Rechte und Pflichten

Erkrankung - Arbeitsunfähigkeit - hohe Fehlzeiten bei Auszubildenden

Hier erhalten Sie eine Übersicht darüber, wann und in welcher Form Auszubildende ihren Ausbildungsbetrieb bei Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit informieren müssen und was Ausbildungsbetriebe wissen sollten.

Ein Auszubildender muss seinen Ausbildungsbetrieb unverzüglich benachrichtigen, wenn er krank oder arbeitsunfähig geworden ist und nicht in den Ausbildungsbetrieb oder die Berufsschule gehen kann.

Dies erfordert im Regelfall eine telefonische Nachricht vor oder zu Beginn der betrieblichen Arbeitszeit am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit.

Hierbei sollte zuerst der verantwortliche Ausbilder oder der Abteilungsleiter oder die Personalabteilung informiert werden, je nachdem wie die Meldepflicht vom Unternehmen kommuniziert wurde bzw. geregelt ist.
Der Auszubildende sollte mitteilen, dass und wie lange er voraussichtlich arbeitsunfähig ist  (§ 5 Abs. 1 EFZG). Er muss keine Angaben über die Art oder Ursache der Arbeitsunfähigkeit machen. Etwas anderes gilt nur bei ansteckenden Krankheiten, vor denen der Arbeitgeber andere Mitarbeiter und Kunden schützen muss.
Ist eine telefonische Benachrichtigung nicht möglich, so sollte die Mitteilung zumindest per E-Mail oder durch einen Boten (ein Angehöriger oder Arbeitskollege) erfolgen. Allerdings trägt der Auszubildende hier die Verantwortung, wenn die Nachricht gar nicht, zu spät oder falsch ankommt.
Eine verspätete Anzeige hat zwar keinen Einfluss auf den Fortzahlungsanspruch (BAG DB 1971, 2265), kann aber eine betriebliche Abmahnung und in Wiederholungsfällen zu einer Kündigung führen.
 

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Wann muss eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) beim Arbeitgeber vorliegen?
Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, so muss spätestens am darauffolgenden Arbeitstag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitgeber vorliegen (§ 5 Abs. 1 S. 2 EFZG). Fällt dieser Tag auf einen Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag, verlängert sich die Frist bis zum darauffolgenden Arbeitstag.
Der Betrieb kann vom Auszubildenden aber auch schon früher, zum Beispiel am ersten Krankheitstag, eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangen (§ 5 Abs. 1 S. 3 EFZG). Der Arbeitgeber kann dies – ohne Mitwirkung des Betriebs-/Personalrates – jederzeit einfordern. Eine Begründung hierfür ist ebenso wenig erforderlich wie ein konkreter Missbrauchsverdacht. Trifft der Arbeitgeber generelle Regelungen, sind diese – sofern ein Betriebs-oder Personalrat im Unternehmen besteht – mitbestimmungspflichtig.
Frist für die Vorlage der Folgebescheinigung
Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der ersten ärztlichen Bescheinigung angegeben, muss eine erneute ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden. Auch diese muss wiederum spätestens an dem ersten Arbeitstag nach dem dritten Kalendertag der noch nicht bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeit vorliegen (§ 5 Abs. 1 S. 4 EFZG).

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Fortzahlung der Ausbildungsvergütung

Wann besteht ein Fortzahlungsanspruch der Ausbildungsvergütung gegenüber dem Ausbildenden?
Ist der Auszubildende arbeitsunfähig erkrankt, hat er bis zur Dauer von sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung in voller Höhe (§ 19 Abs. 1 Nr. 2b BBiG, § 5 EFZG).
 
Welche Sanktionsmöglichkeiten hat der Arbeitgeber, wenn keine AU-Bescheinigung vorgelegt wurde?
Der Ausbildende kann die Fortzahlung der Ausbildungsvergütung solange verweigern, bis der Auszubildende seine Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen hat  – entweder durch Vorlage der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder durch jedes andere zulässige Beweismittel (BAG 01.10.1997 - 5 AZR 726/96). Der Arbeitgeber hat also kein endgültiges Leistungsverweigerungsrecht, sondern nur ein Zurückbehaltungsrecht (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG).
Hat der Auszubildende die Arbeitsunfähigkeit schließlich nachgewiesen, muss der Betrieb rückwirkend ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit zahlen. Eine Kürzung um die Tage, an denen die Bescheinigung nicht vorgelegen hat, ist nicht zulässig.

Legt ein Auszubildender jedoch wiederholt nicht oder verspätet seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, so kann bei einer Abmahnungsserie ggf. das Ausbildungsverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt werden.

Was passiert nach Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlungspflicht?
Nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums erhält der Auszubildende für längstens 78 Wochen in 3 Jahren Krankengeld von der Krankenkasse in Höhe von 70 % der Bruttovergütung, maximal aber 90 % der Nettovergütung (§ 44 SGB V).

Muss die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch nach Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlungspflicht vorgelegt werden?
Jeder Auszubildende ist auch nach Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlung verpflichtet, seinem Arbeitgeber bei Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Arbeitsunfähigkeits-Folgebescheinigung vorzulegen (LAG Köln, 2.11.1988, 2 Sa 850/88, DB 1989, 1294).

Der Auszubildende kann seine noch andauernde Erkrankung dann auch mit dem Auszahlungsschein der Krankenkasse nachweisen. Versäumt der Auszubildende dies, kann der Arbeitgeber ihm eine Abmahnung aussprechen und im Wiederholungsfall – je nach Lage – kündigen.

Gibt es eine Entgeltfortzahlung bei wiederholter Krankheit?
Jede neue Krankheit löst einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber dem Ausbildenden für die Dauer von maximal sechs Wochen aus.
Etwas anderes gilt hier nur gem. § 3 Abs.1 S. 2 Nr.1 EFZG dann, wenn
  • zwischen zwei Zeiträumen der Arbeitsunfähigkeit mehr als 6 Monate vergangen sind oder
  • 12 Monate seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit verstrichen sind.

Hat der Auszubildende Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er seine Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet hat?
Bei verschuldeter Arbeitsunfähigkeit besteht kein Anspruch gegen den Ausbildenden auf Entgeltfortzahlung (§ 19 Abs. 1 Nr. 2b BBiG, § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG).
Verschulden liegt in der Regel z. B. vor, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen grob fahrlässigen Verstoß gegen
  • berufsgenossenschaftliche Unfallverhütungsvorschriften
  • wesentliche Verhaltenspflichten des Betriebes
  • Straßenverkehrsregeln
verursacht wurde.
Für das Verschulden des Auszubildenden ist der Betrieb darlegungs- und beweispflichtig.

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Anfechtung durch Arbeitgeber

Muss sich der Auszubildende bei Arbeitsunfähigkeit zu Hause aufhalten?
Die Arbeitsunfähigkeit bedeutet nicht zwingend, dass der Auszubildende sich zu Hause aufhalten muss. Er darf allerdings nichts tun, was seine Genesung verzögert oder gefährdet.

Kann der Ausbildende eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anfechten?
Grundsätzlich beweist eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, dass der Auszubildende tatsächlich arbeitsunfähig ist.
Will der Ausbildende das Attest nicht anerkennen, muss er berechtigte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeitserklärung vorbringen.
Bestehen nachweislich solche Zweifel, kann der Ausbildende die Krankenkasse des Auszubildenden mit einer Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung beauftragen (§ 275 Abs. 1 Nr. b SGB V). Dieser Auftrag zur Begutachtung muss vom Medizinischen Dienst innerhalb von drei Tagen durchgeführt werden.
 

Kündigung bei Krankheit

Kann ein erkrankter Auszubildender gekündigt werden?
Auszubildenden kann auch während einer Krankheit gekündigt werden. Das heißt die Krankheit des Auszubildenden verhindert nicht, dass eine Kündigung aus anderem Grund (zum Beispiel verhaltensbedingte Kündigung wegen unentschuldigtem Fehlen in der Berufsschule) wirksam wird.
Der Betrieb kann dem Auszubildenden aber “wegen” einer Krankheit grundsätzlich nicht kündigen. Nur in zwei Fällen kann eine Kündigung wegen Krankheit ausnahmsweise möglich sein, wobei es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Da es sich insoweit um eine personenbedingte Kündigung handelt, ist keine vorherige Abmahnung erforderlich:
 Kündigung bei Langzeiterkrankungen
Bei Langzeiterkrankungen kann gekündigt werden, wenn
  • feststeht, dass die Eignung für den Ausbildungsberuf infolge der Krankheit (z. B. Allergien) dauerhaft entfallen ist
  • oder mit einer Gesundung innerhalb der Ausbildungszeit nicht zu rechnen ist. Dies ist der Fall, wenn in den nächsten 24 Monaten nicht mit einer Gesundung zu rechnen ist (BAG 12.04.2002; NZA 2002,1081) oder der Azubi bereits 18 Monate arbeitsunfähig erkrankt und eine Gesundung noch völlig ungewiss ist (BAG 21.05.1992; DB 1993, 1292).

Erkrankung während des Urlaubs

Werden Krankheitstage während eines Urlaubs angerechnet?
Erkrankt ein Auszubildender während seines genehmigten Urlaubs und kann er diese Krankheit durch ein ärztliches Attest nachweisen, so wird diese Zeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet (§§ 8, 7 Abs.4 BUrlG), d. h. die Krankheitstage gelten dann nicht als Urlaubstage.

Prüfungsteilnahme bei Arbeitsunfähigkeit

Der Prüfling darf trotz Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich an der Prüfung teilnehmen, Kranken- und Unfallversicherungsschutz bestehen fort. Eine ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung ist grundsätzlich nicht erforderlich.

Bei praktischen Prüfungen ist der Prüfungsausschuss aber aus seiner Fürsorgepflicht heraus verpflichtet, Auszubildende von der Prüfung abzuhalten und nach Hause zu schicken, wenn sie erkennbar prüfungsunfähig sind und die Ablegung der Prüfung ein erkennbares Sicherheitsrisiko darstellen würde.
Wenn ein Prüfling an der Prüfung teilnimmt, obwohl er weiß, dass er krank ist, kann er sich später nicht auf seine Erkrankung berufen und nach Prüfungsende wieder von der Prüfung zurücktreten, sondern muss das Prüfungsergebnis akzeptieren (OVG Schl-H, 23.09.1994, SPE Prüfungsunfähigkeit 596 Nr 49).

Längerfristige bzw. hohe Fehlzeiten des Auszubildenden müssen an die IHK gemeldet werden

Die vertragliche Ausbildungszeit muss gem. § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG für eine Zulassung zur Abschlussprüfung auch tatsächlich praktisch zurückgelegt worden sein. Häufige und zu hohe Fehlzeiten können diesem gesetzlichen Erfordernis schnell widersprechen.
Fehlzeiten sind in Summe alle Tage, an denen ein Auszubildender entschuldigt oder unentschuldigt seiner Ausbildung (Betrieb und Berufsschule) ferngeblieben ist. Urlaubstage sind keine Fehlzeiten.
Die Industrie- und Handelskammer Ostwürttemberg geht davon aus, dass Fehlzeiten bis zu 10% der gesamten Ausbildungszeit für eine Prüfungszulassung unschädlich sind. Wird vom Auszubildenden diese Grenze jedoch überschritten, so muss für die Zulassung zur Abschlussprüfung im Einzelfall dargelegt werden, dass aufgrund des individuellen Leistungs- und Ausbildungsstandes, und trotz der erheblichen zeitlichen Lücken, das Ausbildungsziel dennoch erreicht worden ist. Eine derartige verbindliche Erklärung wird mit der Anmeldung des Auszubildenden zur IHK-Abschlussprüfung vom Ausbildungsbetrieb abgegeben.
 
Folgende Fragen sind bei der Beurteilung hoher Fehlzeiten zu beantworten:
Was sind die Gründe für die hohen Fehlzeiten? Ist im Fall einer längeren Erkrankung der Leistungsstand des Auszubildenden immer noch als hoch einzustufen? Konnte der versäumte Schullernstoff und das betriebliche Fachwissen nachgeholt werden? Wie sind die Schulnoten? Wird der im Ausbildungsrahmenplan vorgeschriebene Ausbildungsinhalt des Ausbildungsberufs trotz der Fehlzeiten vollständig beherrscht? Konnte der Auszubildende mit Hilfe seines verantwortlichen Ausbilders die betrieblichen Lücken durch eine intensivere Ausbildung wieder aufholen?

Folgende Unterlagen benötigt die IHK zur Berurteilung:
  • Detaillierte Fehlzeitenstatistik über die gesamte Ausbildungszeit
  • Berufsschulzeugnisse
  • Einschätzung des Ausbildungsbetriebes/ Bildungsträgers über Ausbildungs- und Leistungsstand
  • Stellungnahme des Azubis zu den Fehlzeiten
  • Der vom Auszubildenden geführte Ausbildungsnachweisordner über den gesamten Ausbildungszeitraum
Sollte die Kammer die Zulassungsvoraussetzungen nicht für gegeben halten, entscheidet der Prüfungsausschuss über die Zulassung zur Abschlussprüfung.

Bereits bei Bekanntwerden hoher Fehlzeiten des Auszubildenden ist es notwendig darüber zu entscheiden, ob und wie die verpassten Ausbildungsinhalte nachgeholt werden können. Eine Verlängerung der Ausbildungszeit zur Erreichung des Ausbildungsziels kann nach § 8 BBiG auf Antrag des Auszubildenden zu jedem Zeitpunkt der Ausbildung erfolgen. Dies ist sicher sinnvoll, wenn bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Ausbildung abzusehen ist, dass auf Grund hoher Fehlzeiten das Ausbildungsziel nicht erreicht werden kann. Lässt die Motivation und Leistungseinstellung des Auszubildenden imZusammenhang mit hohen Fehlzeiten kein Erreichen des Ausbildungsziels zu, sollte auch ein Abbruch der Berufsausbildung in Erwägung gezogen werden.

Die Ausbildungsberater der IHK Ostwürttemberg unterstützen Sie gerne.