11.07.2023

Gestaltung von Verträgen mit ukrainischen Geschäftspartnern

Einführung

Zum großen Erstaunen vieler ausländischer Unternehmen, die gerichtlich gegen ukrainische Geschäftspartner vorgehen wollen, werden viele Vereinbarungen, die beim Abschluss von Verträgen oder bei der Umsetzung von Projekten zwischen den Parteien in verschiedenen Formen getroffen wurden, von ukrainischen Gerichten nicht in Betracht gezogen. Ausländische Unternehmen lassen sich vorwiegend von ihren lokalen Vorschriften und Handelsbräuchen leiten und vergessen dabei, dass die Verträge oder einzelne Bestimmungen dieser Verträge oft dem ukrainischen Recht unterliegen und im Fall von Streitigkeiten auch vor ukrainischen Gerichten zu verhandeln sind.
Bei der Gestaltung von Verträgen mit ukrainischen Geschäftspartnern ist besonders auf die Befugnisse der zur Unterzeichnung bevollmächtigten Vertreter der Vertragsparteien, auf Formulierungen bzgl. der Abnahme von Dienstleistungen oder Waren sowie auf eine korrekte Formulierung des Eigentumsvorbehalts zu achten. Unter den gegenwärtigen Umständen, müssen auch Besonderheiten der rechtlichen Regelung bei der Lieferung in Kriegszeiten berücksichtigt werden. 
Die Vertragsabwicklung während des Kriegszustands in der Ukraine hängt zudem von den aktuellen Beschränkungen und Bedingungen ab, die sich auf das Zahlungsverfahren, die Zollabfertigung von Waren sowie das Import- und Exportregime beziehen. Zu beachten ist, dass sich solche Einschränkungen je nach aktueller Situation dynamisch ändern können.

Überprüfung des ukrainischen Vertragspartners

Sehr oft wird die schriftliche und elektronische Kommunikation nicht vom Geschäftsführer der ukrainischen Gesellschaft selbst geführt, sondern von den Gesellschaftern – den tatsächlichen Eigentümern des Gesellschaftsvermögens, die als eigentliche Entscheidungsträger angesehen werden. Auch Schreiben, Bestätigungen, Vereinbarungen und Übernahmeprotokolle können von Dritten unterzeichnet werden, die zwar in gewisser Weise mit der ukrainischen Gesellschaft verbunden sein können, offiziell aber über keine Rechtsverhältnisse verbunden sind. Dies hat zur Folge, dass die ukrainischen Gerichte viele Dokumente außer Acht lassen, da die Personen bei ihrer Unterzeichnung ohne die erforderliche Befugnis gehandelt haben.
Aus diesem Grund sollte man immer darauf achten, dass die Unterzeichnenden sowie Kontaktpersonen, die im Namen der ukrainischen Gesellschaft handeln, über entsprechende Befugnisse verfügen. Diese Information lässt sich aus vielen offiziellen Quellen feststellen, wie z.B. in staatlichen Registern, aus den Vollmachten oder den Bestätigungen der Vertragspartner.

Sanktionsrisiken

Zu den Besonderheiten der Prüfung des Vertragspartners gehört unter gegenwärtigen Umständen auch die Notwendigkeit, seine Zugehörigkeit zu sanktionierten Personen festzustellen. Die weltweite Sanktionspolitik, die im Zusammenhang mit der Invasion der Russischen Föderation in die Ukraine verfolgt wird, umfasst eine Vielzahl von Unternehmen und Einzelpersonen. Durch unvorsichtige Beziehungen zu einem sanktionierten Vertragspartner kann nicht nur die Vertragsabwicklung gefährdet, sondern auch die Reputation erheblich bedroht werden.
Basierend auf den vom Vertragspartner erhaltenen Registrierungsdaten kann dieser anhand von internationalen und nationalen, d.h. ukrainischen, Sanktions- und schwarzen Listen oder Datenbanken überprüft werden. Neben den Listen von sanktionierten Personen gibt es auch gesetzliche Änderungen, die während des Krieges verabschiedet wurden und den Umgang mit russischen Staatsbürgern oder ihnen nahestehenden Personen beschränken. Beim Verdacht, dass der Vertragspartner eine solche Person ist oder versucht, Sanktionen zu vermeiden, sollte der Vertragspartner zusätzlich überprüft werden. 

Abschluss von Verträgen

Es ist äußerst wichtig, sich über das Verfahren zum Abschluss von Verträgen im Klaren zu sein. Angesichts der aktuellen Umstände werden die allermeisten Verträge unter Abwesenden abgeschlossen, und zwar durch den Austausch von Dokumenten. Ein Teil von Verträgen, die gemäß internationalen Musterformularen oder auf den entsprechenden elektronischen Plattformen abgeschlossen werden, wird zudem durch den Austausch von Mustermitteilungen geschlossen, die die wesentlichen Bedingungen von Lieferverträgen enthalten.
Damit solche Verträge als abgeschlossen gelten, muss darauf geachtet werden, ob das Verfahren und die Form des Vertragsabschlusses mit den für den Vertrag maßgeblichen Rechtsvorschriften oder mit den vereinbarten Vertragsabschlussregeln übereinstimmen.
Wenn der Vertrag z.B. dem ukrainischen Recht unterliegt, muss er die wesentlichen Bedingungen enthalten, die im Handels- und Zivilgesetzbuch der Ukraine festgelegt sind. Wenn die Parteien einen Vertrag bspw. anhand eines GAFTA-Mustervertrags abschließen, dann müssen sie Vertragsbedingungen in Übereinstimmung mit dem gewählten GAFTA-Mustervertrag vereinbaren.
Beim Abschluss von Liefer- oder Montageverträgen muss der Algorithmus genau befolgt werden, den die Parteien in diesem Vertrag bezüglich des Abschlussverfahrens festgelegt haben. Wenn der Austausch von eingescannten Kopien und die anschließende Übersendung von unterschriebenen Papieroriginalen vertraglich vorgesehen sind, ist dieses Verfahren einzuhalten.
Ein häufiger Fehler ist, einen Vertrag nach seinem Abschluss zu ändern, ohne dass das vertraglich festgelegte Änderungsverfahren eingehalten wird. Wenn der Vertrag kein spezielles Änderungsverfahren vorsieht, so sind alle Vertragsänderungen in der gleichen Weise vorzunehmen, die für die Vertragsunterzeichnung vorgesehen ist.

Eigentumsvorbehalt 

In der Ukraine weist der Eigentumsübergang im Rahmen von Lieferverträgen eine Reihe von Besonderheiten auf, die zu wichtigen rechtlichen Konsequenzen führen können. Die Übertragung einer Ware durch den Verkäufer in das Eigentum des Käufers bezieht sich insbesondere auf:
  • Festlegung, wer alle mit der Zerstörung oder Beschädigung der Ware verbundenen Risiken trägt und alle Vorteile, die mit der Ware verbunden sind, erhält;
  • Entstehung, Erfüllung und Beendigung von Verpflichtungen aus Lieferverträgen und Haftung für deren Nichterfüllung;
  • Bestimmung von Steuerverpflichtungen sowie Zoll- und Bankverfahren; und
  • Bestimmung, wer haftet, wenn Dritte einen Schaden durch die Ware erlitten haben.
Im Allgemeinen sind die Parteien von Lieferverträgen in der Ukraine gesetzlich berechtigt, das Verfahren, die Registrierung und den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs vom Verkäufer auf den Käufer zu bestimmen. Gleichzeitig zeichnen sich die gesetzlichen Vorschriften dadurch aus, dass sie ziemlich unterschiedlich und allgemein sind, was im Streitfall zu einer mehrdeutigen Auslegung führen kann. Dies kann mannigfaltige Folgen mit sich bringen, sowohl für den Schutz von Interessen der Parteien bei Lieferverträgen im Sinne ihrer gegenseitigen vertraglichen Beziehungen, als auch für steuer- und zollrechtliche Verpflichtungen.
Um solche Folgen zu vermeiden, wäre es zweckmäßig, eine Reihe von Regeln einzuhalten – sowohl beim Abschluss von Lieferverträgen, als auch bei der Verhandlung von Bedingungen solcher Verträge mit ukrainischen Vertragsparteien und bei deren Ausführung. Angesichts dessen muss ein Liefervertrag in der Ukraine wie folgt sein:
  • er muss den Eigentumsübergang bzw. den Eigentumsvorbehalt klar und getrennt vom Risikoübergang regeln. Dies ist besonders wichtig bei Verträgen, in welchen sich die Parteien auf vereinheitlichte Regeln (z.B. Incoterms) berufen. In solchen Regeln kann das Verfahren des Eigentumsübergangs bzw. des Eigentumsvorbehalts überhaupt nicht vorgesehen werden, und dieses muss separat geregelt werden;
  • er muss den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs deutlich festlegen (z.B.: „Die Ware wird Eigentum des Käufers, sobald die Parteien das Übergabe- und Übernahmeprotokoll in der vertraglich vorgesehenen Weise unterzeichnen.“ Oder: „Die Ware wird Eigentum des Käufers, sobald der Käufer eine ordnungsgemäß erstellte Ausfertigung des Frachtbriefes erhält“, usw.);
  • er muss eindeutig die Dokumente auflisten, die die Parteien als Nachweise für den Eigentumsübergang akzeptieren (z.B. ein Zahlungsauftrag oder ein anderes Bankdokument, das die Zahlung bestätigt, oder ein Übergabe- und Übernahmeprotokoll, das den tatsächlichen Erhalt der Waren durch den Käufer nachweist, usw.);
  • er muss das Verfahren zur Ausfertigung und Übergabe von Dokumenten regeln, die den Eigentumsübergang bescheinigen (z.B. die Verpflichtung der Parteien zur Unterzeichnung eines Übergabe- und Übernahmeprotokolls beim tatsächlichen Erhalt der Ware; die Verpflichtung des Warenversenders zur Übergabe des Konnossements an den Käufer innerhalb einer bestimmten Frist; die Verpflichtung des Käufers zur Übersendung eines Zahlungsnachweises an den Verkäufer, usw.);
  • er muss die Fälle regeln, in denen es aus dem einen oder anderen Grund unmöglich ist, einen Eigentumsübergang zu formalisieren, und er muss die Handlungen der Parteien für solche Fälle bestimmen. Dies ist besonders wichtig während des Krieges in der Ukraine, wenn die Erstellung von erforderlichen Dokumenten durch objektive Umstände verhindert werden kann, wobei die Frage des Eigentums an der Ware tatsächlich ungeklärt bleibt.

Abnahme der Leistungen oder Waren

Eine weitere Frage, die bei der Erfüllung von Verträgen mit ukrainischen Geschäftspartnern eine wichtige Rolle spielt, ist die Abnahme von Leistungen oder die Übernahme von Waren. Bei der Unterzeichnung von Werkverträgen einigen sich die Geschäftspartner größtenteils darauf, dass die Bezahlung für die erbrachten Leistungen erst nach der Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls erfolgt.
Dadurch ist der ausländische Werkunternehmer an die Unterzeichnung des Übernahmeprotokolls durch den ukrainischen Werkbesteller gebunden. Nachdem die Leistungen schon erbracht worden sind, kann der ukrainische Werkbesteller die Erbringung der Leistungen durch den Werkunternehmer oder deren Umfang bestreiten und die Abnahme des Werkes ablehnen. 
Für manche Verträge sind gesetzliche Schutzmittel gegen derartige Handlungen des Werkbestellers vorgesehen. So kann z.B. ein Werkunternehmer, der Leistungen erbringt, nach der vollständigen Erbringung der vereinbarten Leistungen ein von ihm unterzeichnetes Übernahmeprotokoll vorbereiten und an den Werkbesteller schicken. Auf diese Weise wird der Werkbesteller aufgefordert, das Übernahmeprotokoll seinerseits zu unterzeichnen. Falls der Werkunternehmer vom Werkbesteller nicht das gegengezeichnete Übernahmeprotokoll erhält, darf er aufgrund des einseitig unterzeichneten Übernahmeprotokolls wegen der Bezahlung von Leistungen ein Gericht anrufen.
Grundsätzlich ist aber zu empfehlen, beim Abschluss von Werkverträgen mit ukrainischen Geschäftspartnern, aufgrund derer umfangreiche Dienstleistungen erbracht werden, vor der Unterzeichnung des Übernahmeprotokolls immer Zwischenprotokolle zu unterschreiben. Am besten sollten die Parteien einen Zeitplan für die Erfüllung z.B. von (Montage)Arbeiten vereinbaren und nach jedem Bauabschnitt ein Zwischenprotokoll unterzeichnen. Das kann bei Großprojekten besonders für ausländische Unternehmen ohne Vertretung in der Ukraine ziemlich mühsam werden. Dennoch hat sich dieses Verfahren bewährt, denn damit ersparen sich die Parteien viel Zeit und Geld, die dann für die Feststellung, wer und im welchen Umfang die Leistungen erbracht hat, aufgewendet werden müssen.

Autor und Kontakt

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Igor Dykunskyy, LL.M. 
DLF Rechtsanwälte Ukraine
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