Juni 2023

Die Chance im Wandel sehen

Gemeinsam mit ihrem Bruder Andreas leitet Stefanie Bullinger seit 1993 das Unternehmen im Gewerbegebiet Temnitz Park, nahe Neuruppin. Sie studierte nach einer Banklehre Betriebswirtschaft und machte ihr Diplom und stammt aus einer Familie im Schwäbischen Abtsgmünd, die auf 110 Jahre Geschichte als Sägewerksunternehmer zurückblickt. Mit dem Aufbau einer Strecke für Leimbinder startete Bullinger Holzbau eine moderne Produktion und erschloss sich zugleich einen zweiten Standort im Osten Deutschlands. Mit gerade 23 Jahren übernahm Stefanie Bullinger die Verantwortung für den kaufmännischen Part – ihr Bruder ist für den Verkauf zuständig. Stefanie Bullinger kandidierte 2022 zum ersten Mal für die Vollversammlung. Sie möchte über die IHK Einfluss nehmen, dass die Gesellschaft unternehmerfreundlicher wird. Von der Politik wünscht sie sich sparsames, maßvolles und zukunftsorientiertes Handeln – so auch in der IHK-Organisation.          
FORUM fragte nach:
Frau Bullinger, Sie vertreten die Branche verarbeitendes Gewerbe/Baugewerbe. Wie nehmen Sie die aktuellen Entwicklungen wahr?
Wir erleben eine unglaubliche Dynamik mit Personalengpässen, Lieferkettenproblemen und Preissteigerungen. Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass sich unser Leben verändert, weil Dienstleistungen nicht mehr wie gewohnt zur Verfügung stehen.

Mit Ihren Leimbindern sind Sie Zulieferer für die Bauindustrie. Wie sieht es bei Ihnen aus?
2021 und 2022 erlebten wir eine Verdoppelung der Holzpreise, was es in dieser Dynamik noch nie am Markt gab. Wir arbeiten jetzt in zwei Schichten und nicht mehr in drei. Der Bauindustrie stehen erst einmal schwere Zeiten bevor. Doch Holz als nachwachsender Rohstoff ist der richtige Weg, um CO2 einsparen zu können. Und in jedem Wandel steckt auch eine Chance.

Was sind Ihre Ideen?
Wir brauchen weniger Bürokratie und mehr praktikables Vorgehen. Weniger Vorschriften und Datenschutz und dafür mehr Mut für Lösungen, zum Beispiel bei der Zuwanderung. Wenn Flüchtlinge arbeiten wollen und durch Regelwut
nicht dürfen, dann verstärkt das Vorurteile. Und wir brauchen mehr Ansporn für Leistung – nehmen wir den
Krankenstand, bei dem Brandenburg bundesweit führend ist. Die Beschäftigten erleben, dass Nichtleistung genauso honoriert wird wie Leistung. Übrigens gab es in der DDR nur 80 Prozent Lohnfortzahlung bei Krankheit.

Lohnt es sich noch, Unternehmer zu sein?
Wir brauchen insgesamt ein Umdenken in der Gesellschaft, dass sich mehr Menschen einbringen. Etwas für die Allgemeinheit tun, das Dorfleben aufrechterhalten genauso wie Handel und Gewerbe in den Städten. Mir macht das Unternehmersein nach wie vor Spaß, weil ich Dinge in meinem Umfeld gestalten kann. Und klar: Leistung muss sich auch lohnen dürfen.

Große Ziele, welche Aufgabe kommt der IHK dabei zu?
Als Vollversammlungsmitglied bringe ich meine Sicht als Unternehmerin bei der IHK ein und damit das Drängen auf sparsames, maßvolles und zukunftsorientiertes Handeln. Was die Einflussmöglichkeiten der IHK auf Politik und Gesellschaft anbelangt, bin ich noch in Beobachtungsposition. FORUM/BB