Praxis & Ratgeber

Preisfindung mit Punktlandung

Unternehmen in gute Hände abzugeben: Diese Meldung werden laut KfW-Mittelstandspanel 2016 bis zum Jahr 2019 deutschlandweit rund 15 Prozent aller Mittelständler machen. Klassischer Knackpunkt, an dem Verkaufsvorhaben scheitern können, ist die Preisfindung. Laut DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2016 rufen nicht weniger als 44 Prozent der Alt-Inhaber eine – gemessen am Marktumfeld – zu hohe Summe auf. Gut, dass der ehemalige Geschäftsführer der Kock GmbH, Rolf Kock, nicht zu ihnen gehört. Denn somit liefert er die Grundlage für eine Erfolgsstory, die in der IHK-Geschäftsstelle in Münster Anfang nimmt. Hier meldet sich Rolf Kock im (Monat) 2016 – auf der Suche nach dem passenden Nachfolger. Hier klopft auch Heike Lewedag an. Sie will über den Nachfolgerclub der IHK Nord Westfalen ein Unternehmen finden, das zur Übergabe bereit steht. Beide zusammenzubringen, lag für Michael Meese und Christian Seega buchstäblich nahe: Die Kock GmbH wie auch Heike Lewedag sind in Lengerich ansässig.
​​​​​​​Von der fachlichen Qualifikation der angehenden Unternehmerin voll überzeugt, fackeln die beiden IHK-Experten für Nachfolgethemen nicht lange und bringen im Gespräch mit Lewedag sofort die Kock GmbH ins Spiel. Dann geht alles ganz schnell. Zuerst das Blind Date: „Ich hatte beim Gespräch mit Frau Lewedag sofort das Gefühl, dass die Chemie stimmt, dass es mit der Nachfolge etwas werden kann“, erzählt Rolf Kock. Punkten kann die potenzielle neue Geschäftsführerin unter anderem mit ihren unternehmerischen Zielen. „Es haben mich auch Interessenten angesprochen, die offensichtlich nur am Know-how des Unternehmens, nicht aber am Erhalt von Standort und Arbeitsplätzen interessiert waren“, schildert Kock seine Erfahrungen und fährt fort: „Ich möchte aber, dass die Kock GmbH weitergeführt wird und die Mitarbeiter an Bord bleiben.“ Nach 34-jähriger Tätigkeit im Unternehmen ist es ihm einfach ans Herz gewachsen. Der Gedanke ans Loslassen fällt ihm nun leichter, da er seine wichtigsten Kriterien für Nachfolgeregelung, nämlich Standort- und Arbeitsplatzerhaltung, erfüllt sieht.
„Ich wusste, dass Frau Lewedag nicht zumachen und mit den Maschinen etwa nach Bayern ziehen wird“, blickt Kock auf das Gespräch zurück. „Ich bin ja ein Lengericher Kind“, bestätigt Lewedag. „Ich kannte ihren Vater und sein Unternehmen“, fügt wiederum Kock hinzu. Aber reicht das alles aus, um auch bei der Preisfindung auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen? Michael Meese und Christian Seega haben zum Thema Nachfolgeregelung viele Tipps auf Lager. Einen geben sie, wie in jedem Fall, auch in diesem: Bitte auch externe Experten konsultieren!

Bewertung mit Methode

„Alleine kann man sein eigenes Unternehmen gar nicht bewerten, weil man den Preis immer zu hoch ansetzen würde“, bestätigt Kock. „Um eine objektive Beurteilung zu gewinnen, habe ich Wirtschaftsprüfer aus einem Steuerbüro einbezogen, mit dem ich seit 40 Jahren zusammenarbeite“, berichtet er weiter. Danach ist Lewedag am Zug: „Ich habe die Zahlen, die Herr Kock gesendet hatte, im stillen Kämmerlein nach bestimmten Unternehmensbewertungsmethoden noch einmal durchgerechnet“, schildert sie das Vorgehen. Nach Lehrbuch definiert Lewedag den Ertragswert, der auf den Gewinnen der vergangenen Jahre basiert, sowie den Substanzwert, der auch Innovationskraft und Marktperspektiven der Kock GmbH widerspiegelt. Ihr Fazit fällt durchweg positiv aus: „Eine gute Marktposition, auf der man aufbauen kann, ein fester Kundenstamm, eine gute Kundenstruktur, großes Know-how in der Fertigung und ein Standort mit bester Verkehrsinfrastruktur“, zählt Lewedag auf. Obwohl die Diplomkauffrau Bewertungsmethoden aus dem Effeff beherrscht, zieht schließlich auch die Nachfolgerin in spe noch externe Experten zu Rate. „Ich habe die Ergebnisse von meinem Steuerbüro überprüfen lassen und eine Bestätigung erhalten“, erzählt Lewedag. Im Ergebnis ist die größte Hürde der Nachfolgeregelung ausgeräumt. Genau genommen wurde sie gar nicht erst aufgebaut: Weil alle Beteiligten, inklusive der externen Experten, in der Bewertung des Unternehmens 100prozentig übereinstimmen, wird der Kaufvertrag sofort unterzeichnet und die gewonnene Zeit in den weiteren Übergabeprozess gesteckt. So entwickelt Lewedag unter anderem den Liquiditätsplan sowie die Situationsbeschreibung für den Darlehensantrag bei der KfW-Bank.

Bei Anruf Rat

Rolf Kock zieht nicht sofort komplett aus dem Tagesgeschäft zurück. Beinahe täglich ist er vor Ort, um Heike Lewedag in der Einarbeitungsphase zu unterstützen, künftig will er die Präsenszeit reduzieren. „Ich wusste, dass viel Stoff zu vermitteln ist, und habe von Beginn an geplant, rund zwölf Monate als Ratgeber zur Verfügung zu stehen“, sagt er. Genauso hätte er es gehandhabt, wenn eines seiner Kinder die Nachfolge angetreten hätte. „Die haben aber von ihrem beruflichen Werdegang andere Vorstellungen“, erklärt Kock. Gerne gibt er nunmehr Firma und Fachwissen an eine Unternehmerin weiter, die er auch persönlich schätzt. „Wir haben ein absolutes Vertrauensverhältnis“, beschreibt Heike Lewedag die Basis für eine beinahe perfekte Nachfolge. Nur beinahe? Lange müssen Rolf Kock und Heike Lewedag überlegen, bevor ihnen etwas einfällt, das besser hätte laufen können. „Plötzlich war Weihnachten, deshalb hat die Bearbeitung des Darlehensantrages bei der Bank länger gedauert, wodurch sich der Wechsel der Geschäftsführung um ein paar Wochen verschoben hat“, meldet sich schließlich Lewedag zu Wort. Doch sind sich alle Beteiligten einig: Auch nach dem Fest stand die Übergabe unter einem guten Stern.