3 min
Lesezeit
Der Traum von den eigenen fünf Wänden
Anna Repgen und Julia Rohde nehmen ein Darlehen in sechsstelliger Höhe auf, um in Münster eine Boulderhalle zu eröffnen. Dann legen lange Lockdowns die Eventbranche lahm. Aus der Gründung wird ein „Cliffhanger“. | Text: Dominik Dopheide
Der Begriff „Bouldern“ bezeichnet das Klettern ohne Seil und Gurt an natürlichem Fels oder künstlicher Wand. Mit fünf Wänden dieser Art wollen Repgen und Rohde Anfang 2020 in Münster in einer vormaligen Industriehalle auf rund 600 Quadratmetern Fläche eine Boulder-Landschaft aufbauen, dazu einen Gastronomiebereich im Factory-Style, Kursangebote und Events. Mehr als acht Monate müssen sie auf grünes Licht für die Nutzungsänderung der Immobilie warten. Die Genehmigung aber ist Voraussetzung für den Darlehensantrag. Schließlich erhalten sie beides, aber Lockdown-Phasen und Corona- Schutzverordnungen machen einen Strich durch die Rentabilitätsberechnung. Zudem blockiert im Herbst das Pandemiegeschehen den Ausbau der Halle. Beim Interieur für den Gastronomiebereich und bei den Kletterelementen gibt es Lieferengpässe. So bleiben beispielsweise die 30 Fallschutzmatten aus Polen aus. Einen betriebswirtschaftlichen Fallschutz für Rohde und Repgen gibt es aber nicht. „Wir hatten keinen Anspruch auf Hilfeleistungen, weil unser Unternehmen zu jung ist und noch keine Umsätze machen konnte“, erklärt Repgen.

Konzentriert, aber mit Spaß
Dabei hatte alles so gut angefangen, ganz nach Art der Kletterszene: konzentriert, aber mit Spaßfaktor. „Wir haben bei einem Glas Rot- wein ein bisschen herumgesponnen, wie unsere Boulderhalle heißen und wie das Logo aussehen könnte“, erzählt Rohde. „Wir wussten aber, dass wir noch einiges lostreten müssen“, sagt Rohde und meint damit Businessplan, Immobiliensuche und Bankgespräch – Herausforderungen, die von den Gründerinnen später mit Bravour gelöst werden. Mehr noch: Rohde und Repgen überzeugen mit ihrem Plan und ihrer Persönlichkeit im Pitch beim IHK-MentorenNetz Nord Westfalen. Mit dem Rat eines erfahrenen Experten werden sie noch trittfester im Bereich Betriebswirtschaft.
Sie selbst kommen aus der Gesundheitsbranche. Julia Rohde (28), groß geworden in den bayerischen Bergen, hat für die Selbstständigkeit eine Anstellung als Physiotherapeutin an den Nagel gehängt. Anna Repgen (26), in Münster aufgewachsen, war zuvor als freiberufliche Sporttherapeutin tätig. Genau diese beruflichen Qualifikationen kommen ihnen zugute in der Corona-Krise. Sobald erlaubt, bieten sie in der Halle, in 1:1-Betreuung, Bewegungstherapie mit Schwerpunkt Bouldern an. Das Angebot schlägt ein, die Gründerinnen legen Zwölf-Stunden-Schichten ein. So können laufende Kosten bezahlt und die Ausbauarbeiten in der Lounge auf der oberen Ebene der Halle mit tatkräftiger Hilfe des Freundeskreises fort- geführt werden. Das letzte Budget wird in Pflanzen investiert. „Uns war es wichtig, Atmosphäre zu schaffen, damit sich unsere Kunden wohlfühlen, aber auch wir selbst“, erklärt Repgen. Vielleicht zeichne die Liebe zum Detail das feminine Gründen aus, meint die Unternehmerin. Dazu fehlt es an Vergleichsmöglichkeiten: „Wir kennen keine andere Halle, die nur von Frauen betrieben wird.“
„Durchsetzungsvermögen lässt sich lernen“

Anna Repgen und Julia Rohde schmieden bereits Wachstumspläne für die boulder factory. Letztlich haben sie Kraft geschöpft aus der Krise: „Wir haben nicht aufgegeben, und darauf sind wir stolz“, sagt Rohde.
Kontakt
Redaktion Wirtschaftsspiegel