Die Kasse stimmt immer

Schön ist er nicht, der Anblick einer geschlossenen Niederlassung mitten in der Altstadt – eine Bank hatte sich ein Stück weiter aus dem Filialgeschäft zurückgezogen und die Ladenimmobilie unbewirtschaftet zurückgelassen. Das dachte sich auch die Stadt Schwandorf und kaufte das Gebäude in ihrer Innenstadt an.
Doch was damit anfangen? „Den Bedarf kennt niemand besser als die Bürgerinnen und Bürger selbst“, sagt Markus Singer, Informationssicherheitsbeauftragter der Stadt. „Wir haben uns mit dem iPad auf die Straße gestellt und die Leute gefragt, was sie hier in Schwandorf dringend brauchen.“ Ein zentrales Ergebnis: längere Öffnungszeiten ihrer Verwaltung. Diesem Wunsch können nur die wenigsten Behörden aufgrund der Ressourcenknappheit nachkommen. Doch die Digitalisierung hilft – und bringt gleichzeitig Frequenz in die Altstadt, beziehungsweise konkret in die ehemalige Bankfiliale.
Den Bedarf kennt niemand besser als die Bürgerinnen und Bürger selbst.

Markus Singer, Stadt Schwandorf

Heute stehen in deren Vorraum drei besondere Automaten, die nicht mehr mit Bargeld versorgen, sondern als Dokumentenausgabebox, Bürgerterminal und Stadtterminal fungieren. Die Schwandorferinnen und Schwandorfer können dort ihre Ausweise und Dokumente abholen, Rentenunterlagen abgeben oder sich arbeitssuchend melden. Die Legitimierung erfolgt mit einem QR-Code, den die Stadt vorab individuell erstellt. „Zwar messen wir nicht die zusätzliche Frequenz, die dadurch entsteht“, erklärt Singer. „Aber wir merken, dass die Automaten intensiv genutzt werden, nicht zuletzt deshalb, weil auch die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter dahinterstehen.“

Bedarfe ermitteln

Die Verwaltung müsse sich öffnen – die Digitalisierung erlaube ihr dies mit den gegebenen Ressourcen. Den Handel könne dies auch glücklich machen: So erhalten die Schwandorfer einen Kaffee-Gutschein für ein nahe gelegenes Café, wenn sie die digitalen Angebote nutzen – die ja auch den Sachbearbeitenden Arbeit abnehmen. „Meistens kommt dann zum Kaffee noch ein Stück Kuchen oder die Familie ist dabei, wenn der Gutschein eingelöst wird“, so Singer. Weil sowohl Bürger als auch Händler sowie die Verwaltung selbst profitieren, forciert die Stadt ihre digitalen Dienstleistungen weiter, bietet inzwischen Parkscheine für den P+R-Parkplatz am Bahnhof online an. Die Parkenden laden dazu nur ihr Zugticket hoch. „Das sind immerhin 10.000 Vorgänge im Jahr, die zuvor händisch bearbeitet werden mussten“, rechnet Singer vor. Den Kirchenaustritt kann man in Schwandorf übrigens ebenfalls per PayPal bezahlen. Dabei sieht Singer auch die Grenzen der Verwaltungsmöglichkeiten – und setzt in seiner Freizeit zusätzlich auf einen Stadtmarketing-Verein.
Ziel ist vor allem, den Leerstand zu bekämpfen, Pop-up-Stores einzurichten und eine Bedarfsanalyse zu erstellen, um letztlich neue Läden anzusiedeln. Die Frequenz zu erhöhen und auch erst einmal genau zu messen, darum geht es. Letzteres ist wieder ein Fall für die Digitalisierung: Mithilfe einer KI zählt die Stadt Schwandorf neuerdings, wie viele Autos, Fußgänger und Radfahrende tatsächlich welche Orte passieren. Damit habe man nicht nur eine Auskunftsquelle für die Wirtschaft geschaffen, sondern auch eine fundierte Basis für Sitzungen, in denen wesentliche Standortentscheidungen getroffen werden.

Verbindung von stationär und digital

Davon weit entfernt – nicht nur räumlich, sondern auch strategisch – ist der Vohenstraußer Fabian Lang. Dennoch setzt auch der Unternehmer voll auf Digitalisierung, vielleicht ein bisschen mehr, als die öffentliche Meinung es gerade hergibt. So führte Lang gemeinsam mit seiner Schwester nach der Übernahme des elterlichen Sportgeschäfts eine vollständige Neuausrichtung durch: Das Geschäftsmodell der LANG:ON GmbH mit den Sparten Einzel- und Onlinehandel, Fulfillment und einem eigenen Sport-Label setzt auf eine besonders intelligente Verknüpfung von stationär und online. Das zeigt sich beim Mitarbeitenden-Einsatz. Denn Langs Geschäft „sportlich:unterwegs“ ist vormittags geschlossen. In dieser frequenzarmen Zeit kümmert er sich mit seiner Schwester und seinen Mitarbeitenden um die Bestellungen aus dem Onlinehandel. Nachmittags sperrt er auf, es gilt das Prinzip, dass auch das versendet wird, was im Laden vorrätig ist. Der gesamte Bestand ist immer online sichtbar, fehlt etwas, wird das Lager wieder aufgefüllt. Auch er gibt seinen Kundinnen und Kunden etwas zurück, weil sie mit Einschränkungen leben – in Langs Fall ist das eine Kundenkarte mit Rabatt.

Kartenzahlung und der Shitstorm

Ein weiterer Tribut an die Digitalisierung und effiziente Abläufe, die Langs Kundschaft zollt, ist der vollständige Verzicht auf Bargeld. „Für uns hat das handfeste Effizienzgründe“, erklärt der Geschäftsführer. Zwanzig Mitarbeitenden Stunden pro Monat seien früher allein durch die Zählung des Bargelds, die Beschaffung von Wechselgeld und die Prüfung der Kasse verloren gegangen. Und wie jeder Händler weiß: Selbst dann passt die Kasse sehr oft nicht. „Heute stimmt die Kasse immer, sie macht sich über Nacht von selbst“, so Lang. die Mitarbeitenden sind begeistert, Langs Steuerberaterin auch. Nur die Kundschaft scheint nicht restlos überzeugt – Lang musste einen wochenlangen Shitstorm auf den Sozialen Medien über sich ergehen lassen. Dabei waren viele der Hater keine Kunden. Lang ist immer noch überrascht angesichts der über 1.000 Kommentare zu einer – in seinen Augen – normalen Sache.
Heute stimmt die Kasse immer, sie macht sich über Nacht von selbst.

Fabian Lang LANG:ON GmbH

Sorge um Datensicherheit unbegründet

Tatsächlich gilt für das Bargeld offenbar dasselbe wie für das Thema Auto, Parken und Mobilität: Ablehnung und überzogene Emotionalität bestimmen momentan den Diskurs. „Ich verstehe die Menschen nicht, die Sozialen Medien offensichtlich vertrauen, wenn sie dort posten, aber gleichzeitig von den größten Sorgen berichten, die sie hinsichtlich digitaler Zahlungsmöglichkeiten haben“, so Lang und kontert häufige Argumente der anderen Seite. „Ich persönlich vertraue lieber meiner Bank als den US-Konzernen, was den Schutz meiner Daten angeht. Und bei einem großflächigen Stromausfall ziehen die wenigsten Leute los und kaufen sofort Wanderschuhe.“
Sachargumente überzeugen hier zwar leider oftmals nicht, doch Lang lässt sich davon nicht beirren, denn die Realität in seinem Laden ist eine ganz andere als auf Social Media: „Unsere Kundinnen und Kunden akzeptieren das in ganz überwiegender Zahl.“ Womöglich habe der Schritt ein wenig Umsatz gekostet, aber viel sei es nicht gewesen. Wichtig sei mit Blick auf die Kosten bei der Auswahl des Dienstleisters, genau dessen Preise zu prüfen. Hier gebe es gewaltige Unterschiede und auch durchaus günstige Angebote. Auf diese Weise, so ist sich zumindest Lang sicher, kann der Verzicht auf Bargeld ganz wesentlich zur Effizienzsteigerung beitragen und den stationären Handel in schwierigen Zeiten entlasten
Kommunaler Digitalisierungs-Check
Die Digitalisierung bietet Städten und Gemeinden neue Wege, um den wachsenden Herausforderungen in den Kommunen zu begegnen, die Lebensqualität zu steigern und ihre Attraktivität zu erhöhen – regional wie überregional. Online-Plattformen, Soziale Medien und digitale Tools fördern nicht nur das Standortimage, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen lokalen Akteuren. Mit einer praxisnahen Checkliste zeigt der Digitalisierungs-Check der IHK vielfältige Erfolgsfaktoren für eine zukunftsfähige kommunale Digitalstrategie auf. Hier geht´s direkt zum Check.