Die Prüfungsmacher

Bundeseinheitliche Prüfungen in der beruflichen Fortbildung entwirft die DIHK-Gesellschaft für berufliche Bildung – Organisation zur Förderung der IHK-Weiterbildung gGmbH in Bonn (DIHKBildungs- gGmbH) im Auftrag aller IHKs in Deutschland. Woran arbeiten die Experten dort gerade? Und welche Strategie verfolgen sie mittelfristig? Steffen Puklavec, Projektreferent Prüfungsentwicklung bei der DIHK-Bildungs-gGmbH, berichtet über aktuelle Entwicklungen.
Herr Puklavec, welche wichtigen Treiber gibt es für die Weiterentwicklung und Digitalisierung von Prüfungsangeboten?
Steffen Puklavec: Tatsächlich haben wir sehr schnell festgestellt, dass ein großer Treiber die variable Termingestaltung ist. Dafür müsste man Prüfungen dynamisieren, das bedeutet, aus einem Pool an Fragen werden immer wieder unterschiedliche Prüfungen generiert. Das lässt sich technisch leicht machen, wurde aber innerhalb der Organisation dennoch an eine klare Beschlusslage gebunden, um sicher zu stellen, dass die Chancengleichheit gewährleistet ist.
Inwiefern?
Wir mussten garantieren, dass dem Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung getragen wird und Prüfungen organisierbar bleiben. Die Antwort darauf waren bislang bundeseinheitliche Termine, da bei nur einer erstellten Prüfung bloß so gewährleistet werden konnte, dass Prüfungsinhalte nicht vorzeitig bekannt werden. Die Digitalisierung erlaubt uns in kürzester Zeit, eine Vielzahl an Prüfungen zusammenzustellen, sodass diese Gleichbehandlung eben auch dann gewährleistet ist, wenn die Prüfungen zwar nicht identisch, aber immer nach denselben Kriterien aus demselben Pool zusammengestellt sind. Auf dieses neue Verständnis haben sich die IHKs bereits 2019 geeinigt.
Warum ist das so entscheidend?
Weil nur auf diese Weise ein faires Verfahren gewährleistet ist – das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite steht die riesengroße Motivation, Flexibilität in die Termingestaltung zu bringen, die die Kammern, aber insbesondere die Unternehmen und die Teilnehmenden ja dringend brauchen.
Nun haben Sie entschieden, dass die ADA-Prüfung mit Beginn des Jahres 2026 nur noch rein digital stattfinden kann. Weshalb?
Die IHKs wollten einen entscheidenden Schritt gehen, um Prüfungen zeitgemäß abbilden zu können. Von außen sieht man nicht unbedingt, welcher Riesenapparat reibungslos funktionieren muss, um eine bundeseinheitliche Prüfung auf Papier abzuhalten. Zunächst müssen Sie rechtzeitig die Druckerei beauftragen, dann die Plots prüfen, den Versand starten und dafür sorgen, dass bei den IHKs jemand die Aufgabenbögen persönlich entgegennimmt, der dies mit besonderer Sorgfalt tut, damit sichergestellt wird, dass kein Unbefugter im Vorfeld Einblick in die Prüfungsunterlagen bekommt. Anschließend erfolgt die Bewertung durch den Prüfungsausschuss mit der Lösungsschablone, die im Idealfall nach ein paar Stunden Ergebnisse haben. Dieser Aufwand ist immens und es können an vielen Stellen Fehler passieren. Zusätzlich dazu ist die flächendeckende Geheimhaltung der Prüfungssätze auch nach einer durchgeführten Prüfung schwer zu gewährleisten. Angesichts der technischen Möglichkeiten haben wir nach besseren und zukunftsfähigeren Lösungen für alle Beteiligten gesucht. Außerdem ist der Verzicht auf Tonnen von Papier – und das sind es wirklich – auch eine Frage der Nachhaltigkeit.
Damit sind digitale Prüfungsformate in erster Linie ein internes Effizienzthema?
Das würde ich so nicht sagen, denn es geht auch darum, die Qualität der Prüfung noch zu steigern. Während der Faktor Mensch innerhalb der gesamten Prozesskette Fehler machen kann, tut die Maschine dies nicht, wenn sie richtig programmiert ist. Zusätzlich dazu ist das große Thema der Geheimhaltung von Prüfungsinhalten bei einer rein digitalen Prüfung viel leichter und einheitlicher zu handhaben. Außerdem können Sie anders prüfen, einzelne Aufgaben viel detaillierter auswerten, die Inhalte praxisnäher gestalten und somit eine ganz andere Entwicklungssteuerung einer Prüfung vornehmen, wenn Sie weg vom Papier kommen.
Wie kann das aussehen?
Nun, zum Beispiel mit Videos, die eine Situation im betrieblichen Alltag zeigen, die ein angehender Ausbilder dann bewerten soll. Das ist aber etwas, das noch nicht umgesetzt ist. Was es dagegen an Verbesserungen jetzt schon gibt, sind komfortablere Aufgabentypen: etwa Lückentexte mit Dropdown-Auswahlmöglichkeiten oder Zuordnungs- beziehungsweise Sortieraufgaben, bei denen Dinge in die richtige Reihenfolge gebracht werden sollen, per Drag and Drop. Das wäre auf Papier wirklich schwer darstellbar und ist jetzt digital schöner und entspannter für die Teilnehmenden lösbar. Auch wenn es um Korrekturen einer bereits gelösten Aufgabe geht, ist es im digitalen Umfeld deutlich einfacher für die Prüfungsteilnehmenden, eine einmal getroffene Entscheidung wieder zu korrigieren.
Wann werden auch erste Prüfungsinhalte durch die digitalen Formate verändert?
Aktuell sind wir hier immer noch bei identischen Inhalten zur Papierprüfung, ganz einfach deshalb, weil die IHKs bisher in allen Bereichen nach wie vor zusätzlich die Print-Prüfung durchführen – die ADA ist neben den zertifizierten Verwaltern nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) die erste, flächendeckend in allen Kammern eingesetzte rein digitale Weiterbildungsprüfung. Solange die Möglichkeit zur Papierprüfung besteht, können wir die digitalen Formate aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz heraus nur begrenzt zugunsten der neuen digitalen Möglichkeiten verändern.
Es müsste also einheitlich auf digital umgestellt werden, um die Inhalte angehen zu können?
Genau, ansonsten ist die eingangs thematisierte Chancengleichheit ja wieder nicht gewährleistet. Eine weitere Herausforderung können Persönlichkeits- oder Urheberrechte bei Videos oder Fotos sein. Die zertifizierten Verwalter nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) haben wir übrigens schon gebeten, uns Bilder zur Verfügung zu stellen, auf denen man beispielsweise einen Sanierungsstau oder Schimmelbefall an einem Gebäude erkennen kann. Diese digitalen Formate führen unsere Prüfungsteilnehmer viel näher an ihre berufliche Praxis heran als es bis dato der Fall ist.
Wie ist denn derzeit die Entwicklungsgeschwindigkeit in Richtung rein digitaler Formate?
Es werden peu à peu weitere Prüfungen in rein digitaler Form hinzukommen. Die nächste Prüfung, die wir ab Januar 2027 in ausschließlich digitaler Form umsetzen wollen, ist die Sachkundeprüfung im Bewachungsgewerbe. Dies ist den prüfenden Kammern auch so bereits kommuniziert worden. Sicherlich ist die Weiterbildungsprüfung zum geprüften Pharmareferenten eine weitere Kandidatin für diesen Umbruch. Auch hier arbeiten wir in Abstimmung mit den prüfenden Kammern an einer zukünftig rein digitalen Prüfung.
Über die Person:
Steffen Puklavec ist Projektreferent Prüfungsentwicklung bei der DIHK-Bildungs-gGmbH. Die DIHK-Gesellschaft für berufliche Bildung – Organisation zur Förderung der IHK-Weiterbildung gGmbH ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) mit Sitz in Bonn. Die Firma entwickelt Produkte und Dienstleistungen für die Berufliche Bildung mit Experten aus der Praxis. Die Gesellschaft kümmert sich im Bereich der Weiterbildung auch um die digitale Prüfungsentwicklung.
Das Interview führte Alexandra Buba.