Unternehmerische Sorgfaltspflicht: Das Lieferkettengesetz im Überblick

Mit dem neuen, sogenannten “Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz” (LkSG) werden die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte (UN-Leitprinzipien) und der Koalitionsvertrag der Bundesregierung verbindlich umgesetzt. Große Unternehmen müssen künftig innerhalb ihrer internationalen Lieferketten die Einhaltung der Menschenrechte sicherstellen.

Absicht des Gesetzes

Um die 2011 verabschiedeten UN-Leitprinzipien auch in Deutschland umzusetzen, hat die Bundesregierung das “Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten” erarbeitet. Am 11. Juni 2021 hat der Bundestag den Gesetzesentwurf angenommen. Es wird seit dem 1. Januar 2023 angewendet.
Unternehmen werden mit dem Gesetz stärker in die Pflicht genommen, Menschenrechte, Umweltstandards und eine gute Unternehmensführung entlang ihrer gesamten internationalen Lieferketten sicherzustellen – abgestuft nach ihren Einflussmöglichkeiten. Die Pflichten müssen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber den direkten Zulieferern umgesetzt werden. Mittelbare Zulieferer werden einbezogen, sobald das Unternehmen substantiierte Kenntnis, das heißt überprüfbare und ernst zu nehmende Informationen, von Menschenrechtsverletzungen erhält. 
Das Gesetz konkretisiert die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht von Unternehmen unter anderem wie folgt: 
  • es müssen menschenrechtliche Risiken analysiert, 
  • Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergriffen,
  • Beschwerdemöglichkeiten eingerichtet und
  • über die eigenen Aktivitäten berichtet werden.
Auch der Umweltschutz wird einbezogen, soweit Umweltrisiken zu Menschenrechtsverletzungen führen können. Zusätzlich sollen umweltbezogene Pflichten etabliert werden, die sich aus zwei internationalen Abkommen zum Schutz vor den Gesundheits- und Umweltgefahren durch Quecksilber und langlebige organische Schadstoffe ergeben.

Bedeutung für deutsche Unternehmen

Ab dem 1. Januar 2023 gilt das neue Gesetz in der ersten Stufe für Unternehmen, die mehr als 3.000 Beschäftigte und eine Hauptverwaltung, Hauptniederlassung oder einen Sitz in Deutschland haben. Leiharbeiter werden hier ebenfalls mitgerechnet, sobald sie länger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt sind. 
In zweiter Stufe werden ab dem 1. Januar 2024 alle Betriebe mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden gesetzlich in die Pflicht genommen. Die rechtlichen Vorgaben gelten auch für deutsche Niederlassungen ausländischer Unternehmen.
Die Sorgfaltspflichten der betroffenen Unternehmen erstrecken sich auf den eigenen Betrieb und die unmittelbaren Zulieferer. Betriebe, die nicht direkt in den Anwendungsbereich des Lieferkettengesetzes fallen, können jedoch ebenfalls mittelbar davon betroffen sein, etwa als Zulieferer eines in der gesetzlichen Verantwortung stehenden Unternehmens. Betriebe außerhalb des Anwendungsbereiches sind jedoch nicht direkte Adressaten von Bußgeldern oder gesetzlichen Verpflichtungen.
  • Die (Groß-)Unternehmen sind verpflichtet, einen Verantwortlichen innerhalb ihres Betriebes festzulegen, der die Einhaltung der Sorgfaltspflichten überwacht. Die Geschäftsleitung hat sich regelmäßig über die Arbeit der zuständigen Person/en zu informieren. 
  • Unternehmen müssen ein angemessenes Risikomanagement entlang der gesamten Lieferkette einführen, das menschenrechtliche Risiken in allen maßgeblichen unternehmensinternen Geschäftsabläufen analysiert. Als relevante Risikofelder benennt das Gesetz dabei insbesondere Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Diskriminierung, Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit, problematische Anstellungs- und Arbeitsbedingungen und Umweltschädigungen.
  • Sie müssen insbesondere eine Risikoanalyse durchführen, d.h., dass sie zunächst die Teile ihrer Produktions- und Lieferkette identifizieren müssen, die besonders hohe menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken bergen. Dazu zählen auch die Geschäftsbereiche der Zulieferer. 
  • Anschließend müssen ggf. geeignete Abhilfe- oder präventive Maßnahmen getroffen werden. Das kann zum Beispiel die Vereinbarung entsprechender vertraglicher Menschenrechtsklauseln mit dem Zulieferer sein.
    • Ebenso müssen angemessene Maßnahmen zur Beendigung oder Minimierung einer bereits eingetretenen Verletzung (Abhilfemaßnahmen) getroffen werden. 
    • Auch Menschenrechtsrisiken bei mittelbaren Zulieferern, d.h. in den tieferen Gliedern der Lieferkette, müssen analysiert, beachtet und angegangen werden. Wenn Unternehmen darüber Kenntnis erlangen und tatsächliche Anhaltspunkte haben – etwa aufgrund von Hinweisen durch Behörden, aufgrund von Berichten über eine schlechte Menschenrechtslage in der Produktionsregion oder aufgrund der Zugehörigkeit eines mittelbaren Zulieferers zu einer Branche mit besonderen menschenrechtlichen Risiken.
  • Zudem müssen Unternehmen ein Beschwerdeverfahren einrichten, das direkt Betroffenen ebenso wie denjenigen, die Kenntnis von möglichen Verletzungen haben, ermöglicht, auf menschenrechtliche Risiken und Verletzungen hinzuweisen. 
  • Über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten müssen die Unternehmen jährlich einen Bericht bei der zuständigen Behörde – dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) – einreichen. Bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht kann die BAFA Bußgelder von bis zu acht Millionen Euro oder bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes verhängen.
Es ist zu erwarten, dass auch die Unternehmen, die nur indirekt vom Lieferkettenbesetz betroffen sind, dessen Auswirkungen auf ihre unternehmerische Tätigkeit spüren werden. Die Tendenz, dass größere Unternehmen Nachweise zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz auch von ihren kleineren Vertragspartnern einfordern, dürfte sich mit diesem Gesetz noch verstärken. Beispielsweise könnte die Mitwirkung bei der Beschaffung von Informationen zur Lieferkette, eigene Präventivmaßnahmen wie Mitarbeiterschulungen oder auch Mitwirkungen bei den Beschwerdeverfahren Einzug in die zukünftige Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen finden.
Bis 2026 soll der durch das deutsche Lieferkettengesetz erreichte Schutz der Menschenrechte evaluiert werden. Gegebenenfalls werden Anpassungen vorgenommen, etwa hinsichtlich der Unternehmensgröße der gesetzlich verpflichteten Unternehmen oder auch  der Höhe der Bußgelder. Zusätzlich bleibt auch die Verabschiedung einer EU-Regelung abzuwarten. Für 2021 wird ein Legislativvorschlag der EU-Kommission erwartet, der ebenfalls die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten von Unternehmen festlegt. 

Ansprechpartner für Unternehmen

Der KMU Kompass ist ein Online-Angebot des “Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte” der Bundesregierung, das insbesondere für kleinere und mittelgroße Unternehmen geeignet ist. Sie können hiermit kostenlos und unkompliziert ermitteln, wie sich menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfalt entlang ihrer Wertschöpfungsketten herstellen lässt. 
Der CSR Risiko-Check ist ein, auf der Seite der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung verfügbares, Online-Tool, mit dem Unternehmen länderspezifische sowie branchen- und produktbezogene Risiken in ihrer internationalen Wertschöpfungskette identifizieren können. 
Grundsätzlich ist der Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung ein guter Ansprechpartner, um sich zu informieren, wie Liefer- und Wertschöpfungsketten umweltschonend und sozialverträglich gestaltet werden können. Viele der Angebote wie Webinare, Schulungen, Beratungen und Checklisten sind kostenlos.
Bei der Bearbeitung tiefer gehender Aspekte im rechtlichen und vertraglichen Bereich sind Wirtschaftsanwälte und -prüfer die richtigen Ansprechpartner für die Unternehmen. 
Über das digitale Beteiligungsportal der IHK hatten Ostbrandenburger Unternehmer bereits vor einigen Monaten die Möglichkeit, Ihre Meinung in den Gesetzgebungsprozess mit einfließen zu lassen. Die IHK wird - entsprechend ihrem Auftrag als Interessenvertreter für die regionale Wirtschaft - auch die weiteren Entwicklungen zu diesem Thema aufmerksam beobachten und im Sinne ihrer Unternehmerschaft begleiten.