Rechtliche Grundlagen

Verfahrensordnung Schlichtungsstelle Weser-Ems

Verfahrensordnung der Schlichtungsstelle für kaufmännische Streitigkeiten für die Region Weser-Ems vom 16. Oktober 2002
Die gütliche Beilegung von Streitigkeiten in wirtschaftlichen Angelegenheiten zwischen Unternehmen im Wege des Vergleichs ist von erheblichem wirtschaftlichem Interesse. Vor diesem Hintergrund ist von der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Oldenburg sowie der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer, der Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland und der Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg die Schlichtungsstelle für kaufmännische Streitigkeiten für die Region Weser-Ems (im Folgenden "Schlichtungsstelle") gegründet worden, die die folgende Verfahrensordnung zur Verfügung stellt:

§ 1 Zuständigkeit

1.1 Gegenstand des Schlichtungsverfahrens nach dieser Verfahrensordnung können Streitigkeiten sein, die sich aus der unternehmerischen Tätigkeit beider Parteien ergeben. Die Schlichtungsstelle ist auch zuständig für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, die eine unternehmerisch tätige Gesellschaft betreffen.
1.2 Wenigstens eine Partei muss einer deutschen Industrie- und Handelskammer angehören oder von einem Rechtsanwalt vertreten sein. Bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten genügt es, wenn die Gesellschaft Mitglied einer deutschen Industrie- und Handelskammer ist.

§ 2 Geschäftsstelle

2.1 Sämtliche Träger der Schlichtungsstelle beraten die Parteien in allen das Schlichtungsverfahren betreffenden Fragen.
2.2 Zur Durchführung und Abwicklung des Verfahrens werden Geschäftsstellen bei der Oldenburgischen IHK und der IHK Osnabrück-Emsland eingerichtet.

§ 3 Beginn des Verfahrens

3.1 Die Partei, die eine Schlichtung wünscht, stellt einen schriftlichen Antrag auf Durchführung des Verfahrens bei einer Geschäftsstelle unter Nachweis der Zuständigkeitsvoraussetzungen (§ 1). Der Antrag soll in zweifacher Ausfertigung eingereicht werden. Er soll die Parteien, ihr Streitverhältnis und die geltend gemachten Ansprüche enthalten und mit Kopien aller maßgeblichen Urkunden und Beweismittel versehen sein. Für eine anwaltlich vertretene Partei soll der Antrag außerdem eine kurz gefasste rechtliche Würdigung des Streitgegenstandes enthalten.
3.2 Sofern der Antragsteller ein Schlichtungsverfahren mit drei Schlichtern wünscht (§ 4 Ziff. 4.1), ist dies zusätzlich zu beantragen.
3.3 Die Geschäftsstelle informiert die Gegenseite über den Antrag, verbunden mit der Aufforderung, binnen einer Frist von drei Wochen mitzuteilen, ob einem Schlichtungsverfahren zugestimmt wird. Geht innerhalb der Frist die Zustimmung nicht bei der Geschäftsstelle ein, kommt kein Schlichtungsverfahren zu Stande. Der Antragsteller wird darüber informiert, ob die Gegenpartei dem Verfahren zugestimmt hat.
3.4 Sollte Einigkeit zwischen den Parteien bestehen, dass ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden soll, werden die Parteien zur Zahlung der Kostenpauschale gemäß § 7 Ziff. 7.1, zur Bestimmung eines Schlichters und zum Abschluss einer Schlichtungsvereinbarung im Sinne des § 6 aufgefordert.

§ 4 Schlichter

4.1 In der Regel wird das Verfahren mit einem Einzelschlichter durchgeführt. Auf Antrag beider Parteien ist aber auch ein Verfahren mit drei Schlichtern möglich.
4.2 Der Schlichter ist neutral, unabhängig und unparteiisch und zur umfassenden Verschwiegenheit verpflichtet. Er muss die Befähigung zum Richteramt haben und mindestens fünf Jahre beruflich tätig sein; er soll über Kenntnisse im Schlichtungs- oder Schiedsgerichtswesen oder über gleichwertige Erfahrungen verfügen. Wird das Verfaren mit drei Schlichtern durchgeführt, genügt es, wenn einer der Schlichter über die Befähigung zum Richteramt verfügt.
4.3 Die Parteien können sich auf einen Schlichter einigen; dieser muss nicht die in Ziff. 4.2 Satz 2 genannte Qualifikation haben. Die Parteien können aber auch bei der Geschäftsstelle beantragen, dass ein Schlichter von der Schlichtungsstelle benannt wird. Wird ein Schlichtungsverfahren mit drei Schlichtern beantragt, so benennt jede Partei einen Schlichter. Die beiden Schlichter benennen danach gemeinsam einen Obmann als Vorsitzenden.
4.4 Außer auf Antrag durch die Parteien erfolgt eine Benennung durch die Schlichtungsstelle, wenn der Geschäftsstelle nicht binnen einer Frist von zwei Wochen nach der Aufforderung gemäß § 3 Ziff. 3.4 ein Einzelschlichter mitgeteilt worden ist, auf den sich die Parteien geeinigt haben und der die Voraussetzungen nach § 5 erfüllt. Bei einer Schlichtung durch drei Schlichter erfolgt eine Benennung durch die Schlichtungsstelle, wenn eine der Parteien nicht innerhalb von zwei Wochen nach Aufforderung durch die Geschäftsstelle einen Schlichter benennt. Weiterhin erfolgt eine Benennung durch die Schlichtungsstelle, wenn sich die beiden benannten Schlichter nicht binnen zwei Wochen nach ihrer Benennung auf einen Vorsitzenden einigen können. Die Benennung erfolgt im Einvernehmen mit den Trägern der Schlichtungsstelle jeweils durch die Geschäftsstelle, bei der der Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens eingegangen ist. Maßgeblich für die Fristwahrung ist jeweils der Eingang bei der Geschäftsstelle.
4.5 Die Parteien können jederzeit einvernehmlich den/die Schlichter austauschen. Das Schlichtungsverfahren gilt als gescheitert, wenn im Falle eines Austausches des/der Schlichter nicht innerhalb einer Frist von einem Monat mit dem/den neu benannten Schlichter(n) eine gesonderte Schlichtungsvereinbarung abgeschlossen ist. Die Frist beginnt mit Eingang der übereinstimmenden Erklärung der Parteien gegenüber der Geschäftsstelle.

§ 5 Neutralität des Schlichters

5.1 Als Schlichter ist ausgeschlossen, wer eine der Parteien vor Beginn des Verfahrens im Zusammenhang mit dem Streitgegenstand beraten oder vertreten hat; dies gilt auch dann, wenn die Beratung oder Vertretung durch eine Person erfolgt ist, mit der sich der vorgesehene Schlichter zur gemeinsamen Berufsausübung verbunden hat.
5.2 Während des Schlichtungsverfahrens darf der Schlichter keine der Parteien, in welcher Streitigkeit auch immer, vertreten oder beraten. Im Zusammenhang mit dem Streitgegenstand des Schlichtungsverfahrens gilt das Vertretungsverbot auch nach dem Abschluss.
5.3 Der Schlichter darf während des Verfahrens mit keiner der Parteien in geschäftlicher Verbindung stehen.
5.4 Der Schlichter darf nur mit Zustimmung beider Parteien in der gleichen Sache als Schiedsrichter tätig werden.
5.5 Die Parteien verpflichten sich, den Schlichter in einem nachfolgenden Gerichtsverfahren nicht als Zeugen für Tatsachen zu benennen, die ihm während der Schlichtungs-verfahren offenbart wurden.

§ 6 Schlichtungsvereinbarung

6.1 Über die das Verfahren einleitenden Maßnahmen (§ 3) hinaus wird die Schlichtungsstelle nur tätig, wenn sich die Parteien schriftlich zu dem Versuch verpflichtet haben, ihren Streit nach dieser Schlichtungsordnung schlichten zu lassen (Schlichtungsvereinbarung).
6.2 Ab Eingang der Zustimmungserklärung gemäß § 3 Ziff. 3.3 ist die Verjährung der streitbefangenen Ansprüche bis zur Beendigung des Verfahrens gehemmt.

§ 7 Kosten

7.1 Die Geschäftsstelle erhebt unter Berücksichtigung des Streitwertes und des für sie zu erwartenden Aufwands eine einmalige Kostenpauschale in Höhe von 50,00 € bis 500,00 €. Dieser Betrag erhöht sich um die jeweils geltende Umsatzsteuer, falls die Tätigkeit der Geschäftsstelle umsatzsteuerpflichtig ist. Die Pauschale ist von beiden Parteien je zur Hälfte im Voraus zu zahlen.
7.2 Jeder Schlichter erhält ein Zeithonorar je Stunde nach folgender Staffel:
Streitwert
Einzelschlichter,
Vorsitzender
Beisitzer,  bei Besetzung
mit drei Schlichtern
bis 25.000 Euro
150 Euro
100 Euro
über 25.000 Euro
bis 100.000 Euro
175 Euro
125 Euro
über 100.000 Euro
200 Euro
150 Euro
7.3 Die Parteien sind ferner zum Ersatz der dem Schlichter und der Schlichtungsstelle entstehenden notwendigen Auslagen verpflichtet. Dazu gehört auch die Umsatzsteuer, sofern Umsatzsteuerpflicht besteht.
7.4 Die Parteien haften als Gesamtschuldner gegenüber der Schlichtungsstelle für die Kostenpauschale und die Auslagen gem. Ziff. 7.3.
7.5 Jede Partei trägt die während des Schlichtungsverfahrens entstehenden eigenen Kosten sowie die Kosten ihrer Vertretung selbst. Ein späterer Kostenausgleich unter den Parteien auf Grund gerichtlicher Entscheidung oder vertraglicher Vereinbarung wird dadurch nicht ausgeschlossen. Es gilt als vereinbart, dass die für eine Partei mit der Durchführung dieses Verfahrens verbundenen Kosten notwendig im Sinne der Prozessvorbereitung nach § 91 ZPO sind, sofern über den Streit nach Scheitern des Schlichtungsverfahrens ein Zivilrechtsstreit anhängig wird.
7.6 Eine das Schlichtungsverfahren abschließende Vereinbarung soll die Verteilung der Kosten des Schlichters und der Geschäftsstelle zwischen den Parteien regeln. Fehlt es an einer solchen Regelung, gilt der Schlichter als beauftragt, über die Verteilung als Schiedsgutachter gemäß § 317 BGB verbindlich zu entscheiden.
7.7 Scheitert das Verfahren, tragen die Parteien die Kosten des Schlichters je zur Hälfte.

§ 8 Verfahrensgang

8.1 Wenn die Gegenpartei dem Schlichtungsverfahren zugestimmt hat und der Antragsteller hierüber informiert worden ist (§ 3), wird das Schlichtungsverfahren nur fortgesetzt, wenn die Schlichtungsvereinbarung nach § 6 unterzeichnet und die Kostenpauschale nach § 7 Ziff. 7.1 eingezahlt ist. Sollte dies nicht binnen drei Wochen nach der Aufforderung gemäß § 3 Ziff. 3.4 erfolgen, kann die Geschäftsstelle das Schlichtungsverfahren für beendet erklären.
8.2 Sind die Voraussetzungen von § 8 Ziff. 8.1 erfüllt, stellt die Schlichtungsstelle der Gegenpartei das Schlichtungsbegehren zu und fordert sie auf, binnen zwei Wochen nach Zugang schriftlich in zweifacher Ausfertigung zu erwidern. Die Erwiderung soll die eigene Position in tatsächlicher Hinsicht wiedergeben und Kopien schriftlicher Beweisstücke enthalten. Die Erwiderung einer anwaltlich vertretenen Partei soll eine kurz gefasste rechtliche Würdigung des Streitgegenstands aus ihrer Sicht enthalten. Aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung kann die Zustellung auch vorher erfolgen.
8.3 Der Schlichter bestimmt im Einvernehmen mit den Parteien den Ort des Schlichtungsverfahrens und setzt umgehend einen Verhandlungstermin an, zu dem die Parteien und ggf. ihre Vertreter zu laden sind. In dem Termin sollen die Interessen der Parteien sowie die Streit- und Rechtslage erörtert und eine Einigung angestrebt werden.
8.4 Das Verfahren ist nicht öffentlich. Die Vertraulichkeit des Verfahrens ist von allen Verfahrensbeteiligten zu wahren.
8.5 Den weiteren Gang des Verfahrens bestimmt der Schlichter nach freiem Ermessen unter Beachtung der Grundsätze der Unparteilichkeit, Billigkeit und Gerechtigkeit. Dabei sollen möglichst die Wünsche der Parteien berücksichtigt werden.
8.6 Der Schlichter kann jederzeit eine Partei auffordern, ihm weitere Informationen zukommen zu lassen. Von den Parteien vorgelegte Schriftstücke sind zu berücksichtigen. Der Schlichter kann den Streitgegenstand vor Ort in Augenschein nehmen.
8.7 Die Parteien sind verpflichtet, den Verfahrensfortgang jederzeit zu fördern. Keine Partei hat Anspruch auf Einsicht in die Akte des Schlichters.
8.8 Der Schlichter wirkt in jedem Stadium des Verfahrens auf eine einvernehmliche Regelung des Streits hin.
8.9 Auf ausdrücklichen Wunsch der Parteien kann der Schlichter
• einen Vergleichsvorschlag unterbreiten,
• den Parteien die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Prozesses aus seiner Sicht erläutern,
• einen Schiedsspruch über das gesamte Streitverhältnis oder Teile davon fällen, sofern die Parteien zuvor eine Schiedsgerichtsvereinbarung abgeschlossen haben.

§ 9 Beendigung des Verfahrens

9.1 Das Verfahren endet, wenn die den Streit beendende Vereinbarung abgeschlossen ist oder wenn mindestens eine Partei die Schlichtung schriftlich gegenüber dem Schlichter und der anderen Partei für gescheitert erklärt. Im Verhandlungstermin genügt eine mündliche Erklärung des Scheiterns.
9.2 Sieht der Schlichter keine Aussicht auf Erfolg des Verfahrens, so kann auch er das Verfahren jederzeit beenden. Einer Begründung bedarf die Entscheidung nicht. Bei einer Besetzung mit drei Schlichtern ist für die Beendigung des Verfahrens Einstimmigkeit erforderlich. Der Schlichter weist die Parteien auf die Möglichkeit des einvernehmlichen Austausches des Schlichters (§ 4 Ziff. 4.5) hin.
9.3 Der Schlichter hat das Ergebnis des Verfahrens in einem Protokoll festzuhalten. Ist eine Einigung zu Stande gekommen, muss das Protokoll enthalten:
1. den Namen der Schlichtungsperson,
2. den Ort und die Zeit der Verhandlung,
3. die Namen und Anschriften der erschienenen Parteien, gesetzlichen Vertreter, Bevollmächtigten und Beistände,
4. den Gegenstand des Streites,
5. die Vereinbarung der Parteien.
Das Protokoll ist von der Schlichtungsperson zu unterzeichnen. Es ist den Parteien oder deren Vertretern vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen und von ihnen durch Unterschrift zu genehmigen. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, genügt ein Vermerk des Schlichters, aus dem sich die Parteien, der Gegenstand des Streits sowie der Zeitpunkt der Einleitung und der Beendigung des Schlichtungsverfahrens ergeben. Der Schlichter hat der Geschäftsstelle mitzuteilen, wenn das Schlichtungsverfahren beendet ist. Die Mitteilung soll einen Hinweis darauf enthalten, ob zwischen den streitenden Parteien eine Einigung erzielt werden konnte.
9.4 Im Falle des Abschlusses einer Vereinbarung gilt das Schlichtungsverfahren mit dem Datum der Unterzeichnung der Vereinbarung als beendet. Sofern die Beendigung des Verfahrens bzw. das Scheitern der Schlichtung gegenüber den anwesenden Beteiligten erklärt wird, gilt dies als Termin für die Beendigung des Verfahrens. Sollte eine der Parteien des Schlichtungsverfahrens nicht anwesend sein, gilt das Schlichtungsverfahren zu dem Zeitpunkt als beendet, zu dem der Schlichter dieser Partei die Verfahrensbeendigung schriftlich mitgeteilt hat.

§ 10 Rechtsform, Haftung

10.1 Die Schlichtungsstelle ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist.
10.2 Eine Haftung der Träger der Schlichtungsstelle, ihrer Organe und Mitarbeiter für Hand-lungen oder Unterlassungen des Schlichters ist ausgeschlossen. Der Schlichter kann in der Schlichtungsvereinbarung seine Haftung im gesetzlich zulässigen Umfang begrenzen.
10.3 Die Haftung der Träger der Schlichtungsstelle, ihrer Organe und Mitarbeiter ist auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.