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Weiße Kleider, schwarze Zahlen
Meike Schönfeld hat freitags frei. Zeit genug, um im Nebenerwerb zu gründen und ein Berufsleben auf den Kopf zu stellen. | Text: Von Dominik Dopheide
Wähle einen Job, den du liebst, und du wirst keinen Tag mehr arbeiten müssen“: Dieser Satz, Konfuzius zugeschrieben, lässt Meike Schönfeld jahrelang nicht los. Die gelernte Mediengestal- terin weiß schon seit Langem, wo ihr Weg hinführen würde, hätte sie einen Wunsch frei: in den kleinen, feinen, eigenen Brautmodeladen. „Ich habe früher viele meiner Freundinnen bei der Wahl des Brautkleides begleitet und leidenschaftlich gern beraten“, erklärt die 44-Jährige. Aber den sicheren Job in der Druckerei aufgeben für das Abenteuer Selbstständigkeit? Vor allem freitags, an ihrem freien Tag, wälzt Schönfeld das Wenn und Aber. Mit Freitag plus Samstag stehen zwei Tage pro Woche zur Verfügung, um das Projekt Selbstständigkeit Schritt für Schritt anzuschieben – im Nebenerwerb. Eine Mitarbeiterin der IHK hatte sie darauf aufmerksam gemacht, dass es die Möglichkeit gibt, zu gründen, ohne den alten Job vorschnell aufzugeben. Ran also an Marktanalyse und Rentabilitätsabschätzung?
Mit Meike Schönfelds Brautmode im Modulsystem blieben die Bräute auch im Lockdown flexibel.
Meike Schönfeld macht es anders: Sie will die Planung nicht im abstrakten Zahlenraum beginnen. „Ich habe das Pferd von hinten aufgezäumt und zuerst eine Immobilie gesucht, um meinen Traum schon mal sichtbar zu machen“, berichtet sie. Zum einen würde das für einen weiteren Motivationsschub sorgen. Zum anderen beginne gute Brautberatung ohnehin bei der Atmosphäre „Das funktioniert nicht im eigenen Wohnzimmer, da muss ein passendes Ladenlokal her“, weiß Schönfeld. Sie wird schnell fündig: Mitten in Westerkappeln ist in einem Fachwerkgebäude das Erdgeschoss zu vermieten, lichtdurchflutet und stilvoll. Und dennoch sagt sie ab. „Mir ist bewusst geworden, dass ich mehr Planungszeit benötige“, begründet sie. Doch hat ihr die Immobilienbesichtigung genau den richtigen Motivationsschub gegeben, um die Herausforderung anzugehen, die sie für die schwerste des gesamten Projektes hält: den Businessplan.
Wenige Tage bis zur Förderzusage
Sie nimmt an einem Gründungsseminar der Kreiswirtschaftsförderung teil, zudem stärkt ihr eine gute Freundin den Rücken, die Steuerberaterin ist. Nach zwei Monaten steht der Geschäftsplan. Nur wenige Tage nach Antragstellung liegt der positive Bescheid für den Förderkredit der KfW auf dem Tisch. Scha- de, dass das wunderschöne Ladenlokal inzwischen wohl vergeben ist, denkt sich die Gründerin und ruft nochmal den Vermieter an. Die Immobilie steht immer noch leer. „Als wenn sie auf mich gewartet hätte“, freut sich Meike Schönfeld noch heute. Nicht nur beim Innenausbau des Geschäftes ist ihr Mann mit an Bord. „Er war von Beginn an Feuer und Flamme und hat mir komplett den Rücken freigehalten, obwohl er wusste, dass es in den ersten Jahren heftig werden kann“, erzählt die Unternehmerin. Ihre erste Kollektion kauft sie mit gemischten Gefühlen ein. Denn sie setzt auf ein modulares Konzept, das ihren Kunden Flexibilität in der Auswahl beschert, aber nicht mit Kommissionsware zu realisieren und somit risiko- reich ist. „Ich habe gedacht, bist du verrückt, für zigtausend Euro Klamotten zu kaufen, andererseits war ich stolz darauf, das erste Mal als Unternehmerin aufzutreten und in Eigenverantwortung zu handeln“, erinnert sich die Geschäftsfrau.
Laden brummt
Schnell erweist sich, dass sie gute Entscheidungen und dazu den richtigen Beratungston getroffen hat: Ihr Brautmodeladen „frau schönfeld“ brummt, zwei Tage pro Woche reichen nicht. Sie öffnet zusätzlich abends, von Montag bis Donnerstag, und kann doch nicht alle Terminanfragen annehmen. Einige Monate später lernt sie die Kehrseite der unternehmerischen Freiheit kennen: Die Corona-Pandemie stürzt die Hochzeitsbranche in ein tiefes Tal. Doch Schönfeld merkt nach dem ersten Lockdown: Es wird weiter- hin geheiratet – im kleinen Kreis, aber gerne mit Brautkleid. Mit Sicherheitsmaßnahmen und geschicktem Terminmanagement zur regelkonformen Beratung, einem flexiblen Sortiment und schneller Verfügbarkeit der Ware kann sie punkten – mitten in der Pandemie. Viele hatten vorausgesagt, dass sie drei Jahre lang die Zähne zusammenbeißen müsse, bis der Laden mit seinen weißen Kleidern schwarze Zahlen schreibt – weit gefehlt, denn trotz Corona-Krise kommt „frau schönfeld“ schneller in die Gewinnzone. Nach einem Jahr sind die Umsätze so hoch, dass die Inhaberin voll einsteigt ins Brautmodengeschäft. „Ich habe mich persönlich so weiterentwickelt, dass ich den alten Job nicht mehr wollte“, begründet Schönfeld, die sich ein Leben ohne selbstbestimmtes Arbeiten und ohne die Bestätigung, die sie von ihrer Kundschaft er- hält, nicht mehr vorstellen kann.
Angehenden Gründerinnen empfiehlt sie, weder sich selbst, noch die eigenen Ideen infrage zu stellen und beispielsweise bei Wirtschaftsförderungen und IHK anzuklopfen, um Feedback und Beratung einzuholen. „Ich glaube wir Frauen müssen mutiger sein, denn Selbstständigkeit ist nicht so unerreichbar, wie viele denken“, sagt die Unternehmerin.
(September 2021)
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Redaktion Wirtschaftsspiegel