Industrie: Auf dem Prüfstand

Der Standort Deutschland steht unter Druck: konjunkturell, strukturell und aufgrund der politischen Rahmenbedingungen. Ein Blick in die Region, der auch viel Aufbruch zeigt.
Die anhaltende Wirtschaftsschwäche Deutschlands fordert ihren Tribut: Einer Analyse der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young zufolge haben die deutschen Industrieunternehmen in den vergangenen zwölf Monaten über 100.000 Arbeitsplätze abgebaut. Seit 2019 sei die Zahl der Industriearbeitsplätze um 217.000 Stellen gesunken.
Doch Deutschland ist weiterhin ein Industrieland. Im Gegensatz zu manchen anderen Ländern, in denen der Dienstleistungssektor dominiert, ist die Industrie in Deutschland noch immer eine wichtige Größe. 2024 steuerte das Verarbeitende Gewerbe 19,7 Prozent zur Bruttowertschöpfung der Bundesrepublik bei. In Frankreich lag dieser Anteil bei 10,6 Prozent.
Auf den ersten Blick scheint es der deutschen Industrie auch wieder besserzugehen. Laut Statistischem Bundesamt wuchs die Industrieproduktion im März 2025 um 3,6 Prozent gegenüber dem Februar 2025. Die größte Zunahme verbuchten die Pharmabranche mit 19,6 Prozent, die Automobilindustrie mit 8,1 Prozent und der Maschinenbau mit 4,4 Prozent. Auftragseingänge und Export zogen an. Experten warnen jedoch, die Zahlen überzubewerten: So könnten hier beispielsweise Vorzieheffekte zum Tragen kommen, wenn Kunden erst später benötigte Waren bereits jetzt kaufen. Dafür könnte sprechen, dass die Industrieproduktion im April 2025 gegenüber März wieder um 1,9 Prozent abnahm.
Und auch die IHK-Konjunkturumfrage im Mai zeigte: Obwohl sich manche Werte im Vergleich zur vergangenen Umfrage im Herbst verbessert haben, bleibt die Lage der Industrieunternehmen angespannt. Dies zeigt sich insbesondere in den negativen Investitions- und Beschäftigungsabsichten. Die Problemliste ist lang: Ganz oben stehen eine verlässliche Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen, die bürokratischen und regulatorischen Lasten sowie der Fachkräftemangel. Damit nicht genug. In den vergangenen Monaten kamen die Verwerfungen und Unsicherheiten im wichtigen US-Markt hinzu. Ebenso macht sich die chinesische Konkurrenz auf den Weltmärkten auch im Industriebereich immer stärker bemerkbar, wie im Fall der Formtechnik Dr. Hasel GmbH in Reichartshausen.
Die Rhein-Neckar-Region ist mit einer beachtlichen Bandbreite an Unternehmensgrößen und einem diversifizierten Branchenmix prinzipiell zwar gut aufgestellt. Neue Technologien aus den Bereichen Biotech, künstliche Intelligenz und gedruckte Elektronik tragen dazu bei, die Erfolgsgeschichte der Industrie in der Region mit neuen Produkten und Dienstleistungen sowie innovativen Geschäftsmodellen weiterzuschreiben. Darauf setzen auch die Gründer der Flexoo GmbH in Wiesloch. Jedoch müssen die Rahmenbedingungen stimmen, damit das Engagement der Unternehmen Früchte tragen kann. Kann die neue Bundesregierung die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen?

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