Stagnation in der regionalen Wirtschaft

Konjunkturbericht Frühjahr 2023


J: Jahresbeginn; F: Frühjahr; H: Herbst

IHK-Konjunkturumfrage: Der Aufwärtstrend zum Jahresbeginn gerät bei den Unternehmen in der Oberpfalz und dem Landkreis Kelheim ins Stocken.

Zwei Branchen, zwei gänzlich unterschiedliche Situationen: Für Maria Nietzel vom Reisebüro ferntouristik Ulbrich Koller GmbH in Regensburg sprang die Konjunkturampel nach langer Durststrecke auf grün: „Die Reisebranche kommt nach der Corona-Pandemie aus einem tiefen Tal und steuert aktuell wieder Umsätze wie im guten Touristikjahr 2019 an.“ Gänzlich anders sieht es beim Bau und seinen Zulieferern aus: „Die Auftragslage im Baunebengewerbe ist nicht mehr so rosig wie letztes Jahr. Wir rechnen deshalb für 2023 preis- und mengenbedingt mit bis zu zehn Prozent Umsatzrückgang“, stellt Thomas Dellekönig von der Saint-Gobain ADFORS Deutschland GmbH in Neustadt a. d. Donau fest.
„Insgesamt gesehen stagniert die Geschäftslage bei den Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen“, berichtet der Präsident der IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim Michael Matt aus der Konjunkturumfrage Frühjahr unter 270 Unternehmen aller Branchen und Größen. Deutlich wird auch: : „Während das Inlandsgeschäft rückläufig ist, geht es auswärts nach langer Durststrecke wieder aufwärts. Das sollte uns angesichts der politischen Beschlüsse der Bundesregierung zu denken geben. Die heimische Wirtschaft zeigt sich resilient gegenüber den geopolitischen Ereignissen, aber hierzulande muss die Politik die Weichen auf Wachstum stellen”, so Matt.

Stützte in den letzten Krisenjahren der innerdeutsche Markt die Wirtschaft, so schwindet nun das Vertrauen der Unternehmen in den heimischen Standort und das Nachfrageverhalten. Insbesondere die anhaltende Inflation belastet die Unternehmensfinanzen. Auch wenn sich zum Jahreswechsel ein leichter Anstieg der Unternehmensinsolvenzen zeigte, liegen die Zahlen deutlich unter den Vor-Corona-Werten. Dies bestätigen auch die Angaben von 90 Prozent der Befragten mit einer unkritischen bzw. guten Liquiditätslage.

Mehr Umsatz nicht gleich mehr Wachstum

Die Meldungen zu Umsatzsteigerungen in den Branchen täuschen inflationsbedingt über Auftragsrückgänge oder bestenfalls eine Stagnation in einzelnen Branchen hinweg. In der Industrie ging der Bestand an Aufträgen gegenüber dem Frühjahr 2022 deutlich zurück. Eine Ausnahme bilden Hotels, Gastronomiebetriebe und Reisebüros wie das von Maria Nietzel. Der Post-Corona-Reiselust täten die Inflation und die gestiegenen Kosten keinen Abbruch. Dabei ist das Reisen deutlich teurer geworden. Beispiel Economy-Ticket nach Australien: Vor Corona bezahlte man dafür etwa 1.200 Euro, gegenwärtig je nach Termin ca. 2.000 Euro. Sollten die gestiegenen Reisepreise für manche Kunden Herausforderungen darstellen, würde man günstigere Destinationen anbieten, wie z. B. die Türkei, oder die Reisedauer verkürzen, berichtet Nietzel. Bei anderen Kunden wiederum spielten die gestiegenen Kosten keine große Rolle. Im Gegenteil: wer es könne, leiste sich gerade nach den vergangenen zwei „besonderen“ Jahren auch gern etwas Luxuriöses.

Zinsen bremsen Bau aus

Die Goldenen Zeiten beim Bau sind indes vorbei. Sieben von zehn Betrieben melden einen Einbruch beim Wohnungsbau. Angesichts der gestiegenen Bauzinsen warten die Bauherren ab. Das bremst bei vier von zehn befragten Baubetrieben den Auftragseingang. Auch beim Wirtschaftsbau geht es nur schleppend voran. Das spürt wiederum die Baunebenbranche. „Als B2B-Lieferant für das Bauwesen sind wir auf die Einschätzung der Branche angewiesen“, weiß Thomas Dellekönig von Saint-Gobain. Das rund 130 Mitarbeiter starke Werk im Landkreis Kelheim stellt aus Polyester- und Glasfaserfäden Verstärkungsgitter, sogenannte Gelege, her, welche zum Beispiel bei der Fertigung von Bitumen-Dachbahnen, Polyester-Dachbahnen, Bodenbelägen oder auch Klebebändern, eingesetzt werden – eine sehr energieintensive Produktion. Konnte Saint Gobain die explodierenden Energiepreise im letzten Herbst noch an seine Kunden weitergeben, weil die Nachfrage hoch war, stelle sich die Lage nun anders dar: „Die Energiepreise sind rückläufig, da sind die Kunden der Meinung, ihr könnt doch jetzt auch günstiger einkaufen. Das drückt auf die Absatzpreise“, stellt Dellekönig fest.
Eine leichte Entspannung vermeldet der Bau zwar bei der Material- und Rohstoffknappheit. Dennoch wird der Preisanstieg nicht gestoppt: Drei Viertel der Bauunternehmen planen eine Kostenweitergabe an ihre Kunden. Impulse bleiben für die Branche damit auf absehbare Zeit wohl aus.

Hoffen auf das Auslandsgeschäft 

Mehr Freude könnte den Konjunkturexperten der IHK künftig wieder der Außenhandel bereiten. „Die globale Konjunktur lief in den letzten Monaten zäh. Der Auslandsumsatz der regionalen Exporteure stagnierte inflationsbereinigt im ersten Quartal 2023. Aktuell steigen die Erwartungen unserer Unternehmen an das Exportgeschäft aber wieder“, zeigt sich IHK-Präsident Michael Matt zuversichtlich. Die Märkte in Nord- und Südamerika stabilisierten sich, das zeigen die Angaben zum deutlich angestiegenen Auftragsvolumen aus diesen Ländern. Einen Auftragsrückgang mit chinesischen Partnern vermelden wiederum 55 Prozent der exportierenden Betriebe.

Ausblick

Die Energiemärkte beruhigen sich seit Jahresbeginn. Der Anteil an Unternehmen, denen steigende Energiepreise massive Sorgen bereiten, ging in Folge von 45 auf 34 Prozent zurück. Gleichzeitig dürfte die Ankündigung der OPEC zur Drosselung der Ölförderung den Ölpreis nach oben treiben. „Unsere Unternehmen haben den Krisen-Modus verlassen, sehen sich jedoch mit langfristigen, strukturellen und politischen Risiken konfrontiert“, sagt Matt. Mit leichtem Rückgang bleibt der Fachkräftemangel die größte Herausforderung bei den Betrieben. Gleichzeitig sehen die Firmen ihre weitere Entwicklung noch stärker von der Finanzierung und mit Blick auf aktuelle politische Diskussionen von den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen abhängig.
Die Angaben der Unternehmen lassen ahnen, dass ein Ende der Preissteigerungen noch nicht in Sicht ist. 55 Prozent planen Erhöhungen. Aktuelle politische Beschlüsse, z.B. zu den Themen Gebäudeenergie und Energieeffizienz, bewerten die Befragten als praxisfern und schwer zu finanzieren, zudem schaffen sie Unsicherheit und lassen keine Investitionsplanungen zu. Die Betriebe melden auch eine finanzielle Belastung durch die Tarifabschlüsse.
Wachstumsimpulse für die heimische Wirtschaft sind nach Angaben der Befragten nicht in Sicht, die verhaltenen Geschäftserwartungen über alle Branchen schaffen es nicht in den positiven Bereich. Damit korrelieren auch die Investitionspläne - mit Ausnahme des Handels. „Mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst fordern die regionalen Unternehmen von der bayerischen Staatsregierung eine Schwerpunktsetzung bei Fachkräftesicherung, Bildung, Energie und Bürokratieabbau“, schließt IHK-Präsident Matt.

Sie finden hier den IHK-Konjunkturbericht mit Blick in die Branchen. Außerdem finden Sie weitere Zahlen und Auswertungen unter “Weitere Informationen”.
(17.05.2023)