Praxis & Ratgeber

Was ist Ihr Job, Simon Entemeier?

Wenn ich abends die Tagesschau gesehen habe, weiß ich manchmal schon, wie der nächste Arbeitstag laufen wird. Denn wenn zum Beispiel Frachtschiffe auf der Route durch den Suez-Kanal bedroht sind, rufen zahlreiche Unternehmer und Exportmitarbeiter an und suchen Beratung. | Text: Ingrid Haarbeck
Aber der „Löwenanteil“ Ihrer Arbeitswoche ist ein anderer, richtig?
Entemeier: Ja, ein Großteil der Arbeitszeit nimmt die Ausstellung von Außenwirtschaftsdokumenten ein, die meine Kolleginnen und Kollegen und ich ausfertigen. Ich kümmere mich hauptsächlich um Ursprungszeugnisse. Ein Ursprungszeugnis – kurz UZ - weist das Ursprungsland einer Ware nach, das kann ein EU-Ursprung oder ein Drittlandsursprung sein. Waren bestimmter Herkunft unterliegen womöglich Importbeschränkungen oder Antidumping-Maßnahmen, deshalb werden diese Dokumente von den Zollbehörden der Importstaaten verlangt. Ein UZ dient aber auch der Zahlungsabwicklung, wenn zum Bespiel ein Bankenakkreditiv die Vorlage eines UZ vorschreibt.
Rund 90 Prozent der Anträge werden inzwischen digital gestellt. Wenn die IHK den Antrag bewilligt, kann der Betrieb das Dokument selbst ausdrucken, zurzeit noch auf speziellen Formularen. Die IHK-Organisation arbeitet aber schon an einer vollständig digitalisierten Lösung. Die digitale Antragstellung spart auf Seiten der Unternehmer aber schon jetzt erheblich Bearbeitungszeit und Anfahrtszeit.
Die IHK fördert die gewerbliche Wirtschaft und erledigt anstelle des Staates hoheitliche Verwaltungsaufgaben, so regelt es das IHK-Gesetz. Aber was heißt das konkret,  woran arbeiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der IHK Nord Westfalen? – Im Wirtschaftsspiegel berichten einige aus ihrem Arbeitsbereich, hier Simon Entemeier aus dem Team International.
Bei meinem Vorgänger standen hier morgens um halb acht schon ein paar „Stammkunden“ vor der Tür, die für ihre Firmen die Ursprungszeugnisse des Tages beantragten und zur Firma brachten.
Bei bis zu 50 000 Ursprungszeugnissen jährlich kommt da einiges zusammen. Allerdings spiegelt auch diese Zahl weltpolitische Entwicklungen. Wenn die afrikanische Schweinepest in Europa Schlagzeilen macht, dann benötigt hier auch niemand UZ für den Schweinefleisch-Export nach China, weil die Chinesen die Einfuhr von Schweinefleisch dann verbieten.
Wenn ein Ursprungszeugnis nicht vorliegt, kann es passieren, dass die Ware im Zoll des Einfuhrlandes hängen bleibt. Dies kostet Geld oder im schlimmsten Fall verdirbt die Ware. Oftmals liegt der Fehler darin, dass beispielsweise in einem Dokument das falsche Gewicht angegeben wurde, da bei der Verladung nicht der komplette Auftrag abgewickelt wurde. Auch da können wir helfen, indem wir eine Erklärung der Firma bestätigen, die den Fehler erläutert. Da kann dann ein amtlicher Stempel der IHK die Gemüter beruhigen.

Und welche Dokumente stellen Sie hier noch aus?

Entemeier: Neben Ursprungszeugnissen müssen beim Export oft noch weitere Dokumente vorgelegt werden. Wir bescheinigen beispielsweise auch Handelsrechnungen. Oder auch die Einladungsschreiben, wenn beispielsweise ein ausländischer Geschäftspartner oder potenzieller Mitarbeiter ein Visum für den Besuch in Deutschland beantragen muss.

Oft wird auch Ihre Beratung gesucht – haben die exportierenden Unternehmen diese Export-Expertise nicht selbst?

Entemeier: Die Ansprechpartner in vielen Firmen kennt man aus der täglichen Praxis schon sehr gut und hat ein vertrauensvolles Verhältnis entwickelt. Aber es gibt eben auch viel Fluktuation. Damit geht in den Betrieben viel Erfahrung verloren, die man in diesem Bereich braucht, um alle Fallstricke zu erkennen.
Besonders dankbar für unsere Beratung sind aber die Unternehmen, die erstmals in ein Drittland exportieren, und davon gibt es immer wieder einige.
Und allein eine entsprechende Ausbildung macht einen noch nicht zum Experten des Zoll- und Außenwirtschaftsrechts - Das kann ich mit Sicherheit sagen, denn ich bin selbst gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann, und lerne hier noch täglich dazu.
Beratungsbedarf besteht beispielsweise, wenn eine kleine Firma spezielle Teile an eine größere Firma liefert und dafür versichern soll, dass die Waren nicht in der Dual Use Liste gelistet sind. Es gibt Waren mit einem sogenannten doppelten Verwendungszweck. Ein Beispiel wären bestimmte Frequenzumwandler. Diesen kann man in Maschinen verbauen aber auch militärisch nutzen.  Dann erklären wir, was das heißt und wie ich beim BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) nachschauen kann, ob das Produkt unter die Exportkontrolle fällt, ob es länder- oder personenbezogene Embargos gibt oder Ähnliches. Seit dem Beginn des Ukraine-Krieges und seit den Sanktionen gegen Russland gibt es hierzu viele Fragen.
Außenwirtschaftsdokumente
Etwa 28 000 Ursprungszeugnisse jährlich stellte die IHK Nord Westfalen im Jahr 2023 für die Firmen der Region aus. Dazu kamen noch über 500 Carnets und über 6000 sonstige Bescheinigungen.

All diese Dokumente fallen in den hoheitlichen Bereich der IHK, das heißt, hier übernimmt die IHK Aufgaben, die der Staat ihr übertragen hat. Die Expertise der Außenwirtschaftsabteilung wird auch genutzt für die Beratung der Firmen, für Informationsveranstaltungen der IHK zu außenrechtlichen und zollrechtlichen Fragen sowie für die Interessenvertretung: Probleme, die im täglichen Geschäft der Firmen auffallen, werden von den IHKs über die DIHK weitergegeben in die politischen Entscheidungsprozesse in Berlin und Brüssel.