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Engelwirt GmbH: Kunst und Design an der alten Stadtmauer
Kunst und Design bestimmen schon lange das Leben von Stephanie und Michael Zink. Als Galerist ist Michael Zink viel herumgekommen, von Regensburg über München nach New York und Berlin und zurück in die Oberpfalz nach Waldkirchen. 2024 ist das Ehepaar einen Schritt weiter gegangen und hat im alten Engelwirt in Berching Kunst und Design mit dem Gastgewerbe verknüpft.
Stephanie und Michael Zink hauchten dem Engelwirt neues Leben ein.
Das klingt nach einem schönen Urlaub: Man verbringt einen entspannten Tag in der wunderbaren Natur des Altmühltals, wohnt in einem restaurierten historischen Gebäude und sitzt abends bei einem Glas Wein mit anderen Gästen zusammen und führt interessante Gespräche. „Wir haben damals viele nette Leute kennengelernt, mit spannenden Berufen, viele Journalisten, Architekten, Autoren und Künstler“, erzählt Stephanie Zink und man spürt ihre Begeisterung, wenn sie von den Anfängen ihrer Idee von einem Kunst- und Designhotel spricht. Der Ausgangspunkt lag allerdings nicht in Berching, sondern in Waldkirchen, wo die Zinks vor zwölf Jahren den denkmalgeschützten Pfarrhof gekauft und restauriert haben.
Ein gekonnter Mix aus Alt und Neu findet sich in den Zimmern des Engelwirt.
Das Anwesen, das heute auch die international tätige Galerie Zink beherbergt, bot mehr Platz als das Ehepaar benötigte und nachdem sie immer viele Gäste hatten, bauten sie im Erdgeschoss zwei Apartments ein, ganz individuell, „so wie wir es für Freunde einrichten würden“, sagt Zink, die in Parsberg aufgewachsen ist und eigentlich aus der Modebranche kommt.
Bauhistorischer Schatz
Sie boten die Apartments erfolgreich auf Reiseplattformen an, aber mehr als das planten sie nicht. Bis sie durch Zufall erfuhren, dass in Berching das Probstanwesen aus dem 17. Jahrhundert zum Verkauf stand. Sie vereinbarten einen Besichtigungstermin und waren sofort fasziniert von den bauhistorischen Schätzen, die sie in dem alten Gemäuer vorfanden: den barocken Stuckdecken, den handbemalten Holzböden, den Jahrhunderte alten, mit Schnitzwerk verzierte Türen oder dem 400 Jahre alten Rosenspitzboden im Obergeschoss. Das Anwesen direkt neben dem Gredinger Tor bestand aus fünf Gebäuden und einem Innenhof. „So ein Angebot findet man nicht so oft“, meint Zink und so griffen sie zu. Nach ein paar schlaflosen Nächten war ihnen schnell klar, dass sie mit dem Gebäudeensemble das fortsetzen wollten, was sie in Waldkirchen angefangen hatten. Mit den schweizerischen Architekten Tamara Henry und Mathieu Robitaille, die bereits in Waldkirchen geplant und neu gebaut hatten, ließen sie das Probsthaus restaurieren und ersetzten zwei marode Gebäude durch einen Neubau.
Tradition und Moderne vereint
So entstanden ein Ferienhaus, drei Doppelzimmer, elf Ferienapartments, eine Küche und Gemeinschaftsraum sowie ein kleiner Konferenzraum für Tagungen, Workshops oder Familienfeiern. „Wir wollten die Räume so einrichten, wie wir uns wohlfühlen, wenn wir in den Urlaub fahren“, erzählt Zink. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die historische Architektur. Viele Menschen fühlen sich in alten Gebäuden wohl, „weil sie eine gute Ausstrahlung haben. Sie sind aus guten Materialien gebaut, mit den richtigen Proportionen und mit einer klassischen Struktur“, erklärt Zink.
“Wir wollten die Räume so einrichten, wie wir uns wohlfühlen, wenn wir in den Urlaub fahren”Stefanie Zink
Die historische Hülle hat das Ehepaar mit lebendiger Kunst aus Vergangenheit und Gegenwart gefüllt. An den Wänden hängen Bilder zeitgenössischer Künstler, manchmal farbenfroh und voller lebendiger Lebenskraft, manchmal ein bisschen dunkel und nachdenklich stimmend wie das Bild der beiden Soldaten mit Hundeköpfen, die einen Taucher wegtragen. Da stehen moderne Designerstühle neben einem reich verzierten Hochzeitsschrank aus dem Jugendstil oder Vintagesessel neben einem alten Sekretär aus Rosenholz. Die Zimmer sind mit einer Auswahl guter Bücher ausgestattet. Alles ist individuell zusammengekauft, Vasen und Kunstobjekte zur Dekoration, hochwertige Matratzen und Betten, Kelims aus einer Manufaktur und vieles andere, und nichts davon ist Massenware aus dem Hotelgroßhandel.
Ein gekonnter Mix aus Alt und Neu findet sich in den Zimmern des Engelwirt.
„Wir wollten einen Ort schaffen, wo die Leute ankommen können und dann gerne bleiben wollen“, betont Zink. Sie und ihr Mann haben damit Räume geschaffen, in denen die Gäste in einem künstlerischen Schaffen leben, dass von der Alltagskunst vergangener Jahrhunderte über das Design der Nachkriegszeit bis zu modernen künstlerischen Ausdrucksformen reicht und somit ein Gesamtkunstwerk bildet.
Reibungslose Sanierung
Wer ein historisches Gebäude kauft, erlebt bei der Sanierung oftmals sein blaues Wunder, aber die Zinks haben Glück gehabt. Durch Zufall lernten sie vor dem Kauf den Bauingenieur kennen, der das Gebäude schon einmal in 3D ausgemessen und untersucht hat, so dass die Sanierung reibungslos verlief. „Das wichtigste Ereignis in der Bauphase war, dass unser zweites Kind geboren wurde“, erinnert sich die heute 38-jährige Zink lachend. Dennoch änderte sich das Gesamtkonzept der Nutzung noch einmal. „Als wir durch Berching gingen, ist uns aufgefallen, dass es in der Altstadt kaum noch Einzelhandel gibt“, erzählt Zink. Also richteten sie im Erdgeschoss einen Regionalladen ein mit ausgefallenen und hochwertigen Produkten aus der Umgebung und exklusiven Schmankerln, die man nicht überall bekommt. Der Laden dient gleichzeitig als Kiosk für die Gäste des Hauses, in dem sie sich 24 Stunden am Tag bedienen können. Eine weitere Nutzung entstand aus einem Umstand, mit dem niemand gerechnet hätte. „Ich hatte große Sorge, dass ich nicht genügend Personal für das Hotel finde, aber es kam anders, wir hatten viel mehr Bewerbungen als Stellen“, berichtet Zink. „Da waren so viele engagierte Leute dabei, dass wir uns entschlossen haben, noch ein Tagescafé zu eröffnen.“ Damit war die Engelwirt GmbH komplett und Stephanie Zink wurde deren Geschäftsführerin.
Bereicherung für das Kulturleben
Als Kunst- und Designhotel fügt sich der Engelwirt in das Kulturleben der Stadt Berching ein. Das Ehepaar Zink pflegt gute Kontakte zum Kulturförderkreis und zum Freundeskreis Christoph Willibald Gluck. So gab es im vergangenen Jahr zum Beispiel ein hochklassig besetztes Konzert im Innenhof oder im Rahmen der Literaturnacht eine Lesung. Kulturveranstaltungen können aber nur im kleinen Rahmen und mit Partnern stattfinden, da der Engelwirt keine Möglichkeiten hat, eine größere Gesellschaft gastronomisch zu bewirten. Dennoch sieht Zink das Hotel als Bereicherung für das kulturelle und gesellschaftliche Leben in der Stadt. Im April 2024 ging das Kunst- und Designhotel an den Start und die bisherige Gästeliste zeigt, dass nicht nur Kunst- und Architekturreisende im Engelwirt übernachteten. Freilich waren einige Künstler und Architekten zu Gast, auch Freiberufler, die ein Apartment für längere Zeit mieteten, um dort zu arbeiten. Ein Großteil der Gäste waren aber Paare über 40, die die künstlerisch kreative und wohnliche Atmosphäre des Hauses genossen. „Das ist auch unsere Zielgruppe: Reisende, die ein individuelles, exklusives Ambiente zu schätzen wissen und das Besondere suchen, oder auch kreative Unternehmen, die kleine, aber inspirierende Tagungsmöglichkeiten suchen“, sagt Zink. Sieht man sich die Beurteilungen der Gäste auf den einschlägigen Internetplattformen an, kann man jetzt schon sagen, dass Stephanie und Michael Zink ihr wichtigstes Ziel erreicht haben: einen Ort zu schaffen, an dem die Gäste ankommen und sich heimisch fühlen können und gerne bleiben würden.
Autor: Ralf Tautz