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Der Weg der Volontärin
Tatjana Hetfeld hat das Zeug zur Unternehmerin, aber kein Unternehmen. Ihr Chef hat eine Idee, was „Mann“ da machen kann. | Text: Dominik Dopheide
Dass mehr Männer Frauen den Raum geben, um an die Spitze eines Unternehmens zu kommen“, wünscht sich Tatjana Hetfeld, „sowie mir das mein Kollege ermöglicht hat.“ Seit Jahresbeginn ist die Journalistin Gesellschafterin der RDN Agentur für Public Relations GmbH & Co. KG – als gleichberechtigte Partnerin von Stefan Prott, der das Unternehmen im Jahr 2000, als Nachfolger von Renate de Negri, übernommen hat. Angefangen hat Tatjana Hetfelds Aufstieg mit einem Redaktionsvolontariat. Dass ihr Weg von einer Initiativbewerbung bis ganz nach oben führen würde, hätte sie sich mit Mitte 20 nicht träumen lassen. Zum Träumen blieb ihr damals aber ohnehin keine Zeit. „Ich habe schon früh Verantwortung übernehmen dürfen, mein Chef hat mir das zu- getraut“, erzählt Tatjana Hetfeld. Stefan Prott hat im Laufe der Jahre immer deutlicher erkannt, dass seine Mitarbeiterin vieles mitbringt, das eine Unternehmerin braucht – zum Beispiel Mut und Gestaltungskraft, eine hohe Resilienz und das Talent, andere zu motivieren. Warum also nicht schon früh die eigene Nachfolge vorbereiten?
Stefan Prott und seine Nachfolgerin Tatjana Hetfeld.
Vor gut sechs Jahren also wird die Journalistin Führungskraft und übernimmt die Agenturleitung. Rund drei Jahre später tritt sie, noch im Angestelltenverhältnis, in die Geschäftsführung ein. Dann wird sie Gesellschafterin. Ein mutiger Schritt, finden Familie und Freundeskreis, die, wie die Unternehmerin erklärt, mit dem Thema Selbstständigkeit nicht vertraut sind. Gleichwohl erhält sie viel Zuspruch aus ihrem Umfeld. Nur eine Frage lässt sie aufhorchen: „Ach, willst du gar keine Kinder?“. „Die Vorstellung, dass Unternehmerinnen auf Kinder verzichten müssen, sitzt drin in unserer Gesellschaft“, bedauert die Agenturchefin. Von der Politik fordert sie, die Rahmenbedingungen für Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Beides zu managen, schließt sich ihres Erachtens nicht aus. „Ich gehöre zu den Menschen, die sagen, dass alles möglich ist“, erklärt Tatjana Hetfeld, die sich grundsätzlich lieber von Chancen leiten lässt, als vom Szenario des Scheiterns. Genau deshalb hat sie nicht gezögert, bei RDN als Gesellschafterin einzusteigen. „Ich hatte nie Angst vor Herausforderungen“, sagt sie. Und wenn doch mal etwas schiefläuft? „Dann lerne ich daraus und konzentriere mich auf die nächsten Aufgaben, um es später besser zu machen“, antwortet sie.
Schlüsselwort Selbstbewusstsein
Noch viel mehr Frauen müssen ein solches Selbstbewusstsein im Berufsleben entwickeln, damit in Führungsetagen paritätische Verhältnisse selbstverständlich werden, ist sich die Unternehmerin sicher. Manches Mal hat sie erlebt, dass Fachkolleginnen eher Zweifel an ihrer Leistung hegen als Fachkollegen. „Das finde ich schade und versuche, soweit es mir möglich ist, zu bestärken und zu unterstützen“, sagt sie. So engagiert sich Tatjana Hetfeld beispielsweise im Netzwerk „Soroptimist international“. Die Organisation setzt sich unter anderem für Bildungsgerechtigkeit ein und fordert,
dass mehr Frauen für Leitungsaufgaben qualifiziert werden. Auch in Deutschland sei das nach wie vor ein Thema. „Stefan Prott hat mir die Chance gegeben, mich zu entwickeln, aber ich glaube nicht, dass das überall so läuft“, sagt die geschäftsführende Gesellschafterin, die noch keine Sekunde bereut hat, RDN-Mitinhaberin zu werden.
„Das ist schon etwas anderes, als die Geschäftsführung im Angestelltenverhältnis, weil ich ja, noch freier und flexibler gestalten kann – das finde ich toll“, er- klärt sie. Ganz im Alleingang allerdings fällt sie ihre Entscheidungen nicht, denn grundsätzlich ist ihr der Gedankenaustausch wichtig. So hat sie vor ihrem Einstieg als Gesellschafterin bei RDN mit Beratern der IHK über das Thema folge gesprochen und auch die Meinungen von Familie und Freunden eingeholt. Fortführen will sie auch den engen Dialog mit ihrem Team. „Das Schöne ist
dass ich dessen Perspektive gut nachvollziehen kann, weil ich selbst lange Arbeitnehmerin war“, sagt Hetfeld. Ihr Tipp für angehende Chefinnen: Be- raten lassen ja, beirren lassen nein. Auf den Rat von Stefan Prott jedenfalls wird sie auch dann nicht verzichten müssen, wenn der Gründer sich in ein paar Jahren, wie geplant, aus der Agentur zurückgezogen hat, um sich ganz dem RDN-Verlag zu widmen. Mit einem guten Gefühl, ja auch mit Stolz, erklärt die 39-Jährige, blicke sie der Aufgabe entgegen, die Agentur allei- ne zu lenken. „Traut euch, es macht viel Freude“, empfiehlt sie Frauen, die eine Nachfolge erwägen. Stolz sein kann auch Stefan Prott. Nur 16,8 Prozent der KMU in Deutschland haben, laut KfW Mittelsandspanel für das Jahr 2020, eine Frau an der Spitze. Hier wird, trotz der wachsenden strukturellen Nachfolgelücke, ein großes Führungspotenzial nicht aktiviert. Die RDN Agentur für Public Relations steuert gegen und trägt dazu bei, dass Wirtschaft weiblicher wird.
(September 2021)
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Redaktion Wirtschaftsspiegel