Bayern-Čechy - Ausgabe Juli 2023

Warnschuss von Tschechiens Wirtschaft

Die Konjunkturumfrage 2023 der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer (DTIHK) bei ihren Mitgliedern meldet für Tschechien Kostensteigerungen und eine Dauerkrise bei Verfügbarkeit und Ausbildung von Fachkräften.
Eine gute Nachricht vorab: Der deutsch-tschechische Handel ist auch im vergangenen Jahr auf einen neuen Rekordwert von 113 Mrd. Euro gewachsen und bleibt voraussichtlich auch 2023 das Zugpferd des tschechischen Außenhandels. Aber: Die Rezession spiegelt sich in unserer aktuellen Konjunkturumfrage auch in einer Stagnation bei den meisten wichtigen Indikatoren für die weitere Jahresentwicklung wider. Die Unternehmen in Tschechien bewerten die Wirtschaftsaussichten für das laufende Jahr wesentlich weniger optimistisch. Nur 19 Prozent der Firmen rechnen mit einer Verbesserung der Wirtschaftsaussichten, 38 Prozent mit einer Verschlechterung. Damit sind wir fast wieder beim Stand von 2013 angekommen.
Bei den eigenen Geschäftsaussichten blicken die Firmen mit mehr Optimismus auf die künftige Entwicklung. Im Jahresvergleich mit 2021 gibt es allerdings auch hier einen Trend nach unten: „Bessere“ Geschäfte erwarten 36 Prozent der Unternehmen, das sind elf Prozent weniger als 2021. Insgesamt 23 Prozent erwarten eine Verschlechterung.

Export, Investitionen, Beschäftigung

Bei den Exportaussichten gehen über ein Viertel der Befragten von einer Steigerung aus, 16 Prozent von sinkenden Exportzahlen. Wichtiger Indikator für die künftige Entwicklung sind vor allem die geplanten Investitionen. Auch hier zeigt sich eher Zurückhaltung. Ein Drittel der Unternehmen will seine Investitionen steigern, knapp ein Viertel geht jedoch von sinkenden Investitionen aus, der Höchstwert in den vergangenen fünf Jahren. Alarmierend ist, dass unter diesen Unternehmen vor allem das für Tschechien wichtige Verarbeitende Gewerbe seine Investitionen zurückfahren will. Gleiches gilt für die Beschäftigungsprognose. Zwar verzeichnet sie noch einen Positivsaldo von 18 Prozent, das Verarbeitende Gewerbe ist aber auch hier zurückhaltender als der Dienstleistungssektor.
Die DTIHK in Prag bei der Vorstellung der Konjunkturumfrage.
Die DTIHK stellte in Prag ihre Konjunkturumfrage vor. © DTIHK
Hinsichtlich der Lohnkosten kommen auf die Unternehmen satte Steigerungen zu. Fast zwei Fünftel (39 Prozent) erwarten eine Erhöhung der Gehälter ihrer Mitarbeiter von deutlich über acht Prozent. Darin spiegelt sich klar der Inflationsausgleich. Das schlägt sich auch in der Risikoanalyse der Unternehmen nieder: Energiepreise (60 Prozent) und Arbeitskosten (57 Prozent) werden als die größten Risiken gesehen, an dritter Stelle folgt der Kostentreiber Fachkräftemangel (53 Prozent). „Die erwarteten Kostensteigerungen nehmen ein großes Stück vom Budgetkuchen weg, auf Kosten der notwendigen Investitionen. Das sehen wir als großes Risiko für die tschechische Wirtschaft. Gerade für die Transformation im Bereich erneuerbarer Energie, Digitalisierung und Elektromobilität sind deutliche Investitionssteigerungen erforderlich, um die Zukunftsfähigkeit zu sichern“, so DTIHK-Präsident Milan Slachta.

Mangel an qualifiziertem Personal

Unter den Top 5 der Standortqualitäten haben sich lediglich Verschiebungen innerhalb der Gruppe ergeben. Langfristige positive Konstanten sind neben der EU-Mitgliedschaft Tschechiens und der Zahlungsdisziplin vor allem die akademische Ausbildung (Platz 3), die „Produktivität und Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer“ (Platz 4) und die „Qualität und Verfügbarkeit lokaler Zulieferer“ (Platz 5). In der Rangfolge von 21 Faktoren haben die Unternehmen jedoch das „Berufsbildungssystem“ in Tschechien wieder auf den vorletzten Platz verbannt. Den letzten Platz nimmt die Verfügbarkeit von Fachkräften ein. Es fehlt nach wie vor die enge Verzahnung von schulischer Theorie und Praxis in den Unternehmen. Und diese Verzahnung sehen die Unternehmen als wesentlich an für die Wettbewerbsfähigkeit Tschechiens. Den größten Bedarf an Mitarbeiterkompetenzen sehen sie bei Soft-Skills wie Kommunikation und Teamarbeit (63 Prozent), tieferes Verständnis und Nutzung digitaler Technologien“ (51 Prozent) sowie hybride Führungskompetenz (47 Prozent).

Digitaler Wandel drückt

„Wir nehmen mit großer Sorge wahr, dass sich das staatliche Berufsbildungssystem kaum verbessert hat, während sich die kommunikativen, technologischen und digitalen Anforderungen in den Unternehmen rasant verändern. Diese Schere wird noch weiter auseinandergehen“, warnt DTIHK-Geschäftsführer Bernard Bauer.
Das bestätigen auch aktuelle Studien des Internationalen Währungsfonds zur Transformation in Tschechien. „Die unsichere Marktlage erhöht die Dringlichkeit der digitalen Transformation. Dafür gibt es aber heute schon nicht genügend qualifizierte Leute auf dem Markt“, sagt auch Hana Součková, DTIHKVorstandsmitglied und Generaldirektorin von SAP CZ. „Wir arbeiten intensiv daran, den IT-Bereich für Schüler und Bildungseinrichtungen attraktiver zu machen und die digitalen Fähigkeiten der Arbeitnehmer zu verbessern. Die Fähigkeit, Neues zu lernen, wird bei der Rekrutierung für neue Positionen in Unternehmen zunehmend gefragt sein.“
Im Attraktivitäts-Ranking der MOE-Länder steht Tschechien aktuell mit Platz 3 hinter Slowenien (1) und Polen (2). Bis 2018 hielt Tschechien mehrere Jahre unumstritten Platz 1, in den folgenden Jahren bis zum Ukraine-Krieg konnte Estland bei den Investoren am meisten Punkte sammeln.

Autor: Christian Rühmkorf

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