Gründungsidee

Von der Community zum Produkt

Eine 18-jährige, die an einer renommierten Hochschule Business Administration studiert – so weit, so normal. Ungewöhnlich an Nour Idelbi: Schon seit über zwei Jahren arbeitet sie an und in ihrem eigenen Unternehmen. | Text: Ingrid Haarbeck
„In unserer Schule gab es einen Workshop zum Thema Unternehmensgründung. Da hat einer der Gründer von Liba Kola sein Konzept vorgestellt, und diese Art einer Unternehmensgründung auf bestimmten Werten hat mich begeistert.“ Die Gründungsidee, die sie daraufhin mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern entwickelte, gewann schon mal den Wettbewerb in der Schule. Das sollte aber nur der erste in einer langen Reihe von Wettbewerben sein, denen Idelbi sich stellte. Und die ihr nach und nach zu weiteren Kontakten und wertvollen Anregungen verhalfen.
Idelbis Grundgedanke: Frauen, die sich auf dem Nachhauseweg unwohl fühlen, mit einem digitalen Begleiter, nämlich der App „SafeSpace“, zu unterstützen. Entwickelt wurde das Produkt mit denen, die das am besten können, nämlich den potenziellen Nutzerinnen und Nutzern. Denn ihre erste Mentorin, die Unternehmerin und Influencerin Diana zur Löwen, unterstützte sie in dem Wunsch, erst eine Community aufzubauen und dann das Produkt zu entwickeln, zu launchen und schließlich zu monetarisieren.

Die Social-Media-Community entwickelt mit

Beim Social-Media-Management bekam Idelbi inzwischen Unterstützung von Joline Reker: „Die Social-Media-Community hat uns viele Vorschläge gemacht, welche Funktionen so eine App haben sollte, was sie sich wünschen, was sie nicht so gerne möchten.“ Nicht alles ist machbar – „Manchmal kamen auch Ideen, die datenschutzrechtlich nicht umsetzbar waren“, erinnert sich Idelbi. Auch der Notruf bei der Polizei muss ein Anruf sein und kann nicht über eine Benachrichtigung aus der App eingebaut werden – die Möglichkeiten haben Idelbi und Reker gerade mit Ansprechpartnern bei der Polizei NRW ausgelotet.

Wer sich für die Selbstständigkeit begeistert, kann sich bei der IHK Nord Westfalen umfangreich beraten lassen: Über die Erstinformation, die Erstellung des Businessplans bis hin zum E-Learning bietet die IHK mit ihren STARTERCENTERN NRW in Münster und Gelsenkirchen ein umfangreiches Unterstützungsangebot.
Der Bedarf für die App ist offensichtlich groß: Allein bei Tiktok hat SafeSpace 16.000 Follower, die dort geposteten Videos bekommen auch mal 100.000 Aufrufe. Zwar sind fast 9 von 10 SafeSpacern Frauen, aber auch einige Männer fühlen sich auf bestimmten Wegen unwohl, zum Beispiel, weil sie oft nachts unterwegs sein müssen und vielleicht schon mal zusammengeschlagen wurden. Also musste überlegt werden, wie beiden Bedürfnissen entgegengekommen werden kann. Denn viele Frauen möchten nicht im Community-Call mit Männern telefonieren oder womöglich von ihnen lokalisiert werden können.

Monetarisierung folgt

Nour Idelbi (r.) und Joline Reker.
Bei Tiktok hat SafeSpace 16.000 Follower, die dort geposteten Videos bekommen auch mal 100.000 Aufrufe. © Möller/IHK Nord Westfalen
Im nächsten Schritt werden Idelbi und Reker das Produkt auch monetarisieren können – beispielsweise mit Premium-Funktionen. Reker sieht „Festivalveranstalter oder Arbeitgeber als potenzielle Kunden“, aber natürlich auch die Eltern junger Frauen und Männer, die oft nachts – ob in der Freizeit oder für die Arbeit – unterwegs sind.
Dann wird das Unternehmen auch eines im klassischen Sinne sein – ein Unternehmen mit dem Ziel, Gewinne zu erwirtschaften. Bisher stand für Idelbi allerdings der Netzwerkgedanke, die Community und ihre Anliegen im Vordergrund – ein Business-Ansatz, den sie an vielen Hochschulen vermisst.
Unterstützung haben die Unternehmerinnen schon reichlich bekommen – auch wenn Idelbis Eltern zunächst mehr an ihrem Abitur interessiert waren. „Wenn wir über 100.000 Nutzerinnen und Nutzer haben“, vermutet Idelbi, wird ihr Vater, selbst Geschäftsführer in einem „klassischen“ Unternehmen, die Firma richtig wahrnehmen.
Dabei denken sie und Reker schon an die nächsten Schritte: „Wir ergänzen die App derzeit“. Denkbar sind verbundene Hilfsmittel, wie beispielsweise eine Halskette oder Uhr mit einer Notruf-Funktion. Die Community hat auch Ideen, wie die App helfen kann, das umgreifende gesellschaftliche Problem der Einsamkeit anzugehen.
Das Produkt: SafeSpace
Kern der App ist ein Ampelsystem. Nutzerinnen (87 Prozent sind derzeit Frauen) können in unsicheren Situationen die Ampel auf gelb schalten, damit werden Informationen an die zuvor hinterlegten Notfallkontakte geschickt, und es gibt die Möglichkeit zum Community-Call. Es steht also jemand aus der Community der Nutzerinnen und Nutzer zum Telefonieren bereit, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Gleichzeitig kann bei Bedarf eine Audio-Aufzeichnung laufen.
Wird die Ampel auf rot geschaltet, werden die Notfallkontakte auch informiert, wenn sie ihr Handy auf „nicht stören“ oder den Flugmodus geschaltet haben. Auch der Notruf 110 wird hier integriert.
Bisher laufen zwei Testversionen der App, in Kürze wird es einen Relaunch in den Stores geben.
SafeSpace ist einer von 32 „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland“ für 2023/2024. Die durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vergebene Auszeichnung ehrt Menschen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, die Mut und Engagement zeigen.