Europäische Vereinheitlichung

Das europäische Sorgfaltspflichtengesetz

Der Kompromisstext für die EU-Richtlinie zu Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen (Corporate Sustainablity Due Diligence Directive CSDDD) wurde formell vom Europäischen Parlament angenommen. Es soll große Unternehmen dazu verpflichten, entlang ihrer sogenannten Aktivitätenkette negative Auswirkungen auf Umwelt und Menschenrechte zu mildern oder zu verhindern. Abschließend muss nun noch der Rat der EU das Gesetz verabschieden. Dies wird voraussichtlich am 23. Mai 2024  der Fall sein. Die Richtlinie tritt dann 20 Tage nach der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft. Die Frist für die Umsetzung in nationales Recht beträgt zwei Jahre. Die vom Europäischen Parlament veröffentlichte vorläufige deutsche Version des Rechtstextes finden Sie hier.

Anwendungsbereich

Die EU-Richtlinie sieht eine stufenweise Anwendung für Unternehmen vor.
  • Ab 2027 gelten sie für Unternehmen mit mehr als 5 000 Beschäftigten und über 1,5 Mrd. EUR Umsatz.
  • Ab 2028 gelten sie auch für Unternehmen mit mehr als 3 000 Beschäftigten und einem Umsatz von über 900 Mio. EUR.
  • Ab 2029 gelten sie schließlich für alle Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen (mehr als 1000 Beschäftigte, über 450 Mio. EUR Umsatz).
Die im ursprünglichen Entwurf vorgesehenen Risikosektoren entfallen, können durch eine Überprüfungsklausel aber später in den Anwendungsbereich aufgenommen werden.

Sorgfaltspflichten

  • Unternehmen müssen Sorgfaltspflichten in ihre Unternehmenspolitik und Risikomanagementsysteme integrieren. Ein Verhaltenskodex muss erstellt werden.
  • Sorgfaltspflichten müssen entlang der sogenannten „Aktivitätskette“ und unter Berücksichtigung direkter und indirekter Geschäftspartner ausgeübt werden. Die Aktivitätskette umfasst alle vorgelagerten Aktivitäten zur Herstellung eines Produkts und Teile der nachgelagerten Aktivitäten wie Vertrieb, Lagerung und Transport im Auftrag des Unternehmens. Bei den nachgelagerten Aktivitäten wurde die Entsorgung des Produktes aus der Definition gestrichen. Bei den nachgelagerten Aktivitäten müssen nur die direkten Geschäftsbeziehungen und nicht die indirekten Geschäftsbeziehungen in den Blick genommen werden.
  • Zu beachtende Menschenrechts- und Umweltabkommen: Die Liste der Abkommen und geschützten Rechtspositionen (z. B. Verbot von Kinderarbeit, Verbot von Zwangsarbeit, angemessene Löhne, Verbot der Ungleichbehandlung in der Beschäftigung) ist umfassender als die des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes.
  • Risikobasierter Ansatz und Bemühenspflicht: Unternehmen können zunächst die Risiken identifizieren, die am schwerwiegendsten sind oder am wahrscheinlichsten eintreten werden. Unternehmen können auch die Reihenfolge, in der sie diese Risiken abmildern, nach Schwere und Wahrscheinlichkeit ordnen. Unternehmen müssen sich angemessen bemühen, negative Auswirkungen zu verhindern/abzustellen.

Sorgfaltspflichten im Einzelnen

  • In einem ersten Schritt müssen Unternehmen potenzielle negative oder tatsächliche negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt im Rahmen der eigenen Geschäftstätigkeit, bei Tochterunternehmen und in der Aktivitätskette ermitteln.
  • Werden potenzielle negative Auswirkungen ermittelt, müssen Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Abschwächung dieser potenziellen negativen Auswirkungen eingeleitet werden.
  • Werden tatsächliche negative Auswirkungen im Rahmen der eigenen Geschäftstätigkeit und der der Tochtergesellschaften ermittelt, so müssen diese abgestellt werden.
  • Werden tatsächliche negative Auswirkungen bei Geschäftspartnern festgestellt, so müssen diese abgestellt oder minimiert werden, wenn sofortiges Abstellen nicht möglich ist.
  • Wenn Unternehmen die negativen Auswirkungen auf die Umwelt oder die Menschenrechte durch Geschäftspartner dauerhaft nicht verhindern oder abstellen können, müssen sie die Geschäftsbeziehungen beenden (ultima ratio). Dies gilt nicht für den Fall, dass die negativen Auswirkungen der Beendigung schwerer wiegen als die Auswirkungen auf die Menschenrechte oder die Umwelt.
  • Die CS3D sieht unterschiedliche Abhilfemaßnahmen bei potenziellen negativen Auswirkungen und tatsächlichen negativen Auswirkungen vor. Darunter fallen z. B. die Entwicklung und Umsetzung eines Präventionsaktionsplans oder Korrekturmaßnahmenplans mit klar festgelegten Zeitplänen und Indikatoren zur Messung der Verbesserung; Vertragsklauseln; Vertragskaskaden; Unterstützung von Geschäftspartnern; Investitionen in Produktionsstätten, Produktionsprozesse, operationelle Prozesse und die Infrastruktur; die Anpassung von Geschäftsplänen und Unternehmensstrategien; die Anpassung des Produktdesigns, der Einkaufspraxis sowie des Vertriebs.
  • Unternehmen müssen ihre Tätigkeiten und Maßnahmen im Rahmen der Sorgfaltspflicht mindestens alle 12 Monate bewerten und auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen.
  • Unternehmen müssen jährlich über ihre Tätigkeiten berichten.
  • Unternehmen müssen ein Beschwerdeverfahren einrichten.

Sanktionen und zivilrechtliche Haftung

  • Jeder Mitgliedstaat muss eine nationale Aufsichtsbehörde benennen, die überwacht, ob die Unternehmen den Verpflichtungen nachkommen.
  • Finanzielle Sanktionen können bis zu 5% des globalen Nettoumsatzes eines Unternehmens betragen.
  • Der Gesetzentwurf sieht eine zivilrechtliche Haftung bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung der Sorgfaltspflicht vor, wenn ein Schaden eingetreten ist. Gewerkschaften und NGOs können im Auftrag von Geschädigten klagen. Unternehmen sollen aber nicht für Schäden haften, die ausschließlich von Geschäftspartnern verursacht wurden.

Klimaübergangspläne

  • Unternehmen müssen zudem einen Plan festlegen und umsetzen, mit dem sie sicherstellen, dass das Geschäftsmodell und die Strategie des Unternehmens mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C gemäß dem Übereinkommen von Paris vereinbar sind.
  • Wenn der Klimawandel als ein Hauptrisiko oder eine Hauptauswirkung der Unternehmenstätigkeit ermittelt wurde, müssen Unternehmen Emissionsreduktionsziele in ihrem Plan aufnehmen.
  • Die im ursprünglichen Entwurf vorgesehenen Vergütungsregelungen für das Management im Zusammenhang mit den Klimaübergangsplänen wurden aus Artikel 15 gestrichen.