05 | 2022

Ökologische Transformation: Mehr Zeit für den Green Deal?

Explodierende Energiekosten und Lieferkettenprobleme belasten viele Betriebe. Klima- und Umweltschutz scheinen demgegenüber in die zweite Reihe zu rücken. Brauchen wir mehr Zeit für den Green Deal oder soll er schneller kommen? Zwei Unternehmen aus der Region positionieren sich. 
Plötzlich sind Öl und Gas nicht mehr überflüssig, sondern kostbar. Bis vor kurzem schien die Roadmap der ökologischen Transformation klar: Fossile Energieträger müssten teurer werden und die CO2-Emissionen sinken. Darüber hinaus gelte es, die Kreislaufwirtschaft zu stärken und dem steigenden Ressourcenverbrauch entgegenzuwirken. Doch mit dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine ächzen viele Unternehmen unter der Mehrfachbelastung hoher Energiekosten und gestörter Lieferketten. Wie lässt sich in dieser Gemengelage die ökologische Transformation leisten?
Das fragt sich auch Fabian Wilhelms, Geschäftsführer der Perga GmbH, häufig. Das Walldürner Unternehmen stellt Folien und Verpackungslösungen für die verarbeitende Industrie sowie für den Groß- und Einzelhandel her. Perga bietet nach eigenen Angaben nicht nur ein voll recyclebares Produktsortiment, sondern achtet auch auf die Verringerung der CO2-Emissionen im Herstellungsprozess und nutzt die Energie einer Biogasanlage. Der Weg zur CO2-Neutralität und zu mehr Nachhaltigkeit ist allerdings nicht einfach.
Da ist zum einen der Strom, wie Fabian Wilhelms berichtet: “Ökologisch produzierter Strom ist häufig viel zu teuer, da der Windkraft- und Photovoltaik-Ausbau in den vergangenen Jahren stockte.” Doch auch die Kosten konventionell produzierten Stroms explodierten mit der CO2-Bepreisung und dem Russland-Ukraine-Krieg geradezu. Die insgesamt zu hohen Stromkosten machten eine international wettbewerbsfähige Produktion in Deutschland immer schwieriger. Der Effekt der geplanten EEG-Befreiung sei nur minimal.
Fabian Wilhelms, Geschäftsführer der Perga GmbH:
Die ökologische Transformation muss unter Umständen und in Zeiträumen ablaufen, die wir Unternehmer auch schultern können.
Ein zweites Ärgernis sind für Perga die viel zu geringen Recyclingquoten: “Wir müssen die Stoffströme wieder der Produktion zuführen, statt das recyclingfähige Gut quer durch die Welt zu verschicken, um es dann auf Müllkippen zu entsorgen”, sagt Wilhelms. Doch anstatt globale Regulierungen zu implementieren, würden nur die europäischen und insbesondere die deutschen Produzenten mit Vorschriften und Abgaben überfrachtet. Das bedrohe die eigene Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Umfeld. “Die ökologische Transformation muss unter Umständen und in Zeiträumen ablaufen, die wir Unternehmer auch schultern können”, resümiert der Geschäftsführer.
Ortswechsel von Perga in Walldürn zur Aurora Konrad G. Schulz GmbH & Co. KG nach Mudau: Rund 25 Kilometer entfernt ist Michael Wirth hier dafür zuständig, Klimatisierungstechnik für Nutzfahrzeuge an den Mann und die Frau zu bringen. Busse, Traktoren, Bagger und Kehrmaschinen – kein Fahrer will heute noch frieren oder schwitzen.
Doch der Markt wandelt sich. Mit der zunehmenden Elektrifizierung der Nutzfahrzeugbranche nehmen auch die Anforderungen an Heizung und Klimaanlage zu. Es ist viel Entwicklungsarbeit notwendig, um als mittelständisches Unternehmen in diesem Bereich vorne mit dabei zu sein. Ein erster Erfolg ist die von Aurora entwickelte Wärmepumpe für Elektrobusse, die den Energie-Bedarf inklusive Klimatisierung über das gesamte Jahr um rund 25 Prozent verringert. “Die Wärmepumpe ist eine wichtige Zukunftslösung”, sagt Wirth. Aurora arbeitet jetzt daran, dieses System auch in den Kabinenbereich zu übertragen.
Und nicht nur bei den Produkten, auch im Unternehmen selbst spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle: Noch 2022 sollen die meisten Verpackungen der produzierten Geräte auf ein Mehrwegsystem umgestellt werden. Darüber hinaus sparte die Installation dezentraler Durchlauferhitzer und die Isolation aller Wasserleitungen 10.000 Liter Heizöl jährlich ein. Geplant ist nun, die Ölheizung durch eine Luft-Wärme-Pumpe zu ersetzen.
Allerdings gibt es auch bei Aurora Stolpersteine auf dem Weg der ökologischen Transformation. So nehmen mit jedem neuen Gesetzesvorhaben – etwa hinsichtlich der EU-Taxonomie – die Anforderungen, der bürokratische Aufwand und die Kosten zu. “Wir müssen Jahr für Jahr im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung mehr Mittel für diese Themenbereiche vorsehen”, berichtet Wirth. Und auch die gestiegenen Energiepreise spürt Aurora. Die hohen Dieselpreise belasten den Transport zwischen den Standorten. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen jedoch die Lieferketten: Der Mangel an Bauteilen und insbesondere Chips macht dem Unternehmen zu schaffen. Kein Grund aber, auf eine weitere Steigerung der Energieeffizienz zu verzichten. Aurora setzt die entsprechenden Maßnahmen, so Wirth, mit noch größerem Nachdruck um.

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