„Self-care ist Business-care“

Anna Kemper verwandelt mit DAILYSOCKS Socken und Strümpfe in modische Statements. Kurz vor der Corona-Pandemie gründete sie ihr Unternehmen und gab dafür alle Sicherheiten auf. Im Gespräch erzählt sie von Wendepunkten, riskanten Entscheidungen und einem Credo, das sie antreibt.
Anna Kemper
Anna Kemper, Gründerin von DAILYSOCKS aus Wettringen. © DAILYSOCKS
Wirtschaftsspiegel: Frau Kemper, was war der Wendepunkt Ihrer beruflichen Laufbahn – und was haben Sie daraus gemacht?
Anna Kemper: Der Wendepunkt war, als ich mit meiner Tante Marlene in Portugal zusammensaß. Sie hatte jahrzehntelang Socken für Marken wie Tom Tailor oder Bugatti entworfen. Ein Kunde entschied sich damals, unsere besonders schönen Entwürfe für Glitzer-Lurex-Söckchen nicht ins Programm zu nehmen. Stattdessen setzte er auf Standardsocken. Da haben wir uns gefragt, warum wir nicht einfach mit einem eigenen Unternehmen unsere Entwürfe umsetzen. Mit mehr als 30 Jahren Sockenexpertise im Rücken kannten wir uns sehr gut aus mit den unterschiedlichsten Strickarten und Fertigungstechniken. Wir kannten das Produkt in- und auswendig. Und wir hatten den Zugang zu den portugiesischen Fabriken, in denen die Socken gefertigt werden. So konnten wir alles anbieten – von feinen Cozy-Socks über Retro-Tennissocken bis hin zu Stopper-Socken mit Sprüchen.
Wirtschaftsspiegel: Welche Entscheidung war besonders mutig – und warum war sie notwendig?
Kemper: Kurz vor Corona habe ich alle Kunden abgegeben und alles auf das junge DAILYSOCKS gesetzt. Ich war überzeugt: Es wird nur etwas, wenn ich mich voll darauf konzentriere. Im Nachhinein war es sehr riskant für das Unternehmen – aber auch notwendig. Auch später musste ich mutige Entscheidungen treffen: Wir brauchten ein neues ERP-System. Ich habe dann mitten im Wachstum den Fulfillment-Dienstleister gewechselt, eine neue Softwarelösung eingeführt, die alle wichtigen Geschäftsprozesse wie Einkauf, Produktion, Vertrieb und Finanzen verbindet und dadurch die Planung und Steuerung der Unternehmensressourcen optimiert. Kurzfristig hat das unser Team überfordert und den Cashflow belastet. Aber es war die einzige Chance für den nächsten Wachstumsschritt.
Wirtschaftsspiegel: Wovon waren Sie überzeugt – und denken heute anders?
Kemper: Ich habe meinen Mitarbeitern immer einen großen Vertrauensvorschuss gegeben. Ich dachte, Begeisterung reicht, das Leuchten in den Augen trägt. Leider wurde das Vertrauen schon oft ausgenutzt. Ich musste Mitarbeiter entlassen – das hat mich verändert. Heute bin ich kritischer.
Wirtschaftsspiegel: Was hat Sie beruflich geprägt, obwohl es gar nicht zur Karriereplanung gehörte?
Kemper: Viele Frauen wissen nicht, wie sie DAILYSOCKS kombinieren können. Also habe ich schon öfter Modenschauen organisiert – mit 50 Kundinnen, einer Styling-Beraterin. Diese Abende hatten eine Energie, die weit über das Produkt hinausging. Sie haben gezeigt: Es geht um Lifestyle, Empowerment, Gemeinschaft. Ich möchte das im nächsten Jahr größer aufziehen.
Wirtschaftsspiegel: Was können andere von Ihnen lernen, das in keinem Businessratgeber steht?
Kemper: Self-Care ist Business-Care. Ich denke rund um die Uhr an Socken. Gleichzeitig bin ich Mutter von zwei Töchtern. Da ist es wichtig, bewusst Dinge für mich zu tun – ob Tennis am Freitagnachmittag oder der Friseurtermin mitten in der Woche. Das entspannt mich, macht mich ausgeglichener – und tut so auch dem Business gut.
Wirtschaftsspiegel: Gibt es eine Regel in Ihrer Führungsarbeit, von der Sie nie abweichen?
Kemper: Ich habe meinen Führungsstil noch nicht gefunden. Ich probiere aus, mache Fehler, bin enttäuscht worden. Aber ich suche weiter nach dem Weg, der für mich passt.