Gründerinnen im Fokus

Es gibt Unterschiede zwischen Gründungen von Frauen und Männern. Was sich nicht unterscheidet: Auch Frauen brauchen Vorbilder, Netzwerke und Finanzierung. | Text: Prof. Dr. Christine Volkmann
Existenz- und Start-up-Gründungen sind ein wichtiger Motor für die Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Digitalisierung in Deutschland. Laut dem Start-up Monitor 2020 beschreiben Existenzgründungen hierbei die klassische berufliche Selbstständigkeit, wohingegen Start-up-Gründungen von innovativen und skalierbaren Geschäftsmodellen ausgehen, ein starkes Umsatzwachstum aufweisen und jünger als zehn Jahre sind.
Derzeit liegt der Anteil an Gründerinnen im Bereich der Existenzgründungen bei 36 Prozent, wie der KfW-Gründungsmonitor 2020 berichtet. Deutlich geringer fällt der Anteil bei Start-up- Gründungen aus. Dieser liegt derzeit bei 15,9 Prozent und ist seit 2016 nur marginal gestiegen, so der KfW-Gründungsmonitor 2020. Nordrhein-Westfalens Anzahl an Gründerinnen liegt mit 12,9 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt. Das Land hat daher verschiedene Initiativen und Maßnahmen beschlossen, um die Anzahl an Gründungen durch Frauen bis 2025 maßgeblich zu steigern.
Start-ups sind aufgrund ihres hohen Innovations- grades und Technologiebezugs deutlich stärker akademisch geprägt als andere Formen der Unternehmensgründung. Es ist daher nicht verwunderlich, dass 83,9 Prozent der Start-up-Gründer:innen einen akademischen Abschluss haben. Dabei fällt ein Großteil der Studienabschlüsse der Gründerinnen in die Bereiche der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sowie in das Gesundheits- und Bildungswesen.

Gesundheit, Bildung, Konsumgüter, Mode

Gründerinnen der Start-up Branche wählen häufig ein „Business to Consumer“-Geschäftsmodell im Be- reich Gesundheit, Bildung oder Lifestyle – insbesondere Konsumgüter und Mode. Sie sind stärker im Onlinehandel vertreten. Aktuelle Untersuchungen des Female Founders Monitors 2020 zeigen, dass die Corona-Pandemie die Nachfrage nach digitalen Gechäftsmodellen erhöht hat. Besonders die Bildungs- und Konsumgüterbranchen, in denen mehrheitlich Frauen gründen, profitierten bis dato von der Pandemie. Gründungsmotive sind das Ergebnis der Lebensumstände, Ausbildungserfahrung, Einflüsse medialer Vorbilder und der Präsenz von Gründerinnen. Dabei beschreiben die Lebensumstände zum Beispiel den Familienstand, den Berufsstatus, die Nachfolge im Familienbetrieb etc.

Netzwerke fehlen

Gründerinnen fürchten nicht häufiger als Gründer den Schritt in die Selbstständigkeit. 63 Prozent aller Gründerinnen würden – trotz einer möglichen Angst vor dem Scheitern – den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Männer sind aber statistisch signifikant häufiger als Frauen der Überzeugung, die notwendigen Fähigkeiten und Erfahrungen zu besitzen (54 Prozent versus 37 Prozent ), so der Global Entrepreneurship Monitor (2020). Ebenso geht daraus hervor, dass Wohlstand und höheres Einkommen in Deutschland für die meisten Gründerinnen und Gründer keine zentrale Rolle spielen.
Wie oben beschrieben, sind Gründerinnen im Bereich der schnell wachsenden und innovativen Start-up- Gründungen nach wie vor deutlich unterrepräsentiert. Die potenziellen Gründe hierfür sind vielfältig. Als ein wesentlicher Grund sticht das persönliche Netzwerk heraus. Der Female Founders Monitor (2020) unter- suchte in diesem Zusammenhang die Bewertung des Start-up-Ökosystems von Frauen und Männern und stellte fest, dass dieses von Gründerinnen deutlich schlechter als von Gründern bewertet wird. Ein positives Umfeld und ein Netzwerk sind jedoch nicht nur relevant für potenzielle Geschäftsbeziehungen, sondern auch, um sich auszutauschen und zu ermutigen. In diesem Zusammenhang spielen auch weibliche Vorbilder eine zentrale Rolle.
Während es eine Vielzahl an männlichen Gründungsvorbildern gibt, fehlt es an sichtbaren und nahbaren weiblichen Vorbildern für potenzielle Gründerinnen. Ursächlich hierfür ist zum Beispiel auch das Bild eines erfolgreichen Unternehmers, der mit männlich- assoziierten Attributen beschrieben wird. Aus einem fehlenden Netzwerkzugang von Gründerinnen resultiert häufig auch ein erschwerter Zugang zu Finanzierungsquellen (Female Founders Monitor, 2020). Als ein Grund hierfür ist der „same-gender effect“ anzuführen, welcher die Priorisierung von Gründern durch Investoren (insbesondere auch von Venture Kapitalgebern) beschreibt. Dieser Effekt konnte aufgrund von zu wenigen existierenden Investorinnen (Venture Kapitalgeberinnen) bislang zumeist nicht ausgeglichen werden. Infolgedessen sind Netzwerke für eine Gründung wesentlich, um weibliche Vorbilder sichtbar zu machen, Zugänge zu Kapitalgeber: innen zu ermöglichen und Unterstützerinnen zu finden. Ein positives Beispiel für die Bewegung im Ökosystem ist der kürzlich erfolgte Zusammenschluss von rund 60 Top-Managerinnen Deutschlands. Der daraus resultierende Encourage Ventures e.V. hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, Gründerinnen sichtbarer zu machen und die Investorinnen-Landschaft diverser zu gestalten.
Das NRW-Wirtschaftsministerium fördert derzeit verschiedene Projekte, um den Anteil von Gründe- rinnen zu erhöhen. Darunter ist das Projekt FACE (Female Academics @RUB) an der Ruhr Universität Bochum sowie das Projekt WES (Women Entrepreneurs in Science) der Bergischen Universität Wuppertal.

Gründungskultur an Hochschulen

Die aufgezeigten Initiativen des Landes NRW im Hin- blick auf Start-up-Gründungen durch Frauen sollen vor allem auch helfen, Akteurinnen im Gründungskontext für die Diversität von Gründungspersönlichkeiten zu sensibilisieren, um eine langfristige Veränderung in der Gründungskultur an Universitäten und Hochschulen und ihren Start-up-Ökosystemen zu erzielen. In diesem Kontext können beispielsweise auch Unternehmerinnen als Vorbilder nahbarer und präsenter werden, Investorinnen in Finanzierungs- runden eingebunden sowie weibliche Keynote- Speaker und Jurymitglieder für Pitch-Events gewonnen werden.
Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass die Gründerinnen in Deutschland aufgrund der Historie und einiger Barrieren im Start-up-Bereich unterrepräsentiert sind. Die vom NRW-Wirtschaftministerium geförderte Initiative ‘Women Entrepreneurs in Science’ soll etwa dazu dienen, den Anteil an Gründerinnen an Universitäten und Hochschulen in NRW zu erhöhen. Dabei ist es ein wesentliches Ziel, Akteurinnen der Gründungsszene im Hochschulkontext zu vernetzen. In diesem starken Netzwerk der Hochschulen werden gründungsinteressierte Frauen und Gründerinnen auf ihren Wegen vor, während und nach der Gründung unterstützt.
Prof. Dr. Christine Volkmann
Hat den Lehrstuhl für Unternehmensgründung und Wirtschaftsentwicklung an der Bergischen Universität Wuppertal. Ihr Projekt „Women Entrepreneurs in Science“ wird im Zuge der Initiative „Exzellenz Start-up Center. NRW“ mit insgesamt 1,86 Millionen Euro gefördert.