Titel - Ausgabe November 2023

„Gerade Krisen sollten für Innovationen genutzt werden!“

Wie innovativ sind die ostbayerischen Unternehmen? Und wie bleiben Firmen auch in Krisenzeiten wettbewerbsfähig? Prof. Dr. Michael Dowling, Professor für Innovations- und Technologiemanagement an der Universität Regensburg, über die Innovationsfähigkeit in der Region und ihre Wirkung auf die unternehmerische Resilienz.
Wie innovationsfreudig sind die Betriebe in unserer Region?
Prof. Dr. Michael Dowling: Sehr innovationsfreudig! Wir haben viele innovative Firmen hier in Ostbayern – vom Start-up bis zum Global Player – bei denen kontinuierlich an neuen Innovationen gearbeitet wird. Im Biopark in Regensburg sitzen sehr innovative Biotech-Firmen und an der Tech-Base am Regensburger Galgenberg einige Softwarefirmen, die in ihren Bereichen international top sind. Wir haben zudem im Bereich IT sehr viele kleine, innovative Unternehmen. Hier sei das Cluster „Sensorik“ genannt.
Prof. Dr. Michael Dowling, Universität Regensburg
Wie sieht es in der Forschung aus?
Auch die Hochschulen sind zum Beispiel im Bereich Informatik höchst aktiv: Die Universität Regensburg hat eine neue Fakultät für Informatik und Data Science gegründet und viele neue Lehrstühle im Bereich KI bekommen. Auch im Bereich „Erneuerbare Energien“ sind wir in der Region gut aufgestellt.
Der Vorteil, mit dem der Raum Regensburg punkten kann, ist die Lebensqualität. Viele Hochschulabsolventinnen und -absolventen wollen nach ihrem Abschluss hierbleiben, weil es so schön ist. Außerdem sind die Lebenshaltungskosten – beispielsweise im Vergleich zu München – wesentlich niedriger.
Wie innovativ sind die deutschen Unternehmen generell?
Kritiker sagen, dass wir in Sachen Innovationsfähigkeit längst von anderen Weltregionen abgehängt werden. Das stimmt so nicht. Die deutsche Wirtschaft ist traditionell stark von mittelständischen Unternehmen im Bereich der Industrie geprägt. Und insbesondere dort finden besonders viele Innovationen statt. Da spielt sicherlich auch eine große Rolle, dass wir sehr gute Universitäten und Hochschulen haben. Viele innovative Start-ups, die in Sachen Innovationen im internationalen Bereich ganz vorne dabei sind, werden zum Beispiel von Absolventen der Technischen Universität München gegründet.
Und: Selbst viele internationale High-Tech-Firmen siedeln sich in Deutschland an, weil es hier viele sehr gut ausgebildete Mitarbeiter gibt, die zudem noch – im Vergleich zum Silicon Valley in den USA – sehr günstig sind. Ein junger IT-Absolvent mit Master-Abschluss kostet einer Firma im Silicon Valley etwa 200.000 Euro im Jahr, in München um die 80.000 Euro. München ist Billiglohnregion im Vergleich zum Silicon Valley! Der Internetbrowser Chrome von Google zum Beispiel wurde in München entwickelt und wird auch aus München betreut.
Welche Rolle spielt die Ausbildung der Mitarbeiter für die Innovationsfähigkeit?
Eine sehr große. Die regionalen Unternehmen sind auch deshalb sehr innovativ, weil die Ausbildung sowohl an den Hochschulen als auch in der dualen Ausbildung in technischen Fächern sehr gut ist. Unsere Ingenieure, die frisch von der Universität oder den Hochschulen für Applied Sciences kommen, können sehr gut mit denjenigen in den USA oder in Indien mithalten. Und: Innovationen entstehen nicht nur an Forschungseinrichtungen, sondern oft in den Unternehmen selbst. Einfach dadurch, dass Kunden im Gespräch mit einem Mitarbeiter eine neue Lösung für ein Problem finden. Und da ist es einfach Gold wert, wenn man gut ausgebildete Mitarbeiter hat, die auch einen Schritt weiterdenken können.
Prof. Dr. Michael Dowling, Universität Regensburg
Was können sich deutsche Firmen von anderen Nationen in Sachen Innovationsmanagement abschauen?
In den deutschen Firmen passieren viele gute Erfindungen. Worin die deutschen Firmen weniger gut sind, ist deren Vermarktung. Und: manchmal ist auch die deutsche Gründlichkeit ein Hemmschuh. Deutsche Firmen wollen oft mit einer hundertprozentig ausgestalteten Lösung auf den Markt gehen. Andere, etwa in den USA, gehen schon mit einer Technologie auf den Markt, die erst zu 70 Prozent ausgereift ist. Das ist in einem hochkompetitiven Umfeld – wie etwa in der App-Entwicklung – oft besser, weil man da schon ins Hintertreffen gerät, wenn man sechs Monate zu spät mit einem neuen Produkt auf den Markt kommt. Aber auch da sind die deutschen Firmen besser geworden, Stichwort „Minimal Viable Product“. Dieser Begriff meint, dass man erst einmal mit einer einfachen Lösung in den Markt eintritt und das Produkt, zum Beispiel die App, danach noch verfeinert.
Wie wichtig sind Innovationen in Krisenzeiten?
Enorm wichtig! Viele Unternehmen tendieren dazu, weniger Geld in Innovationen zu investieren, wenn es ihnen in einer (geopolitischen) Krise schlechter geht. Aber das ist ganz falsch! Investitionen in Forschung und Entwicklung sind ein Überlebensmodell, auch wenn damit auch immer ein Risiko verbunden ist. „Never waste a good crisis“, sagte US-Präsident Barack Obama vor ein paar Jahren und diesen Satz kann ich absolut unterschreiben!

Das Gespräch führte Dr. Julia Egleder.