Komponenten – wie etwa Preissprüngen fossiler Energieträger infolge politischer Spannungen – unvorhersehbar.
Wie ist es aber um die Versorgung mit grüner Energie bestellt? Die gute Nachricht: Laut Hochrechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg und des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft haben Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft in den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 bundesweit circa 58 Prozent des in Deutschland benötigten Stroms geliefert.
Die schlechte Nachricht: Es existieren erhebliche regionale Ungleichgewichte, insbesondere in Süddeutschland hinkt die Produktion erneuerbarer Energien deutlich hinterher. Zum Jahresbeginn zeigte eine IHK-Studie für Baden-Württemberg, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien schneller vorankommen muss, um den bis zum Jahr 2040 stark steigenden Strombedarf im Land zu decken. Dennoch bleibe ein nicht unerheblicher Strom-Importbedarf bestehen. Zudem müssten die Stromnetze auf Übertragungs- und Verteilebene erheblich ausgebaut werden.
Viele Unternehmen wollen sich nicht auf staatliche Planungen verlassen und ergreifen unterdessen selbst Maßnahmen; Wo sie vorhanden sind, bieten Fern- und Nahwärmenetze zunehmend bessere Möglichkeiten, Prozesswärme zu nutzen oder abzugeben. Vernetzte Lösungen sind ebenso gefragt, wenn es darum geht, Photovoltaik und Windkraft auszubauen. Vernetzung ist schließlich auch dort gefordert, wo Erdgas und andere fossile Energieträger durch Wasserstoff ersetzt werden sollen. Doch damit sich diese unternehmerische Tätigkeit entfalten kann, braucht es verlässliche und klare regulatorische Leitplanken. Und das ist wiederum Aufgabe der Politik.

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