25.09.2023

Produktionsansiedlung in der Ukraine – Lohnveredelung

Einführung

Die Ukraine grenzt an der Europäischen Union und verfügt zudem über gute logistische Verbindungen zu anderen westlichen Ländern. Deshalb besitzt die Ukraine gute Voraussetzungen für ausländische Unternehmen, welche ihre Produkte auf Basis der Lohnveredelung herstellen und diese Produkte an ihre westlichen Kunden liefern möchten. Das Lohnveredelungszollregime wird seit vielen Jahren vor allem von Automobilzulieferern, Textilunternehmen sowie Haushaltsgeräte- und Möbelherstellern genutzt, auch während des Krieges.
Die Lohnveredelung in der Ukraine bringt beiden Parteien Vorteile: einerseits dem ausländischen Auftraggeber - niedrigere Kosten bei gleicher Qualität; andererseits der Ukraine - Investitionen, die Schaffung von Arbeitsplätzen und allgemein die Entwicklung von Industrie und Wirtschaft in der Ukraine. Die Nutzung des Prozesses gestaltet sich zunehmend einfacher, klarer und schneller, da die ukrainischen Rechtsvorschriften an die europäischen Normen angepasst werden.

Lohnveredelungsregime

Als zu veredelnde Rohstoffe gelten nach der ukrainischen Gesetzgebung solche Rohstoffe (Materialien, Halbfabrikate, Zubehör, Energieträger), welche sich im Eigentum eines Unternehmens (des ausländischen Auftraggebers) befinden und zur Herstellung von Fertigprodukten an ein anderes Unternehmen (den ukrainischen Hersteller) übergeben werden, mit anschließender Über- bzw. Rückgabe dieser Fertigprodukte.
Zu Lohnveredelungsgeschäften gehören solche Geschäfte, bei welchen die Rohstoffe des Auftraggebers in einer bestimmten Phase ihrer Veredelung mindestens 20% der Gesamtkosten der Fertigprodukte ausmachen.
Es ist in der Ukraine gesetzlich erlaubt, ausländische Waren in das ukrainische Zollgebiet im Lohnveredelungszollregime für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr vorübergehend einzuführen. Dabei wird die Frist vom Zoll individuell je nach erforderlichem Veredelungsprozess festgelegt. Die Frist beginnt jeweils mit dem Tag der Einfuhr der zu veredelnden Waren in das ukrainische Zollgebiet. Die Waren werden in das Lohnveredelungszollregime überführt, wobei sie von der Zahlung von Zollgebühren vollständig befreit sind, sofern die veredelten Produkte wieder ausgeführt werden.

Einschränkungen bei der Lohnveredelung

Im Rahmen von Lohnveredelungsprojekten dürfen weder Fleisch noch essbare Nebenprodukte eingeführt werden. Auch Kleidung und andere Gebrauchsgüter sind ausgenommen. Des Weiteren dürfen auch keine Waren eingeführt werden, bei deren Veredelung Schrott aus Schwarz- oder Buntmetalllegierungen oder Halbfertigprodukte entstehen.
Darüber hinaus ist es bei der Veredelung von ausländischen Waren nicht erlaubt, ukrainische Waren (außer Treibstoffe und Energie) zu verwenden, für welche ein Ausfuhrzoll gesetzlich vorgesehen ist.
Die ukrainische Regierung kann für bestimmte Waren zusätzliche Beschränkungen, Bedingungen oder Lockerungen festlegen. Allerdings wird die Veredelung von Waren (Rohstoffen), welche zum Zeitpunkt der Einführung einer derartigen neuen Regelung bereits in das Lohnveredelungsregime überführt wurden, zu den Bedingungen beendet, welche zum Zeitpunkt der Überführung dieser Waren in das Lohnveredelungsregime galten.

Bedingungen für den Einsatz des Lohnveredelungsregimes

Das Lohnveredelungsunternehmen muss einen Antrag auf Bewilligung zur Lohnveredelung bei den zuständigen ukrainischen Zollbehörden stellen; innerhalb von 5 Werktagen muss diese die entsprechende Bewilligung kostenlos ausstellen. Vor der Erteilung der Bewilligung, also in der Regel bereits im Antrag, muss allerdings das Lohnveredelungsunternehmen nachweisen, dass es über eine ausreichende Infrastruktur sowie technische Ausrüstungen, Produktions- und Lagerkapazitäten verfügt. Der Antragsteller kann auch vorab feststellen lassen, ob er die Anforderungen des besonderen Lohnveredelungszollregimes in der Ukraine erfüllt; hierfür kann ein Vorbescheid der zuständigen Zollbehörden eingeholt werden.
Bei der Beantragung einer Bewilligung zur Lohnveredelung ist unter anderem ein Lohnveredelungsvertrag vorzulegen, in welchem die technologischen Schemata zur Lohnveredelung sowie der konkrete Umfang und die konkrete Dauer für die auszuführenden Arbeiten sowie der Veredelungszeitplan (dies gilt nicht für die Instandsetzung von Waren) mit Angaben zu allen Veredelungsschritten enthalten sein müssen.
Die Anzahl der zulässigen Veredelungsvorgänge ist nicht begrenzt. Zu diesen zählen unter anderem die eigentliche Veredelung von Waren (einschließlich ihrer mechanischen Veredelung), Montage- oder Demontagevorgänge, die Verwendung von einzelnen Waren, welche zum Produktionsprozess von Kompensationsgütern (Gütern, die der Auftragnehmer behalten darf, als Kompensation bzw. Vergütung für die Veredelung von Waren) beitragen oder diesen erleichtern, sowie die Instandsetzung von Waren (einschließlich Modernisierung, Kalibrierung, Restaurierung und Anpassung).
Alle in das ukrainische Zollgebiet einzuführenden Waren und alle im Lohnveredelungsregime herzustellenden Produkte unterliegen der zollamtlichen Überwachung. Unter anderem wird überprüft, ob die Ausbringungsmenge an den veredelten Produkten mit der im Lohnveredelungsvertrag festgelegten Menge übereinstimmt. Bei komplexen Veredelungsvorgängen können auch Experten hinzugezogen werden.

Empfehlungen zu den Bedingungen von Lohnveredelungsverträgen

Nach ukrainischem Recht gehört das Eigentum an den veredelten Gegenständen (sofern nicht durch gesonderte Gesetzes- oder Vertragsbestimmungen etwas anderes bestimmt ist) dem Eigentümer des Rohstoffes. Wenn allerdings die Kosten für die Veredelung und für die Schaffung von neuen Sachen die Materialkosten wesentlich übersteigen, wird das Eigentum an der neuen Sache, falls gewollt, durch diejenige Person erworben, welche die Veredelung vorgenommen hat (sofern es keine vertragliche Regelung dazu gibt). Daher wird empfohlen, im Lohnveredelungsvertrag die Rechte der einzelnen Parteien in jeder Veredelungsphase zu regeln.
Nach ukrainischem Recht entsteht das Eigentumsrecht des Auftraggebers am Fertigprodukt in der Regel mit der Übergabe des Produkts an den Auftraggeber (oder eine von diesem beauftragte Spedition oder sonstige Transportperson), sofern vertraglich (in den Lieferbedingungen) nichts anderes bestimmt ist. Wann das Fertigprodukt geliefert worden ist, richtet sich nach der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien.
Dementsprechend ist es bei der Ausarbeitung von Lohnveredelungsverträgen notwendig, die Lieferbedingungen, den Zeitpunkt der Eigentumsübertragung sowie das rechtliche Regime für die Rohstoffe und Fertigprodukte in jeder Phase eindeutig zu bestimmen.
Darüber hinaus müssen alternative Mechanismen für die Übertragung des Eigentums an das Ergebnis der Veredelung (Fertigprodukte, verbleibende Rohstoffe, Abfälle) für den Fall vorgesehen werden, dass der ukrainische Auftragnehmer die erforderliche Dokumentation nicht unterzeichnen kann oder dass er sich weigert, dies zu tun. Es sollte zugleich das Verfahren für den Fall geregelt werden, dass Abweichungen in Bezug auf Qualität/Quantität des Produkts festgestellt werden.
Die Parteien des Lohnveredelungsvertrags sollten zudem das Eigentumsrecht und die Verantwortung für die ordnungsgemäße Registrierung und/oder Entsorgung von Veredelungsabfällen (-rückständen) regeln.
Ferner ist zu bedenken, dass es aufgrund des Kriegszustands in der Ukraine kompliziert sein kann, bestimmte grenzüberschreitende Zahlungen abzuwickeln, was zu Zahlungsverzögerungen führen kann. Dies gilt insbesondere für Zahlungen von frei konvertierbarer Währung vom ukrainischen Territorium aus. Daher empfiehlt es sich, diese vorübergehende Besonderheit bei der Kalkulation, der Fristbestimmung und der Vertragserstellung zu berücksichtigen.
Allerdings ist es gesetzlich vorgesehen, dass der Auftraggeber einen Teil der Rohstoffe, der Rückstände und sonstiger Güter, die einen wirtschaftlichen Wert haben, zur Bezahlung von Veredelungsdienstleistungen verwenden kann. Dies kann das Währungsrisiko reduzieren. Es ist jedoch zu bedenken, dass bei der Übertragung des Eigentums an einem Teil der Rohstoffe die Verpflichtung besteht, den Zollstatus dieser Rohstoffe zu ändern und die entsprechenden Zollgebühren und Steuern in der Ukraine zu entrichten.

Zollabfertigung

Nach ukrainischem Recht kann nur der ukrainische Empfänger der Rohstoffe (Hersteller) für die Zollabfertigung in der Ukraine verantwortlich sein. Dieser muss daher die Zollabfertigung veranlassen. Die Zollabfertigung kann entweder vom ukrainischen Unternehmen selbst durchgeführt werden, indem es einen entsprechenden Fachmann in seinem Unternehmen beschäftigt, oder der ukrainische Hersteller beauftragt einen externen Zollagenten als seinen Vertreter mit der Zollabfertigung der Rohstoffe oder Fertigwaren gegen Entgelt.
Ukrainische Waren oder Komponenten, welche im Veredelungsprozess verwendet werden, unterliegen der Zollabfertigung beim Export von Fertigprodukten. Es ist jedoch auch möglich, Waren für den freien Verkehr auf dem ukrainischen Territorium zu veredeln. Hierzu muss das veredelte Produkt aber in das Importregime, das heißt in den freien Verkehr unter Bezahlung der Abgaben übergeführt werden.
Ein solcher Vorgang ist jedoch nur unter der Voraussetzung möglich, dass die zuständige Zollbehörde sicherstellen kann, dass die veredelten Produkte gerade aus diesen Waren gewonnen wurden und dass die Waren nach deren Veredelung nicht kostengünstig in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden können.

Gleichwertige Waren

Es können Situationen entstehen, in welchen die Veredelung von Waren aufgrund einer Verzögerung bei der Lieferung einiger zur Veredelung notwendiger Komponenten aufgeschoben wird. Dieses Problem kann jedoch durch die Verwendung von Ersatzwaren gelöst werden, d. h. durch die Verwendung von ukrainischen und ausländischen Waren, welche in ihren beschriebenen, quantitativen und technischen Merkmalen mit den ausländischen Waren, die sie ersetzen, äquivalent sind. Dabei gelten die durch die Veredelung von gleichwertigen Waren entstehenden Produkte als Produkte aus der Veredelung von ausländischen Waren.

Abfälle und Rückstände

Bei der Veredelung können Abfälle und/oder Rückstände entstehen. Diese Abfälle lassen sich in zwei Kategorien einteilen:
  • Waren mit einem wirtschaftlichen Wert (d.h. die gewinnbringend genutzt werden können)
  • wertlose Abfälle bzw. Rückstände
Abfälle oder Rückstände, welche einen wirtschaftlichen Wert haben und/oder entsorgt werden können, müssen in diesem Zustand vor Ablauf der Frist für die Veredelung von Waren in das entsprechende Zollregime überführt werden. Auf Antrag des Zollanmelders können solche Abfälle oder Rückstände unter einem Warencode deklariert werden, sofern dieser Code dem höchsten Zollgebührensatz entspricht. Wenn auf einzelne Waren, welche in der angegebenen Rückstandspartie enthalten sind, gesetzlich vorgeschriebene nichttarifäre Regulierungsmaßnahmen anzuwenden sind, entbindet diese Art der Zollanmeldung nicht von der Einhaltung dieser Maßnahmen.
Sofern die Abfälle keinen wirtschaftlichen Wert haben, müssen sie, mit Zustimmung der zuständigen Zollbehörde und gemäß den geltenden ukrainischen Rechtsvorschriften, vor Ablauf der Frist für die Veredelung der Waren vernichtet werden.

Autor und Kontakt:
Igor Dykunskyy, LL.M.
DLF Rechtsanwälte Ukraine
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