Reform der EU-Zollunion

EU-Zollreform: Was kommt auf uns zu?

Im Sinne des digitalen Wandels soll die EU-Zollreform schwerfällige Zollverfahren abbauen und durch eine datengesteuerte Vision für die Einfuhrüberwachung eine einfachere, intelligentere und sicherere Zollunion schaffen. Damit will die EU auf den Druck reagieren, unter dem die EU-Zollbehörden heutzutage stehen, und der unter anderem durch einen Anstieg des Handelsvolumens (v.a. des elektronischen Handels), eine rasch wachsende Zahl von EU-Normen und sich verändernde geopolitische Gegebenheiten und Krisen bedingt ist. Allein das Aufkommen an Standardzollanmeldungen habe sich zwischen 2019 und 2021 verdoppelt, meldet die EU-Kommission.

Neue EU-Zolldatenplattform

Es wird eine neue EU-Zollbehörde geschaffen, die eine EU-Zolldatenplattform überwachen soll. Die neue Datenplattform soll die bestehende IT-Infrastruktur für den Zoll in den EU-Mitgliedstaaten ersetzen, wodurch jährlich bis zu 2 Mrd. EUR an Betriebskosten eingespart werden. Die neue Behörde wird auch zu einem verbesserten EU-Ansatz für Risikobewertung und Zollkontrollen beitragen. Die derzeit nationalen IT-Systeme der 27 Mitgliedsstaaten sind weder einheitlich noch können diese untereinander kommunizieren.
Importierende Unternehmen sollen dann alle Informationen über ihre Produkte und Lieferketten in eine einzige Online-Umgebung eingeben können. Unternehmen müssen also bei der Übermittlung ihrer Zollinformationen nur mit einem einzigen Portal kommunizieren und die Daten für mehrere Sendungen lediglich einmal übermitteln. In bestimmten Fällen, in denen die Geschäftsabläufe und Lieferketten vollkommen transparent sind, können die vertrauenswürdigsten Händler („Trust & Check“-Händler) ihre Waren ohne aktives Tätigwerden der Zollbehörden in der EU in den Verkehr bringen. Der „Trust & Check Wirtschaftsbeteiligte“ soll ab 2032 bis 2038 den AEO ablösen und zusätzliche Erleichterungen mit sich bringen.
Die so von der Wirtschaft bereitgestellten Daten können gebündelt werden und einen vollständigeren Überblick über die Lieferketten und den Warenverkehr ermöglichen.  
Die Datenplattform soll gemäß den Vorschlägen ab 2028 für Sendungen des elektronischen Handels und ab 2032 (auf freiwilliger Basis) für alle anderen Einführer zur Verfügung stehen. 2035 soll geprüft werden, ob diese Möglichkeit auf alle Wirtschaftsbeteiligen ausgeweitet werden kann, wenn die Plattform ab 2038 für alle verpflichtend wird.

Neuer Ansatz für Zollkontrollen

Das oben genannte System soll den Zollbehörden einen umfassenderen Überblick über Lieferketten und Gefährdungspotentiale geben. Da Echtzeitdaten vorliegen, kann schneller, effektiver und EU-einheitlich auf Risiken reagiert werden. Dem System wird eine KI (künstliche Intelligenz) zugrunde liegen, die Daten analysieren und überwachen sowie Probleme ermitteln soll, noch bevor die Versendung der Waren in Richtung EU überhaupt begonnen hat.
So soll ermöglicht werden, dass die EU-Zollbehörden Ihre Ressourcen auf die wichtigsten Bereiche konzentrieren können: die Unterbindung der Einfuhr unsicherer oder illegaler Waren in die Union und der Durchsetzung der zunehmenden Zahl an EU-Rechtsvorschriften, sowie die ordnungsgemäßen Erhebung von Zöllen und Steuern zum Nutzen der nationalen Haushalte und des EU-Haushalts.
Innerhalb der Mitgliedsstaaten wird eine gemeinsame Basis für eine einheitliche Abwicklung geschaffen werden, um Informationen und Fachwissen auf EU-Ebene vereinheitlichen zu können. Ein Austausch der nationalen Behörden kann dabei über die Plattform erfolgen.

Änderungen beim Online-Handel

Zukünftig muss sichergestellt werden, dass Waren, die online in die EU verkauft werden, alle Zollverpflichtungen erfüllen. Im derzeitigen Zollsystem ist die Verantwortung auf die einzelnen Verbraucher und Beförderer abgewälzt. Künftig sollen die Plattformen dafür sorgen müssen, dass Einfuhrabgaben beim Kauf entrichtet werden, sodass die Verbraucher:innen bei der Ankunft des Pakets nicht länger mit versteckten Gebühren oder unerwarteten Formalitäten konfrontiert werden. Online-Plattformen sollen damit die offiziellen Einführer sein, so können Verbraucher:innen in der EU sicher sein, dass alle Abgaben entrichtet wurden und ihre Einkäufe allen EU-Standards entsprechen.
Wer künftig also bei Online-Händlern aus Nicht-EU-Staaten bestellt, sollte ggf. deshalb mit etwas höheren Preisen rechnen.

Aufhebung des 150 Euro – Schwellenwerts

Mit der Reform wird der derzeitige Schwellenwert von 150 Euro, der eine Befreiung von Zollabgaben für Warensendungen unter dieser Wertgrenze vorsieht, aufgehoben. Diese Grenze wurde bisher von Betrügern stark ausgenutzt, um Zollabgaben zu umgehen. Dies soll künftig unterbunden werden.
Die Reform vereinfacht auch die Berechnung der Zollgebühren für die gängigsten Waren mit geringem Wert, die außerhalb der EU gekauft werden, wodurch Tausende mögliche Zollkategorien auf nur vier „buckets“ (5% z.B. Spielzeug, 8% z.B. Glaswaren und Teppiche, 12% z.B. elektrische Maschinen und Besteck, 17% z.B. Kleidung und Schuhe) reduziert werden. 

Vorübergehende Verwahrung

Der Verordnungsvorschlag sieht vor, die vorübergehende Verwahrung bei zugelassenen Empfänger von derzeit 90 Tagen auf 3 bzw. 6 Tage zu verkürzen, was faktisch einer Abschaffung gleich kommt und absolut nicht praxistauglich wäre, solange sich Abfertigungs- und Wartezeiten an Containerterminals und Zollstellen nicht ändern und Lieferketten immer komplexer gestaltet werden müssen.

Nichtstrafrechtliche Mindestsanktionen

Die vorgeschlagenen Mindestgeldbußen bei Verletzungen der Zollbestimmungen liegen zwischen 30% und 200% der hinterzogenen Zoll- und Gebührenbeträge. Das ist unverhältnismäßig hoch. Grundsätzlich sollten das EU-Zollrecht und der EU-Zolltarif so gestaltet werden, dass unbeabsichtigte Verstöße möglichst vermieden werden. Dazu gehören unter anderem einfachere Abfertigungsprozeduren, weniger Zollsätze und Tariflinien sowie einfachere Korrekturen von Zollanmeldungen und Leitlinien zum Umgang mit der Flut an Verordnungen.

Ausblick und Einschätzung

Die DIHK beteiligt sich an der aktuellen Konsultation zur EU-Zollreform mit einer Stellungnahme, in der sie neben einer deutlichen Vereinfachung der bestehenden EU-Zollvorschriften und des EU-Zolltarifs auch eine Entlastung von zusätzlichen Auflagen fordert. Schließlich ist die effiziente und möglichst reibungslose Abfertigung internationaler Warenströme durch die europäischen Zollverwaltungen für die deutsche Wirtschaft von erheblicher Bedeutung.
Denn, vieles hört sich erstmal grundsätzlich gut an, ist aber kritisch zu betrachten:
Die ersten Vorschläge haben definitiv Nachbesserungsbedarf, der Fokus muss vermehrt auf Bürokratieabbau und Digitalisierung liegen, um eine reibungslose Abfertigung der Warenströme zu gewährleisten. Entlastungen für AEOs werden erneut in eine weitere Zukunft verschoben, kurzfristige mögliche Vereinfachungen finden keine Berücksichtigung und der zu komplexe EU-Zolltarif wird ebenfalls nicht modernisiert. Obwohl die Zollreform mit einer Überlastung der EU-Zollverwaltungen begründet wird, enthält sie keinerlei Vorschläge zur Vereinfachung des Unionszollkodex und der Durchführungsbestimmungen. Man will neue Portale einsetzen, ohne die aktuellen, z.B. das EU-Traderportal, nutzerfreundlicher zu gestalten. Der Wegfall der 150 Euro Schwelle ist eher eine neue bürokratische Hürde statt ein Bürokratie-Abbau.
Um die Änderungen praxisorientiert umsetzen zu können, bedarf es definitiv einer Konsultation der Wirtschaft und ggf. auch weitere Umsetzungen aus dem IHK-Ideenpapier für Vereinfachungen im EU-Zollrecht.

Quelle:  Europäische Kommission, DIHK