Ihre IHK

10-Punkte-Programm Arbeitskräftesicherung

Die Vollversammlung hat am 29. März 2022 eine 10-Punkte-Programm für Arbeitskräftesicherung beschlossen.

1. Berufsorientierung als Basis

Berufsbezogene Kompetenzen frühzeitig fördern, die Qualifikation der Lehrenden und Projekte zwischen Schulen und Unternehmen sowie Berufsmessen weiter ausbauen
Aktivitäten: Die „Berufsorientierung“ (BO) ist ein wichtiger Aspekt bei der Integration von jungen Menschen in die Arbeitswelt. Die meisten Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen verstehen unter der BO Betriebspraktika, den Besuch von Ausbildungs- und Jobmessen sowie bilaterale Informationen durch einzelne Unternehmen oder deren Auszubildenden (z.B. „IHK-Ausbildungsbotschafter“). Diese Ansätze ab dem achten Schuljahr sind vielversprechend, rei­chen aber nicht aus, denn die BO sollte bereits früher ab der fünften Jahrgangsstufe starten und um betriebliche Projekttage erweitert werden. Die Kompetenzen, Neigungen oder Inte­ressen der jungen Menschen sollten systematisch erfasst und um berufliche Erfahrungen ergänzt werden. So kann ein „roter Faden“ der individuellen BO während der Schullaufbahn bis zum Übergang in Ausbildung oder Beruf entstehen. Die Qualifikation der unterrichtenden Lehrkräfte im Sinne einer modernen Berufsorientierung sollte in enger Abstimmung mit regionalen Partnern wie dem Institut für Ökonomische Bildung (IÖB) der Universität Oldenburg verbessert werden.

2. Bildungsinfrastruktur ausbauen

Lehrkräfte und Ausbildungspersonal auf die Anforderungen der neuen Arbeitswelt sowie ambitionierte Technologien vorbereiten; Ausstattung und Unterrichtsversorgung in den Berufsbildenden Schulen verbessern; Werkstätten und Labore an Berufsbildenden Schulen und Hochschulen für berufliche Bildung nutzbar machen; Smarte Produktionen und New Work-Philosophie durch Methoden und Einrichtungen stärken
Aktivitäten: Unternehmen, Lehrkräfte und Ausbildungspersonal müssen sich auf die Anfor­derungen der neuen Arbeitswelt sowie Zukunftstechnologien vorbereiten. Smarte Produkti­onsweisen und Prozesse sind die Basis für die Digitalisierung und Dekarbonisierung der Wirt­schaft. Die Anforderungen an Flexibilität und Wandelbarkeit der Produktion werden immer komplexer und insbesondere KMU benötigen hierbei Unterstützung. Dies kann durch die Nutzung von vorhandenen Werkstätten und Laboren an Berufsbildenden Schulen und Hochschulen für die eigene Ausbildung der KMU geschehen. Ein weiterer Vorteil ist der direkte Wissens- und Technologietransfer zwischen Hochschulen, Berufsbildenden Schulen und Unter­nehmen. Diese Bildungspartnerschaften stärken die regionale Wirtschaft und bieten Anreize für Fachkräfte in der Region zu bleiben. Die IHK ist hierbei ein wichtiger Netzwerkpartner und Moderator zur Entwicklung bedarfsgerechter und passgenauer Aus- und Weiterbildungsangebote.
Berufsbildende Schulen sind wichtige Partner der Unternehmen in der dualen Ausbildung. Politisch werden wir uns weiter stark für eine gute technische Ausstattung und eine verbesserte Unterrichtsversorgung an den Berufsbildenden Schulen einsetzen.

3. Übergänge in Berufsbildung und Arbeit optimieren

Für Studienabbrecher, Nicht-Beschäf­tigte, Geringqualifizierte sowie für Menschen mit Förderbedarf oder Zuwanderungshintergrund sollte die Integration in das System der beruflichen Bildung erleichtert werden
Aktivitäten: Der zunehmende Fachkräftemangel belastet den Unternehmenserfolg immer mehr und deshalb werden wir gemeinsam mit den Unternehmen neue Wege gehen. Unser Modellprojekt „Ausbildung 1+2“ muss – wie von Anfang an vorgesehen – nicht nur für Geflüchtete, sondern für alle Personen mit Sprachbarrieren und sonstigem Förderbedarf geöff­net werden. In Politik, Betrieben und Gesellschaft ist hierfür zu werben und entsprechende Förderrichtlinien sind auf den Weg zu bringen, um den finanziellen Aufwand für die Firmen abzufedern. Mit der Hilfe von Kooperation mit regionalen Hochschulen sollen Studienabbrecher in die berufliche Bildung integriert werden. Zur Einbindung Nicht-Beschäftigter sollte das Angebot von Teilqualifikationen erhöht und die Möglichkeit der Externenprüfung (mit vorhergehender Prüfungsvorbereitung) beworben werden. Ferner ist auch die Validierung und Zertifizierung von informell und non-formal erworbenen beruflichen Qualifikationen („ValiKom“) weiter voran zu treiben.

4. Kampagne für Berufliche Bildung

Für die sehr guten Perspektiven der Dualen Ausbildung in Kombination mit der Höheren Berufsbildung in der breiten Öffentlichkeit und den Unter­nehmen werben, um der zunehmenden Akademisierung vorzubauen
Aktivitäten: Ziel der Kampagne ist es, junge Menschen, Eltern und Lehrkräfte für eine duale Berufsausbildung zu begeistern. Die betriebliche Ausbildung in Kombination mit der Höheren Berufsbildung bietet sehr gute Perspektiven für den Berufseinstieg. Die neu eingeführten Abschlüsse zum Bachelor Professional sind mehr als nur eine Alternative zum Studium. Hierfür müssen wir bei Eltern, Lehrkräften und Schulabgängern in der breiten Öffentlichkeit werben, um der zunehmenden Akademisierung vorzubauen. Unternehmen werden durch vertiefte Beratungen und Workshop Angebote unterstützt, um die Qualität in der Ausbildung zu festigen und zu verbessern. Und die „Besten“ erhalten nach einer Auditierung das IHK-Qualitätssiegel TOP-Ausbildung. Diese Unternehmen sind unsere Leuchttürme für eine optimale Ausbildung im Oldenburger Land. Zielgruppengerechte Maßnahmen und Aktivitäten sollen insbesondere Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte im Berufsorientierungsprozess unterstützen. Wir unterstützen Lehrkräfte mit didaktischen Materialien zur Berufsorientierung in Schulen. Verschiedene Bausteine sollen die Aufmerksamkeit auf die Karrierechancen in den Ausbildungsbetrieben der Region erhöhen. Die job4u-Ausbildungsmessen und Online-Angebote. Filme und Interviews sollen die Ausbildung als sehr gute Alternativen zum Studium darstellen.

5. Weiterbildung passgenau

Aktuelle und sich abzeichnende Weiterbildungsbedarfe ermitteln und die Anbieterseite bei der Programmgestaltung unterstützen
Aktivitäten: Aktuell gibt es für unsere Region keine verlässlichen Daten für die Angebotsge­staltung der Bildungsinstitute. Die Programme entstehen aus Tradition, situativen Bedarfen einzelner Betriebe und Branchen sowie der Auswertung der Fachpresse. Im Zusammenspiel mit Forschungseinrichtungen werden Instrumente entwickelt, um von den Unternehmen ak­tuelle und absehbare Weiterbildungsbedarfe aufgezeigt zu bekommen. Dabei gilt es, pragmatische Ansätze zu entwickeln, die fern ab von umfassenden Bedarfsabfragen angesiedelt sind. Vielmehr geht es um einen fortwährenden, intensiven Dialog zu den für die Personalentwick­lung zuständigen Personen, um quasi in Echtzeit Bedarfe sichtbar machen zu können.

6. Durch Weiterbildungsberatung orientieren

Damit sich Interessierte und Unternehmen in den komplexen Strukturen von Bildungsanbietern und -angeboten zurechtfinden, bedarf es kompetenter Anlaufstellen, die mit Blick auf wichtige Parameter zur richtigen Lösung führen
Aktivitäten: Die personen- und unternehmensbezogene Weiterbildungsberatung wird zurzeit nur von wenigen Institutionen und Personen professionell durchgeführt. Vor dem Hintergrund einer sehr großen Vielfalt von Bildungsangeboten, -formaten, -anbietern, -abschlüssen sowie den zahlreichen Förderinstrumenten halten wir den Ausbau der Beratungsstrukturen für not­wendig. Dazu werden die Beratungsstrukturen im IHK-Bildungsbereich angepasst und ein Beratungsnetzwerk initiiert. Durch die stärkere Zusammenarbeit mit weiteren Beratungsinstitutionen soll ein Rundum-Service für die Unternehmen des IHK-Bezirkes gewährleistet werden.

7. Staatliche Anreize für eine höhere Weiterbildungsbeteiligung

Die Transformation, die sich durch den digitalen und gesellschaftlichen Wandel ergibt, benötigt zielführende Fördermittel. Die Veränderungen müssen flankierend durch eine breit angelegte Qualifizierungsoffensive unterstützt werden.
Aktivitäten: Die Transformation und Dekarbonisierung der Wirtschaft kann nur mit einer zielgerichteten Weiterbildung aller Fachkräfte gelingen. Hierzu müssen bisherige Förderangebote des Landes wie die Meisterprämie ausgeweitet werden. Die Ungleichbehandlung der Fortbildungsförderung zum Meistertitel im Vergleich zu den Fachwirten oder Betriebswirten ist ungerecht und sollte angepasst werden. Die IHK wird sich für eine Gleichbehandlung der IHK-Fortbildungsabschlüsse gegenüber den Handwerksabschlüssen einsetzen.

8. Personalentwicklung professionalisieren

Ausbilder/-innen zu beruflichen Zukunftsberaten­den qualifizieren und die Personalentwicklungsaktivitäten auf die Lebensphasen der Belegschaften insbesondere eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausrichten
Aktivitäten: Eine systematische Personal- und Organisationsentwicklung ist in kleineren Un­ternehmen meist nicht stark ausgeprägt. Oft wird ausgebildet, aber anschließend fehlt die attraktive Berufsperspektive für die jungen Fachkräfte. Daher wollen wir Unternehmen intensiver dabei unterstützen, geeignete Strukturen für die Potenzialentfaltung und Bindung des Nachwuchses aufzubauen. Wir werden unsere Aus- und Weiterbildungsberatung für diese Ansprüche qualifizieren. Das Ausbildungspersonal der Betriebe erhält zielgerichtete Angebote, damit sie für junge Menschen Wege der beruflichen Weiterentwicklung entwerfen und begleiten können.
Da im Laufe eines Arbeitslebens verschiedene Umstände, wie z. B. Krankheits-, Erziehungs- und Pflegezeiten, eintreten können, werden wir kontinuierlich in unseren Publikationen, den spezifischen Foren und in Veranstaltungen über die Ausgestaltung einer lebensphasenorien­tierten Personalpolitik informieren.

9. Employer Branding

In Unternehmen das Bewusstsein für einladende Arbeitsbedingungen für Auszubildende, Arbeits- und Fachkräfte stärken und die Region als attraktiven Lebens- und Arbeitsraum bekannt machen
Aktivitäten: Im Zuge des immer stärker werdenden Fach- und Arbeitskräftemangels sind die Unternehmens- bzw. Personalleitungen gefordert. Es müssen Maßnahmen zur Stär­kung der eigenen Marke ergriffen werden, um sich gegenüber potenziellen Bewerbern als passender und attraktiver Arbeitgeber darzustellen. Außerdem nimmt die Mitarbeiterbindung einen immer größer werden Stellenwert ein. Zur Stärkung des Employer Brandings, insbesondere in KMU, sollen zielgerichtete Qualifizierungen entwickelt und umgesetzt werden. Lokale Bündnisse zur Stärkung der Region als attraktiven Lebens- und Arbeitsraum sollen unterstützt und begleitet werden.

10. Leaders‘ Vision-Board

Einen Platz schaffen, wo Unternehmensleitungen Informationen, Austausch, Inspiration finden, ihre Haltung verifizieren und ggf. gemeinsame Projekte initiieren
Aktivitäten: In einer Zeit des dynamischen Wandels und zunehmend komplexer Anforderun­gen müssen Unternehmensleitungen auf verlässliche Informationen zugreifen können. Daher werden wir mit Blick auf die Veränderungen frühzeitig Informations- und Bildungsangebote gestalten. Zu Beginn können es Beiträge auf unseren Internetseiten und in Publikationen sein. Sobald die Situation sich konkreter abzeichnet, werden Informationsveranstaltungen, Foren, Netzwerke und Weiterbildungen initiiert. Unsere IHK soll dabei der Ort sein, wo Ideen, Strategien und Kollaborationen entstehen können. Dazu werden wir neuartige Formate entwickeln, die ein gegenseitiges Kennenlernen und die Zusammenarbeit fördern.