Unternehmensportrait - Ausgabe September 2023

Bayer. Pilze & Waldfrüchte Uwe Niklas GmbH: Schwammerlreich

In einem Waldstück am Ortsrand von Neubäu am See verbirgt sich ein pilzkundiges Familienunternehmen. Geschäftsführer Uwe Niklas begrüßt und ist kurz angebunden, „wir sind im Juli in der Frischsaison für die Pfifferlinge. Das wird jetzt alles just in time angeliefert“. Der Unternehmer ist ein Kenner der klimatischen Großwetterlagen zwischen Baltikum und Balkan. Denn wenn sich in der Saison dort ein Tiefdruckgebiet breit macht, sollte er in seinem ostbayerischen Betrieb schon die Schichten entsprechend eintakten.
Mit den Lieferanten steht er in engem Kontakt. Das geht so weit, dass er regelmäßig vor Ort Pilzkunde-Seminare hält. Die Sammler sollten wissen, wie sie sorgsam ernten. Der Waldpilz ist ein sensibles Lebensmittel und es gibt viele Faktoren, die sein Wachstum beeinflussen, nicht nur den Regen. Da geht es auch um das Terrain: Der Waldboden ist so komplex, den kann man nicht einfach nachbauen. Da geht es aber auch um die Erhaltung des Mycels – dem verzweigenden Pilzgeflecht im Boden – wenn man den Pilz abschneidet oder aus dem Boden rausdreht. Und nicht zuletzt um den Klimawandel.

Champignons? Fehlanzeige!

Der Blick in die zahlreichen Stapel angelieferter Stiegen mit der gelben Waldpracht zeigt die Unterschiede – die Pfifferlinge aus Litauen stechen besonders heraus, sehr sauber mit geraden Schnittflächen: „Die Sammler gehen dort besonders sorgsam mit der Ware um“, würdigt Tochter Lisa Niklas. Mit ihr ist die vierte Generation bereits im Geschäft. Die eloquente junge Mutter zweier Kinder übernimmt im Betrieb bereits wesentliche Verantwortung – vom Einkauf über das Qualitätsmanagement und Teile des Verkaufs bis hin zur Auftragsbearbeitung. „Ein sehr umfangreiches Aufgabengebiet, alles, was übrigbleibt“, lacht sie. Auf Pfifferlinge, Steinpilze und besondere Waldpilze wie Spitzmorcheln, Trompetenpfifferlinge oder gar die Krause Glucke hat sich das Unternehmen spezialisiert. Bei den Zuchtpilzen machen Kräuterseitlinge und Shiitake im Frischpilzbereich den Großteil des Geschäfts aus. Einen Champignon sucht man in Neubäu vergeblich. „Der ist mehr ein Gemüseartikel, wir empfinden den eigentlich nicht als Pilz“, sagt Lisa Niklas.
Uwe Niklas führt in dritter Generation den Familienbetrieb. Tochter Lisa übernimmt bereits zentrale Aufgaben im Unternehmen.
Uwe Niklas führt in dritter Generation den Familienbetrieb, welchen er zum internationalen Pilzspezialisten ausgebaut hat. Tochter Lisa übernimmt bereits zentrale Aufgaben im Unternehmen. © Peter Burdack
Die unternehmerische Tätigkeit in Neubäu begann der Urgroßvater von Lisa Niklas im Jahr 1949: Geflügel, Pilze, Supermarkt und Fremdenzimmer. Der Großvater hat sich dann auf das Pilzgeschäft und den Supermarkt konzentriert. Vater Uwe Niklas hat den Familienbetrieb schließlich zu einem international agierenden Spezialisten für Wald- und Zuchtpilze mit heute rund 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aggregiert. Auch wenn die Wälder rund um den Betrieb als besonders schwammerlreich gelten – für die Kunden von Pilze Niklas, die aus Großhandel, Gastro und Lebensmitteleinzelhandel kommen, geht es heute um ganz andere Mengen. Trotzdem betreibt das Unternehmen immer noch seinen regionalen, traditionellen Pilzankauf, bei welchem Sammler aus der Umgebung im Wald gefundene Schätze – Waldheidelbeeren und Waldpilze – verkaufen können, nach Klassen sortiert.

Jedem Kunden seinen Pilz

Den Firmenrundgang lässt sich Uwe Niklas trotz Zeitdrucks nicht nehmen. Da wird nach höchsten Standards der Lebensmittelsicherheit die Ware verarbeitet. Blanchiert, getrocknet oder tiefgefroren, mitunter entkeimt, per Hyperspektralanalyse auf Verunreinigungen und Fremdkörper detektiert, sortiert, geschnitten. Bei den verschiedenen Arbeitsschritten für die unterschiedlichsten Pilzsorten in den unterschiedlichen Auslieferungszuständen – frisch, getrocknet, gefroren, gemischt, sortiert, flach geschnitten oder gewürfelt – verliert der Besucher den Überblick. Lisa und Uwe Niklas führen durch unterschiedlichste Verarbeitungs- und Lagerbereiche, von Minus 26 Grad im Kühllager bis hin zur heißen Trocknungsanlage, aus der es verlockend duftet. Die Bedarfe der Kunden bei dem vielfältigen Lebensmittel Pilz sind sehr unterschiedlich, und für jeden Geschmack scheinen sie in Neubäu eine Antwort zu finden. Italienische Gastronomen etwa mögen die Steinpilze der Länge nach in Scheiben aufgeschnitten, damit man auf dem Teller noch den Pilz erkennt. Instagrammer wiederum lieben gerade den Spaghetti-artig langen weißen Enoki-Pilz – den kauft das Unternehmen aus südkoreanischer Zucht zu. Vom Discounter bis zum Spitzenbetrieb vertreibt Pilze Niklas seine Ware heute in der gesamten DACH-Region. Insgesamt werden jährlich ca. 6.000 Tonnen Pilze verarbeitet und verkauft.

Mit Innovationen bestehen

Das Pilzgeschäft steht enorm unter Druck. Da wäre der Klimawandel, aber auch der Ukrainekrieg, der dafür sorgt, dass Pilze Niklas mit Belarus und Russland zwei wesentliche Quellgebiete für ihre Ware jüngst weggebrochen sind. Die Produktion und die Lagerung sind äußerst energieintensiv. Das fängt das Unternehmen mit Investitionen in neue effizientere Anlagen und mit durchdachter Eigenerzeugung bei der Energie auf. Da wäre aber auch der deutsche Lebensmitteleinzelhandel mit seinem bekannten Preisdruck, der durch die Inflation weiter verschärft wird – Waldpilze sind schließlich ein gewisser Luxus auf dem Teller, der nicht auf dem Einkaufszettel steht, sondern eher spontan gekauft wird. Nicht zuletzt stellen die internationalen Personalkosten das Unternehmen vor Herausforderungen – ein Konkurrenzbetrieb etwa in Süditalien hätte wesentlich niedrigere Löhne zu zahlen.
Rund 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen für hohe Qualität.
Rund 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen für hohe Qualität. © Peter Burdack
Dennoch: Mit seinem pragmatischen Unternehmergeist und mit immer wieder neuen Produktideen kann sich das ostbayerische Familienunternehmen am Markt behaupten. Die familiäre Innovationsschmiede selbst scheint dem Besucher dafür ein Schlüssel zu sein. Neue Pilzmischungen etwa werden gemeinsam verköstigt. Hier kamen sie auf die Idee, auch umweltfreundliche Verpackungen aus Pappe anzubieten, weil die Endkunden nachhaltiger einkaufen wollen. Oder die Ummantelung von Tiefkühlpilzen mit fertig gefrorener Rahmsoße – damit der Gastronom mit einem Wurf in die heiße Pfanne gleich seine Schwammerlsauce dazu hat. Das Produkt Pilz erfinden sie in Neubäu laufend neu. Ob sich eine neue Idee lohnt, das ist, wie wenn man in die Schwammerln geht: Man kennt seine Plätze, aber man kann es nicht vorhersehen. Oft gibt es gar nichts zu holen, manchmal ein wenig und auf einmal sprießt es.


Autor: Peter Burdack