Gipfelstürmer Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hans Georg Bock im Interview

Wir sprachen mit Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hans Georg Bock (Interdisziplinäres Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen [IWR], Universität Heidelberg) über die digitale Technologie der MSO.
Warum sind Modellierung, Simulation und Optimierung eine Schlüsseltechnologie für die Industrie?
Mit der Entwicklung leistungsfähiger Computer hat sich in den letzten drei Jahrzehnten auch die digitale Technologie der Modellierung, Simulation und Optimierung, kurz MSO, rapide weiterentwickelt und ist so zu einer Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts geworden. Ziel Ihres Einsatzes in der Forschungs- und Entwicklungsarbeit in vielen Bereichen der Wirtschaft und Industrie ist in der Regel die schnelle und effiziente Entwicklung innovativer Produkte und Prozesse, zum Beispiel  Senkung des Energieverbrauchs von Fahrzeugen, Produktionsanlagen oder in der Gebäudetechnik, Einsatz kostengünstigerer Edukte in der chemischen Verfahrenstechnik, oder die stabile Regelung stark nichtlinearer Prozesse unter Störungen.
In der Fahrzeugtechnik, der Luftfahrt, im Maschinen- und Anlagenbau sowie in der Verfahrenstechnik ist MSO oft bereits unverzichtbar. Für die Zukunft lässt sich eine Ausweitung ihres Einsatzes auf fast alle Bereiche der Industrie erwarten. Typisch ist das Industrie 4.0-Konzept des „digitalen Zwillings“ („digital twin“) mit der Grundidee, wesentliche Produkte oder Prozesse in einem Unternehmen in einem virtuellen – digitalen – Modell abzubilden, um so besseres Monitoring und bessere Betriebsweisen zu realisieren, gezielt Wartungen oder Upgrades vorzunehmen, Produktqualitäten zu verbessern und Produktionskosten zu senken.
Wie hängen Modellierung, Simulation und Optimierung zusammen?
Ausgangspunkt beim Einsatz der MSO ist immer die Entwicklung eines (mathematischen) Modells, das heißt von Gleichungen, welche die wesentlichen physikalisch-technischen oder ökonomischen Aspekte eines Industrieprozesses hinreichend abbilden. Basierend auf dem Modell können dann Simulationen des Prozesses in der virtuellen Welt des Rechners beliebig oft wiederholt und unterschiedliche Szenarien durchgespielt werden, zum Beispiel können Eingangsgrößen und Materialparameter variiert, Teilprozesse zu- oder abgeschaltet und das Verhalten in sicherheitskritischen Regionen rein virtuell analysiert werden. Bereits solche modellgestützten Simulationen helfen Unternehmen in der Praxis dabei, Planungen zu erleichtern, Produktionsfehler zu vermeiden und Kosten einzusparen.
Welche Chancen bieten sich mittelständischen Unternehmen bei der Anwendung?
Während in vielen Großunternehmen der industriellen Hochtechnologie bereits eigene Stabsstellen für die Forschung und Entwicklung mit der Technologie MSO existieren, liegt gerade in den mittelständischen Unternehmen ein riesiges, noch weitgehend ungehobenes Potential, mit Methoden der modellgestützten Simulation und Optimierung zu Sprunginnovationen zu kommen. Dies könnte wesentlich zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen und helfen, funktionale Produkte mit hoher Effizienz, Qualität und Sicherheit herzustellen und zu vertreiben. Ein praktischer Ansatz zur Realisierung dieses Potentials könnte eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Methodenentwicklern auf dem Gebiet der Modellierung, Simulation und Optimierung in Hochschulen und Forschungseinrichtungen sein.
Welche Möglichkeiten gibt es für Unternehmen, bei dem Thema mit dem IWR der Universität Heidelberg zusammenzuarbeiten?
Das IWR bietet Unternehmen eine breite Palette von Kooperationsmöglichkeiten. Hierzu gehören die individuelle Beratung zu speziellen Fragestellungen, die gemeinsame Betreuung von entsprechenden Abschlussarbeiten und die Durchführung von „proof of concept“-Studien, aber auch die Realisierung von Lösungen im Rahmen von kurzfristigen Projekten und Auftragsforschungsarbeiten.
Im Hinblick auf die rapide wachsende Bedeutung der Schlüsseltechnologie MSO in der Praxis, aber auch auf die rapiden Fortschritte bei der Entwicklung neuer und leistungsfähigerer Methoden zur Lösung immer komplexerer Praxisprobleme, ist aber auch die Realisierung mittel- und langfristiger Forschungs- und Entwicklungspartnerschaften interessant, welche die Universität Heidelberg in ihrem „industry on campus“-Konzept anstrebt.
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