Gesetzespaket

Green Deal und Fit for 55

Der 2019 vorgestellte  "Green Deal" der EU-Kommission ist ein ambitioniertes Programm für den umwelt- und klimafreundlichen Umbau der europäischen Wirtschaft. Neben dem Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 soll es auch dafür sorgen, die Schadstoffemissionen deutlich zu reduzieren und die Kreislaufwirtschaft zu stärken.  
Ein integraler Bestandteil des Green Deal ist das Maßnahmenpakte “Fit for 55”. Es sieht vor, dass bis 2030 die THG-Emissionen in der EU um 55 Prozent gesenkt werden. Die beschriebenen zwölf Gesetzgebungsverfahren haben auf breiter Front Wirkung auf Unternehmen.
Das "Fit for 55"-Paket sieht 12 legislative Maßnahmen vor, die teilweise bereits umgesetzt wurden:
  1. Änderung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III)
  2. Änderung der Energieeffizienz-Richtlinie (EED)
  3. Überarbeitung der Richtlinie zum Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFID)
  4. Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems (ETS)
  5. Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie (ETD)
  6. Überarbeitung der Lastenverteilungs-Verordnung (ESR)
  7. Änderung der Verordnung zur Festlegung von CO₂-Emissionsgrenzwerten für neue PKWs und leichte Nutzfahrzeuge
  8. Neue Verordnung für einen CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM)
  9. Überarbeitung der Verordnung über die Einbeziehung und den Abbau von Treibhausgasemissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF)
  10. Richtlinie für den Luft- und Seeverkehr (u.a. CORSIA)
  11. ReFuelEU Aviation – nachhaltige Flugtreibstoffe
  12. FuelEU Maritime – grüner europäischer Seeraum

Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems (ETS): Was kommt mit der Reform des europäischen Emissionshandels auf Unternehmen zu?

Im Rahmen des Fit-for-55-Pakets wurde der bestehende europäische Emissionshandel mit der Verordnung 2021/0211 reformiert. Konkret wird das Ausgangsniveau der zur Verfügung gestellten Emissionszertifikate abgesenkt (um 90 Mio. in 2024 und 27 Mio. in 2026) und der Pfad zur weiteren jährlichen Reduzierung deutlich steiler (4,3 % von 2024 bis 2027 und 4,4 % bis 2030). Insgesamt sollen die erfassten Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 62 % sinken.
Zudem wird die freie Zuteilung im EU ETS gekürzt, die einige Sektoren erhalten, um international wettbewerbsfähig sein zu können. Bis 2034 sollen diese ganz wegfallen und durch den Carbon-Boarder-Mechanism (CBAM) ersetzt werden. Steigende Preise und sinkende freie Zuteilung führen zu höheren CO₂-Kosten für viele Betriebe. 
Teil der Novelle des bestehenden EU-Emissionshandels (EU ETS) ist die Schaffung eines separaten, neuen EU-Emissionshandels für Verkehr und Gebäude. In seiner Funktionsweise ähnelt das System dem seit 2021 existierenden deutschen Emissionshandel, der neben bestimmten Kraft- und Brennstoffen auch die industrielle Prozesswärme erfasst. Emissionshandelspflichtig würden die Inverkehrbringer der Kraft- und Brennstoffe, die die CO2-Kosten wiederum an die Unternehmen weitergeben (Upstream-Ansatz).
Das neue EU ETS soll ab 2027 (bei hohen Energiepreisen ab 2028) greifen. Außerdem ist ein "softer" Preiscap von 45 Euro pro Tonne bis 2030 festgelegt. Ob und wie das nationale Emissionshandelssystem in den New EU ETS überführt wird, steht noch aus.

Der Ausbau erneuerbaren Energien

Damit die mit dem Green Deal beabsichtigte Transformation gelingen kann, werden entsprechende CO₂-arme Alternativen zur Energieversorgung, also Strom aus erneuerbaren Quellen und klimafreundlicher Wasserstoff in auskömmlichen Mengen und zu wettbewerbsfähigen Preisen, zur Verfügung stehen müssen. Dafür plant die EU-Kommission die Festlegung eines verbindlichen EU-Ausbauziel von 38 bis 40 Prozent Anteil am Endenergieverbrauch bis 2030.
Nationale Ziele will sie nicht vorschreiben. Vorgesehen sind aber indikative Erneuerbaren-Ziele für die Bereiche Gebäude – voraussichtlich 39 Prozent bis 2030 – und die Industrie. Im Bereich Verkehr soll neben dem Unterziel für fortschrittliche Kraftstoffe auch eines für Treibstoffe nicht biogenen Ursprungs eingeführt werden, etwa für Strom, Wasserstoff oder E-Fuels.
Vorgeschlagen wird zudem ein EU-weit gültiges System für Herkunftsnachweise. Das soll unter anderen dazu beitragen, dass im EU-Strombinnenmarkt mehr Verträge für die Direktabnahme von erneuerbarem Strom (PPA) geschlossen werden.

Die Stärkung der Energieeffizienz

Das derzeit gültige Energieeinsparziel von 32,5 Prozent bis 2030 gegenüber 2008 wird nach Einschätzung der Kommission voraussichtlich um rund 3 Prozent verfehlt. Nachsteuerungsbedarf bestehe daher auch ohne eine weitere Verschärfung. Ob die Effizienzziele erhöht werden sollen, ist noch offen. Klar ist, dass die Kommission darauf setzt, das Prinzip "Efficiency First" – also den Leitgedanken, sparsam mit Energie umzugehen – in allen energieverbrauchsrelevanten Segmenten zu stärken.
Einen besonderen Beitrag soll dabei die öffentliche Hand leisten, unter anderem über Sanierungsverpflichtungen für mehr öffentliche Gebäude und eine stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der öffentlichen Beschaffung (green public procurement). Insgesamt wird mehr als bislang ein stärkeres Gewicht auf die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden gelegt.
Die Kriterien für die Verpflichtung zu Energie-Audits und Energie-Managementsysteme sollen nicht mehr an Art und Größe des Unternehmens festgemacht werden, sondern an der Höhe ihres Energieverbrauchs.

Die Flottengrenzwerte und Ladeinfrastruktur

Im Verkehrssektor sind eine Anpassung der CO₂-Flottengrenzwerte für Pkw und der Ausbau der Ladeinfrastruktur geplant. Damit soll die vollständige Marktdurchdringung mit Elektrofahrzeugen erheblich beschleunigt werden.
Bisher sah die Verordnung für die CO₂-Flottengrenzwerte von Pkw bis 2030 eine Verringerung der Emissionen um 37,5 Prozent bei neuen Pkw gegenüber 2021 vor. Die vorgeschlagenen 55 Prozent Reduktion gegenüber 2021 auf dann rund 50 Gramm CO₂ je Kilometer und Pkw sind nur ein Zwischenschritt. Bereits 2035 sollen neu zugelassene Pkw und Vans komplett emissionsfrei sein. Das bedeutet das Ende für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren.
Darüber hinaus schlägt die EU-Kommission mit der novellierten Gesetzgebung zur Infrastruktur für alternative Kraftstoffe deutlich konkretere Ausbaupläne für Ladesäulen sowie für Wasserstoff- und Gastankstellen vor. Die bestehende Richtlinie wird in eine direkt gültige Verordnung umgewandelt.
Unter den alternativen Kraftstoffen wird der Schwerpunkt klar auf Strom und Wasserstoff gelegt – auch für Nutzfahrzeuge. Jeder Mitgliedsstaat muss hierfür eine bestimmte Netzabdeckung bei der Lade- beziehungsweise Tankinfrastruktur erreichen. Die Kraftstoffe Erdgas (CNG, LNG) und Flüssiggas (LPG) werden nur noch übergangsweise beim Infrastrukturausbau berücksichtigt. Nicht zuletzt werden Minimalausstattungen für See- und Binnenhäfen bei der Landstromversorgung sowie an Flughäfen für die stationäre Bordstromversorgung vorgeschrieben.