Deutschlands Wirtschaftspolitik zukunftsorientiert weiterdenken. Neue Ansätze der Brandenburger Wirtschaft zur Bundestagswahl
Mit den folgenden Positionen zur Bundestagswahl haben die Brandenburger Industrie- und Handelskammern Themen adressiert, die für das Land Brandenburg eine große Relevanz haben. Sie sind als Ergänzung zu den Wirtschaftspolitischen Positionen zu verstehen, die die IHK-Organisation als eine breit legitimierte Grundlage für bundespolitische Positionen veröffentlicht hat.
- Präambel
- Arbeits- und Fachkräfte finden, binden und fördern
- Bürokratieabbau neu- und weiterdenken
- Haushalts- und Finanzpolitik neu gestalten
- Infrastrukturausbau als Potenzial für Wirtschaftswachstum nutzen
- Förderpolitik zukunftsorientiert gestalten
- Nachhaltigkeit und grüne Transformation wettbewerbsfähig gestalten
- Internationalisierung stärken: Chancen in der globalen Wirtschaft nutzen
Präambel
Die deutsche Wirtschaft steht vor tiefgreifenden Herausforderungen und Chancen. Angesichts globaler Unsicherheiten, geopolitischer Spannungen und struktureller Veränderungen in den internationalen Märkten bedarf es einer klaren wirtschaftspolitischen Strategie. Ihr Ziel muss es sein, Stabilität und Planungssicherheit für Unternehmen und Beschäftigte zu schaffen und so die Grundlage für nachhaltiges Wachstum zu sichern.
Ein zentraler Baustein dieser Strategie ist die Stärkung der wirtschaftlichen Resilienz, um flexibel auf Krisen reagieren zu können und die deutsche Wettbewerbsfähigkeit wieder auszubauen. Der Zugang zu Rohstoffen, Vorprodukten und kritischen Technologien muss durch strategische Partnerschaften, Investitionen in alternative Bezugsquellen und eine gezielte Förderung heimischer Kapazitäten langfristig gesichert werden. Dabei nimmt die strategische Stärkung Europas und des europäischen Binnenmarkts die wichtigste Rolle ein. Deutschland und Europa müssen entschlossen für freien Handel und faire Wettbewerbsbedingungen eintreten und die Beziehungen zu anderen Staaten, insbesondere zu Nachbarländern wie Polen intensivieren.
Die Standortattraktivität Deutschlands muss entschieden verbessert werden. Investitionen in Digitalisierung, Infrastruktur und Bildung sind ebenso erforderlich wie steuerliche Anreize und der Abbau übermäßiger Bürokratie. Nur so kann Deutschland im internationalen Wettbewerb bestehen, Investitionen generieren und die notwendigen Arbeits- und Fachkräfte anziehen. Dabei ist es essenziell, die Balance zwischen wirtschaftlicher Dynamik und sozialer Verantwortung zu wahren. Toleranz und Weltoffenheit sind gesellschaftliche Werte sowie wirtschaftliche Erfolgsfaktoren gleichermaßen.
Mit guten politischen Rahmenbedingungen kann die brandenburgische Wirtschaft einen großen Beitrag zum Erfolg und Wohlstand Deutschlands leisten.
Arbeits- und Fachkräfte finden, binden und fördern
Eine zukunftsfähige Arbeitswelt erfordert die Sicherung von Arbeits- und Fachkräften und die Stärkung der beruflichen Bildung. Um den Anforderungen der modernen Arbeitswelt gerecht zu werden, muss die Berufliche Bildung und deren Attraktivität gestärkt, in- sowie ausländische Erwerbspotenziale erkannt und gefördert und die Fachkräftesicherung und Beschäftigung modern gestaltet werden. Die Brandenburger Wirtschaft fordert von der zukünftigen Bundesregierung:
- Rahmenbedingungen für die Frühkindliche Bildung und schulformübergreifende flächendeckende Berufsorientierung zu schaffen. Damit einher geht die gleichberechtigte Darstellung beruflicher und akademischer Bildung sowie des Unternehmertums.
- Duale Ausbildung sowie Image der beruflichen Bildung stärken, bessere Rahmenbedingungen für Auszubildende schaffen (Azubiticket, Azubiwohnen, Digitalisierung der Ausbildung).
- Berufliche Fort- und Weiterbildung und Finanzierung der akademischen Bildung gleichstellen.
- Weiterbildungsberatungen, -formate und -angebote ausbauen, Teilqualifikationen und Validierungsverfahren als Instrumente der Fachkräfteentwicklung etablieren und nutzen.
- Alle vorhandenen inländischen Fachkräftepotenziale regional heben (z. B. Langzeitarbeitslose, Inklusion, flexible Arbeitsmodelle, Vereinbarkeit von Beruf und Familie).
- Gezielte Fachkräfteeinwanderung fördern und Integration unterstützen, Schulterschluss der Institutionen, Etablierung einer Willkommenskultur, Anwerbeoffensive mit einfacheren und schnelleren Verfahren sowie klaren Regelungen, Sprachförderung verbessern.
- Schnellere Integration Geflüchteter in Arbeit, Beschäftigung oder Aus- und Weiterbildung
- Unternehmensnachfolge stärken und Existenzgründung vereinfachen sowie die Umsetzung einer bundesweiten One-Stop-Agency
- Digitalisierungsschub und KI als Chance nutzen, Transformationsprozesse durch passgenaue Weiterbildung begleiten
Bürokratieabbau neu- und weiterdenken
Eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik bedingt eine Trendumkehr im Hinblick auf unternehmerische Belastungen. Hierbei gilt es, den sukzessiven Abbau nationaler Hürden und Belastungen zu forcieren. Bei der Umsetzung von EU-Vorgaben ist auf Überregulierung zu verzichten. Daher fordert die Brandenburger Wirtschaft von der zukünftigen Bundesregierung:
- Digitalisierungsoffensive in den Verwaltungen: vereinfachte digitale Antrags- und Genehmigungsverfahren sowie Überprüfung der Verwaltungsaufgaben.
- Modernisierung der Registerlandschaft für behördenübergreifende digitale Prozesse.
- Umsetzung des „Once-Only“-Prinzips - Datenteilung und -wiederverwendung zwischen Behörden
- Standardisierung und Nutzung zentraler Steuerungsmöglichkeiten im Föderalismus wie die effektive Digitalisierung und Bündelung von Kompetenzen. (One-Stop-Shop).
- Einführung einer "One in, two out"-Regel für gesetzliche Regelungen.
- Einsatz der Bundesregierung in Brüssel für die Zurückführung von EU-Berichtspflichten.
- Verzicht der Übererfüllung von EU-Recht in Deutschland.
Haushalts- und Finanzpolitik neu gestalten
Eine nachhaltige Haushalts- und Finanzpolitik ist der Schlüssel für Stabilität, Vertrauen und Wettbewerbsfähigkeit. Sie muss zukunftsorientiert sein, wirtschaftliches Wachstum fördern und gleichzeitig verantwortungsbewusst mit Ressourcen umgehen. Die Brandenburger Wirtschaft fordert daher von der zukünftigen Bundesregierung:
- Steuern und Abgaben international konkurrenzfähig gestalten: Gewerbefreiheit stärken und eine ernsthafte und grundlegende Unternehmens- sowie Gewerbesteuerreform umsetzen.
- Schuldenbremse flexibler gestalten und öffentliche Finanzen nachhaltig ausrichten.
- Als effizienter Staat mehr zu investieren, weniger zu konsumieren.
- Auswirkungen der Grundsteuerreform evaluieren.
- Ein effektives Controlling der Staatsfinanzen gewährleisten, um sparsam und mit dem größtmöglichen wirtschaftlichen Nutzen für Unternehmen zu planen.
Infrastrukturausbau als Potenzial für Wirtschaftswachstum nutzen
Eine zukunftsfähige Infrastruktur ist die Grundlage für Wirtschaftswachstum und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie garantiert die Versorgungssicherheit, vernetzt Märkte und Menschen und ist Treiber von Innovation und Digitalisierung. Die Brandenburger Wirtschaft fordert daher von der zukünftigen Bundesregierung:
- Sanierung von Straßen und Brücken konsequent vorantreiben und Projekte des Bundesverkehrswegeplans umsetzen (Ausbau der B 96, der A 12 und A 13 für die aktuellen und kommenden Belastungen durch den Wirtschafts- und Individualverkehr sowie für Entlastungen und Umsetzungen für einen freien Warenverkehr und pendelnde Arbeitskräfte im grenzüberschreitenden Bereich).
- Schienenwege modernisieren und ausbauen sowie Trassenpreise stabil halten.
- Kommunen und Länder unterstützen, um ein attraktives und bedarfsorientiertes Angebot im ÖPNV zu gewährleisten.
- Wasserstraßen für Binnenschifffahrt und Wassertourismus zukunftsfähig machen – Gesamtstrategie und Umsetzung für die Sanierung der Schleusen
- Glasfaserausbau beschleunigen, um das in der Gigabitstrategie formulierte Ziel „Glasfaser für alle" bis 2030 zu erreichen.
- Luftverkehrsstandort Berlin-Brandenburg: Abschaffung der Luftverkehrssteuer, Luftsicherheits- und Flugsicherungsgebühren am europäischen Durchschnitt orientieren.
- Belastungen für Unternehmen durch die nachhaltige Transformation des Verkehrssektors verhindern und die Digitalisierung der Verkehrswege vorantreiben.
- Bauen wieder attraktiver machen: Genehmigungsverfahren vereinfachen, konsequent digitale Bauprozesse fördern und Überregulierung vermeiden, ein ausreichendes Flächenangebot ermöglichen sowie Baukosten durch den Abbau von unnötigen Normen, Auflagen und Bauvorschriften deutlich senken.
- Den Standortfaktor Wohnen in Hinblick auf die Arbeits- sowie Fachkräfteversorgung als Priorität verankern und damit die notwendige Zuwanderung ermöglichen. Die Verfügbarkeit von Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten gewährleisten.
- Die Innenstädte als Wirtschafts- und Versorgungsschwerpunkte sowie als Standortfaktor bei der Gewinnung von Arbeitskräften fördern. Der fortschreitende Strukturwandel erfordert eine langfristige Unterstützung und erfordert eine weitergehende Begleitung nach Auslaufen des Bundesprogrammes “Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ im November 2025.
Förderpolitik zukunftsorientiert gestalten
Eine zukunftsorientierte Förderpolitik ist essenziell, um strukturelle Schwächen auszugleichen, Investitionen zu fördern und den Wandel aktiv zu gestalten. Dabei sind einfache, transparente und zielgerichtete Verfahren unabdingbar. Die Brandenburger Wirtschaft fordert daher von der zukünftigen Bundesregierung:
- Einsatz bei der Europäischen Union zur Beibehaltung der Kohäsionspolitik und der Strukturfonds sowie gegen ein weiteres Absenken der Mittel für Deutschland.
- Vereinfachung der Regeln und Vorgaben für eine schnelle Implementierung der operationellen Programme.
- Verkürzung und Vereinheitlichung von Aufbewahrungspflichten von zehn auf fünf Jahre (entsprechende Anpassung der EU- und Bundesvorgaben).
- Erhalt der GRW-Förderung als wichtigstes wirtschaftsstrukturbestimmendes Förder- und Lenkungsinstrument, kein weiteres Abschmelzen der zur Verfügung stehenden Mittel.
Nachhaltigkeit und grüne Transformation wettbewerbsfähig gestalten
Die Wirtschaft unterstützt den Grundgedanken der Klimaneutralität. Um die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu meistern, sind klare und verlässliche Rahmenbedingungen erforderlich. Daher fordert die Brandenburger Wirtschaft von der zukünftigen Bundesregierung:
- Auf volks- und marktwirtschaftliche Instrumente setzen, statt auf kleinteilige Ordnungspolitik, um langfristig stabile Rahmenbedingungen zu gewährleisten, zum Beispiel zur Vorhaltung flexibler Kraftwerke und -stoffe.
- Finanzierung der Transformation fördern, statt erschweren, unter anderem sowohl im Bereich regionaler, smarter Energie- und Wärmenetze als auch beim Wasserstoffkernnetz.
- Kurzfristig wettbewerbsfähige Energiepreise sicherstellen.
- Ernsthafte Umsetzung des Beschleunigungspaktes und die Regelungen auf das gesamte Planungs- und Genehmigungsrecht anwenden. Nur so lassen sich Genehmigungen vom Bauantrag bis zum komplexen Planfeststellungsverfahren tatsächlich beschleunigen.
- Technologieoffene Transformationspfade für die Wirtschaft gewährleisten.
Internationalisierung stärken: Chancen in der globalen Wirtschaft nutzen
Die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands und Brandenburgs hängt wesentlich von einer starken internationalen Vernetzung und dem Ausbau globaler Handelsbeziehungen ab. Angesichts wachsender Herausforderungen wie geopolitischer Spannungen, Handelshemmnissen und rohstoffpolitischer Abhängigkeiten ist eine strategische Neuausrichtung erforderlich. Ziel ist es, den Zugang zu internationalen Märkten und Ressourcen zu sichern und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Daher fordert die Brandenburger Wirtschaft von der zukünftigen Bundesregierung:
- Strategische Partnerschaften stärken: Aufbau und Pflege internationaler Handelsbeziehungen, insbesondere mit Partnerländern in Europa sowie in Asien und Afrika.
- Ein Neustart der bundespolitischen Zusammenarbeit mit Polen und die Anerkennung Polens als strategischen Partner für Deutschland.
- Mehr Pragmatismus (zum Beispiel Experimentierklauseln) bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit.
- Abbau von Handelshemmnissen und der gezielte Einsatz für multilaterale Handelsabkommen, um Freihandel und fairen Wettbewerb zu fördern.
- Europa als Wirtschaftsmotor vorantreiben: Vertiefung des Binnenmarkts und Harmonisierung von Standards.
- Zugang zu kritischen Rohstoffen sichern: Diversifizierung der Lieferketten und Investitionen in Rohstoffpartnerschaften sowie Stärkung der Kreislaufwirtschaft und Ausbau von Recyclingkapazitäten.
- Erschließung neuer Märkte durch deutsche Unternehmen und Diversifizierungsbestrebungen weiter durch Außenwirtschaftsförderung des Bundes untersetzen, Budget nicht weiter kürzen (zum Beispiel EZ-Scouts).
- Ansiedlungsoffensive durch attraktive Rahmenbedingungen forcieren: steuerliche Anreize, Fördermöglichkeiten, Flächenausweisungen, Willkommenskultur sowie auf Investoren und Fachkräfte gerichtete Imagekampagne im Ausland ausbauen.
- Internationale Abstimmung bei Sanktionen und Berücksichtigung der Folgen für die Wirtschaft: Regelungen sollen klar formuliert, für Unternehmen praktisch umsetzbar sein und regelmäßig auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.