Arbeitsrecht | Vertragsrecht | AGB

Beschäftigung von Schwerbehinderten

Geschützter Personenkreis

Schwerbehinderte Menschen und so genannte Gleichgestellte genießen im Arbeitsrecht einen besonderen Schutz. Geregelt ist dies in den §§ 68 ff des Sozialgesetzbuchs IX (SGB IX). Schwerbehindert sind Personen, die wenigstens einen Grad der Behinderung von 50% haben. Die Feststellung der Schwerbehinderung erfolgt durch die Außenstellen des Niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie.
Die behördliche Feststellung der Behinderung ist wichtig, weil der Behinderte seine Behin-derteneigenschaft nachweisen muss und diesen Nachweis in der Regel nur durch den Feststellungsbescheid oder den Schwerbehindertenausweis führen kann. Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 30% und weniger als 50% können auf ihren Antrag von der Agentur für Arbeit Schwerbehinderten gleichgestellt werden. Voraussetzung für eine solche Gleichstellung ist, dass der Betreffende infolge der Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten kann. Die Entscheidung liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Agentur für Arbeit. Gleichgestellte werden, abgesehen vom Zusatzurlaub, arbeitsrechtlich wie Schwerbehinderte behandelt.
Ferner gilt, dass behinderte Jugendliche und junge Erwachsene während der Zeit einer Berufsausbildung, auch wenn der Grad der Behinderung weniger als 30 % beträgt oder ein Grad der Behinderung nicht festgestellt wird, kraft Gesetzes Schwerbehinderten gleichgestellt sind. Der Nachweis wird durch eine Stellungnahme der Agentur für Arbeit erbracht. Zwar sind die besonderen Schutzregelungen für Schwerbehinderte nicht anzuwenden, der Arbeitgeber kann aber auch für diesen Personenkreis Leistungen erhalten.

Beschäftigungspflicht

Jeder Arbeitgeber mit mindestens 20 regelmäßigen Arbeitsplätzen ist verpflichtet, je nach Betriebsgröße eine bestimmte Anzahl von Schwerbehinderten zu beschäftigen. So muss zum Beispiel ein Betrieb mit mindestens 20, aber weniger als 40 Arbeitsplätzen einen Schwerbehinderten beschäftigen. Betriebe mit 40 bis 60 Arbeitsplätzen müssen zwei Schwerbehinderte beschäftigen; noch größere Betriebe müssen mindestens 5% der Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten besetzen.
Mehrere Betriebe desselben Arbeitgebers gelten hierbei als Einheit. Ausbildungsplätze zählen nicht als Arbeitsplätze mit. Ergeben sich bei der Berechnung der Pflichtplätze Bruchteile, so ist ab 0,5 aufzurunden, bei Unternehmen mit jahresdurchschnittlich bis zu 59 Beschäftigten abzurunden. Die Pflichtquote gilt auch, wenn aufgrund der betrieblichen Struktur Schwerbehinderte gar nicht beschäftigt werden können. Für Schwerbehinderte, die in der Ausbildung sind, werden zwei, nach Entscheidung der Agentur für Arbeit bis zu drei, Pflichtplätze angerechnet.

Ausgleichsabgabe

Für jeden nicht besetzten Pflichtplatz muss der Arbeitgeber monatlich eine Ausgleichsabgabe von 105 bis 260 € zahlen. Die Höhe der jeweiligen Ausgleichsabgabe wird bei Betrieben ab 60 Arbeitsplätzen berechnet anhand der jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote Schwerbehinderter.
Beschäftigungsquote von 3 % - 5 %                        125 EUR
Beschäftigungsquote von 2 % - 3 %                        220 EUR
Beschäftigungsquote von weniger als 2 %           320 EUR
Für Arbeitgeber, die im Jahresmittel weniger als 40 zu berücksichtigende Beschäftigte haben, beträgt die Ausgleichsabgabe abweichend hiervon 125 €, sofern sie jahresdurchschnittlich weniger als einen Schwerbehinderten beschäftigen.
Für Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich bis zu 59 zu berücksichtigenden Beschäftigten und einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigung von weniger als zwei Schwerbehinderten 220 € und bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigung von weniger als einem Schwerbehinderten 320 €.
Der Arbeitgeber hat die zu entrichtende Ausgleichsabgabe selbst zu errechnen und einmal jährlich, spätestens bis zum 31.03. des Folgejahres, an das für seinen Sitz zuständige Integrationsamt abzuführen. Ebenfalls bis zum 31.03. des Folgejahres hat der Arbeitgeber der für seinen Sitz zuständigen Agentur für Arbeit die Zahl der im Vorjahr vorhandenen Arbeitsplätze sowie die Zahl der beschäftigten Schwerbehinderten anzuzeigen.

Kontakt Integrationsamt

Niedersächsisches Landesamt für Soziales, Jugend und Familie
- Integrationsamt -
Team Oldenburg
Moslestraße 1
26122 Oldenburg
Telefon: 0441 / 22 29 74 00
Fax: 0441 / 22 29 74 91

Fürsorgepflicht

Im Rahmen der betrieblichen und wirtschaftlichen Zumutbarkeit ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betrieb so einzurichten, dass eine möglichst große Zahl Schwerbehinderter beschäftigt werden kann. Daraus können auch Ansprüche der Arbeitnehmer erwachsen. So ist der Arbeitgeber verpflichtet, einen Arbeitsplatz mit den erforderlichen technischen Hilfsmitteln auszustatten; die Integrationsstelle kann hierzu Geldleistungen gewähren. Die Agenturen für Arbeit beraten über Fördermöglichkeiten. Ferner hat der Arbeitgeber in Zusammenarbeit mit der Schwerbehindertenvertretung die Schwerbehinderten in den Betrieb zu integrieren.

Zusatzurlaub

Schwerbehinderte haben Anspruch auf bezahlten Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr. Wenn einem teilzeitbeschäftigten Schwerbehinderten im Urlaubsjahr der Grundurlaub nur zu einem Anteil zusteht, ist auch der Zusatzurlaub nur anteilig zu gewähren. Besteht die Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres, so besteht auch nur ein anteiliger Zusatzurlaubsanspruch (ein Zwölftel für jeden vollen Monat der Schwerbehinderteneigenschaft; Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Urlaubstag ergeben, werden aufgerundet.).
Soweit tarifliche, betriebliche oder sonstige Urlaubsregelungen für Schwerbehinderte einen längeren Zusatzurlaub vorsehen, bleiben sie unberührt. Gleichgestellten steht kein gesetzlicher Zusatzurlaub zu.

Kündigungsschutz

Das Schwerbehindertenrecht gewährt einen besonderen Kündigungsschutz, der neben die allgemeinen Kündigungsschutzregeln tritt. Eine Kündigung darf erst ausgesprochen werden, wenn das Integrationsamt zuvor zugestimmt hat. Der Arbeitgeber muss die Zustimmung bei dem für den Sitz des Betriebes zuständigen Integrationsamt schriftlich (in doppelter Ausführung) beantragen. Der Antrag ist ausführlich und unter Darlegung der Kündigungsgründe und Beweismittel zu begründen. Das Integrationsamt holt vor seiner Entscheidung eine Stellungnahme des Betriebsrates und der Schwerbehindertenvertretung des Betriebes ein und hört den Schwerbehinderten an. Bei einer ordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber zudem eine Kündigungsfrist von mindestens vier Wochen einhalten. Längere gesetzliche, tarifliche oder einzelvertragliche Kündigungsfristen bleiben unberührt.
Soll der Betrieb stillgelegt oder aufgelöst werden, oder ist ein Insolvenzverfahren eröffnet worden, muss das Integrationsamt binnen eines Monats nach Eingang des Antrags eine Entscheidung treffen. Lässt das Integrationsamt diese Frist verstreichen, so gilt die Zustimmung als erteilt.
Bei einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung gilt: Die Zustimmung muss innerhalb von zwei Wochen seit Kenntnis des Kündigungsgrundes beantragt werden. Die Versendung des Antrags als Einschreiben mit Rückschein ist hierbei aus Beweiszwecken empfehlenswert. Das Integrationsamt hat seine Entscheidung dann binnen zwei Wochen nach Antragseingang zu treffen. Hält die Behörde diese Frist nicht ein, so gilt die Zustimmung als erteilt. Der Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte greift nicht ein, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht festgestellt war und der Arbeitnehmer auch noch keinen Antrag auf Erteilung eines entsprechenden Bescheides gestellt hatte. Der Kündigungsschutz gilt auch nicht in den ersten sechs Monaten des Bestehens des Arbeitsverhältnisses.
Darüber hinaus ist gem. § 95 Absatz 2 Satz 3 SGB IX die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht, unwirksam. Das gilt unabhängig von der Beschäftigungsdauer des Schwerbehinderten, also auch für Arbeitsverhältnisse, die noch keine sechs Monate Bestand haben.

Arbeitszeit

Schwerbehinderte können es ablehnen, mehr als acht Stunden täglich zu arbeiten. Außerdem kann der Schwerbehinderte je nach Schwere seiner Behinderung einen Anspruch auf Teilzeitarbeit haben.

Neubesetzung freier Arbeitsplätze - Fragerecht des Arbeitgebers?

Bei der Besetzung freier Arbeitsplätze muss der Arbeitgeber prüfen, ob Schwerbehinderte beschäftigt werden können.
Die Frage nach der bestehenden Schwerbehinderung ist grundsätzlich unzulässig. Daraus folgt, dass der Bewerber eine ihm bezüglich der Schwerbehinderung gestellte Frage nicht mehr wahrheitsgemäß beantworten muss. Er kann zulässigerweise Schweigen oder sein „Recht zur Lüge“ ausüben. Stellt der Arbeitgeber trotzdem die Frage und erhält vom Bewerber eine unwahre Antwort, so ist er nicht mehr berechtigt, den Arbeitsvertrag gem. § 123 BGB anzufechten.
Eine unterschiedliche Behandlung (und als Ausfluss davon auch das Fragerecht) von behinderten Stellenbewerbern gegenüber nicht behinderten Personen kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn eine Differenzierung aufgrund der Besonderheit der Anforderungen am konkreten Arbeitsplatz zulässig ist. Dies ergibt sich bereits aus § 81 Abs. 2 Nr. 1 S. 4 SGB IX.
Dies ist z.B. dann der Fall, wenn Fragen gestellt werden, die sich auf Behinderungen beziehen, die den betrieblichen Arbeitsablauf konkret beeinträchtigen oder dazu führen, dass der Bewerber die vorgesehenen Arbeitsaufgaben nicht oder nur eingeschränkt ausüben kann.
Bewirbt sich ein Schwerbehinderter um eine Stelle im Betrieb, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, diese Bewerbung mit der Schwerbehindertenvertretung zu besprechen und sie mit der Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung an den Betriebsrat weiterzuleiten.

Schwerbehindertenvertretung und Integrationsvereinbarung

In Betrieben, in denen nicht nur vorübergehend fünf oder mehr Schwerbehinderte beschäftigt sind, werden von den Schwerbehinderten alle vier Jahre ein(e) Vertrauensmann(- frau) und ein Stellvertreter gewählt. Der Arbeitgeber hat den Vertrauensmann in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen Schwerbehinderten oder die Schwerbehinderten als Gruppe betreffen, rechtzeitig und umfassend zu informieren und vor einer Entscheidung zu hören. Anhörungspflichtig sind also insbesondere Einstellung, Versetzung, Umgruppierung und Kündigung von Schwerbehinderten. Die getroffene Entscheidung ist dem Vertrauensmann unverzüglich mitzuteilen. Unterbleibt die Anhörung, so ist die Durchführung oder Vollziehung der getroffenen Entscheidung auszusetzen; die Anhörung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen, alsdann ist endgültig zu entscheiden. Bereits durchgeführte oder vollzogene Entscheidungen sind jedoch auch ohne Anhörung wirksam. Der Vertrauensmann darf an allen Sitzungen des Betriebsrats beratend teilnehmen. Die persönliche Rechtsstellung des Vertrauensmannes entspricht der eines Betriebsratsmitgliedes; so ist er z.B. zur Wahrnehmung der ihm obliegenden Aufgaben freizustellen und hat absoluten Schutz gegen ordentliche Kündigungen. Schwerbehindertenvertretungen haben das Recht auf Einsicht in die Bewerbungsunterlagen und auf Teilnahme am Vorstellungsgespräch. Der Arbeitgeber trifft mit der Schwerbehindertenvertretung eine Integrationsvereinbarung über die Eingliederung Schwerbehinderter, insbesondere zur Personalplanung, Arbeitsplatzgestaltung, Gestaltung des Arbeitsumfelds, Arbeitszeit und Arbeitsorganisation. In Betrieben, in denen keine Schwerbehindertenvertretung vorhanden ist, wird eine Integrationsvereinbarung auf Antrag des Betriebsrates getroffen.

Schwerbehindertenbeauftragter des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber bestellt einen Schwerbehindertenbeauftragten, der ihn in Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen verantwortlich vertritt. Nach Möglichkeit soll der Beauftragte selbst ein schwerbehinderter Mensch sein.

Zusammenarbeit des Arbeitgebers mit anderen Behörden

Die Arbeitgeber haben, gesondert für jeden Betrieb und jede Dienststelle, ein Verzeichnis der bei ihnen beschäftigten schwerbehinderten Personen zu führen. Dieses muss auf Verlangen der Agentur für Arbeit oder dem Integrationsamt vorgelegt werden. Sollten keine Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zur Verfügung gestellt werden, muss eine Anzeige der Daten nur nach Aufforderung durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgen.

Bußgeldvorschriften

Ein Arbeitgeber kann mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 € belegt werden, wenn er bestimmte im SGB IX aufgeführte Pflichten vorsätzlich oder fahrlässig verletzt. Bußgeldvorschriften sind insbesondere die gesetzlichen Meldepflichten und die Pflichten zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung enthalten.
Hinweis: Diese Information soll - als Service Ihrer IHK - nur erste Hinweise geben und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.