Praxis & Ratgeber

„Türöffner“ für den passenden Azubi

Den richtigen Auszubildenden zu finden, kann aufwändig sein. Die „Passgenaue Besetzung“ der IHK sieht sich hier als „Türöffner“ für Azubis und unterstützt Unternehmen, die richtigen Kandidatinnen oder Kandidaten für sich zu gewinnen. | Text: Tobias Hertel
Unternehmen weltweit und Behörden in Deutschland, Österreich und der Schweiz gehören zu den Kunden der AlphaLing GmbH. Von Warendorf aus beschäftigt das Büro knapp 1400 Dolmetscher und Übersetzer sowie 38 IT-Spezialisten als Freiberufler. Außerdem greift Gründerin und CEO Kristine Soiron auf einen großen Pool von Konferenzdolmetschern zu. Ein internationales Umfeld, das auch für eine Ausbildung spannend ist.
Die ersten beiden Absolventinnen haben ihren Berufsabschluss schon in der Tasche. Und mit Steven Brauner, einem angehenden Kaufmann für Büromanagement, ist der dritte Azubi bereits an Bord – wie seine beiden Vorgängerinnen vermittelt über die „Passgenaue Besetzung“ der IHK Nord Westfalen – auch mit Unterstützung der IHK-Ausbildungsberaterin Carolin Gieseler, berichtet Kristine Soiron.

Einblicke ins Unternehmen

Die Ausbildungsberaterin der IHK sei kurz nach der Gründung der Alpha Ling GmbH 2019 auf sie zugekommen, habe bei Formalitäten wie der Ausbilderprüfung geholfen. Positiver Nebeneffekt des intensiven Austausches: „Die IHK kennt unser Unternehmen und kann einschätzen, wer zu uns passt.“ Carolin Gieseler hält regelmäßig Kontakt und informiert über alle Neuigkeiten – und sie hat auch den direkten Draht zum Team der „Passgenauen Besetzung“ der IHK.
Das besteht aus Anke Sültemeyer, Maike Breuer und Niklas Ophey. Ruft bei ihnen ein Unternehmen auf Azubi-Suche an, erhält es umgehend Unterlagen möglicher Bewerberinnen und Bewerber. „Unser Angebot ist ein Service für die Firmen, um schneller und mit weniger Aufwand geeignete Auszubildende zu gewinnen“, erklärt Anke Sültemeyer. Die regelmäßigen Gespräche und Kontakte zu Betrieben sind für eine erfolgreiche Vermittlung besonders wichtig: „Wir fragen nach Besonderheiten in der Ausbildung und worauf es dem Unternehmen genau ankommt“, ergänzt Maike Breuer. Das schärft das Bild vom Anforderungsprofil und ermöglicht es dem geschulten Blick des IHK-Teams, passende Vorschläge für Bewerberinnen und Bewerber vorzulegen.

Vier Bewerbungen statt 40

Diesen Service nehmen auch gerne Unternehmen in Anspruch, die schon einige Jahre ausbilden. So wie die Consense Consulting GmbH mit 15 Beschäftigten aus Münster. Mit der klassischen Azubi-Akquise kam Geschäftsführer Gregor Christmann irgendwann nicht weiter. „Für Fachinformatiker für Systemintegration gab es früher 40 bis 50 Bewerbungen“, berichtet er. Gerade in der Corona-Zeit seien es gerade mal drei oder vier gewesen.
Das Angebot der „Passgenauen Besetzung“ empfindet der IT-Unternehmer als sehr unkompliziert. Ein zweiseitiger Fragebogen zum Start reichte, schon bekam er die ersten Bewerbungen auf den  Schreibtisch. Mit dem allerersten Kandidaten klappte es zwar nicht, dafür gewann er 2023, beim nächsten Anlauf, gleich drei neue Azubis. Ein angehender Fachinformatiker für Systemintegration macht gerade eine Schulung in Dänemark. Ein künftiger Anwendungsentwickler befindet sich in einer Einstiegsqualifizierung, an die sich im Juli eine reguläre Ausbildung anschließt.
Dritter im Bunde ist Baran Irmak. Der 17-Jährige aus Ahlen hat sich schon als Realschüler an einem IT-Startup versucht und in der neunten Klasse erste Web-Seiten entwickelt. Programmierer ist sein Traumberuf. Ein Ausbildungsplatz als Fachinformatiker Anwendungsentwicklung bei einem IT-Unternehmen in Münster schien deshalb das große Los. „Dort wurde ich aber nur im IT-Support eingesetzt“ – Drucker reparieren statt programmieren. Das war ihm anders versprochen worden, schon nach gut zwei Monaten stand für ihn fest: So geht es mit der Ausbildungnicht weiter.

Enttäuschungen vermeiden

Kein ungewöhnlicher Fall für das Programm „Passgenaue Besetzung“. Oft seien entscheidende Voraussetzungen im Vorfeld unklar, Stellenanzeigen verrieten wenig über die eigentliche Umsetzung der Ausbildung. „Eine falsche Berufswahl und Enttäuschungen auf beiden Seiten sind dann vorprogrammiert“, erklärt Anke Sültemeyer.
Baran Irmak wurde durch einen Berufsschullehrer auf die „Passgenaue Besetzung“ aufmerksam und wechselte im Oktober innerhalb einer Woche zu Consense Consulting. Auch Steven Brauner, der jetzt bei AlphaLing seine Ausbildung absolviert, hat durch einen Tipp eines Berufsschullehrers vom IHK-Service erfahren. Seine Geschichte liest sich ähnlich: Der 20-Jährige aus Ahlen war Auszubildender im Einzelhandel, dort „passte es nicht“, berichtet er. Mit der Vermittlung der IHK gelang der Wechsel zur Übersetzungs- und Dolmetscheragentur nach Warendorf schnell. Nach zwei Probetagen startete er im Oktober durch. Dort arbeitet er schon eigenständig an einem Projekt, das ebenfalls mit Sprachen zu tun hat, wenn auch Programmiersprachen: Er entwickelt eine Datenbank.
Schülerinnen und Schüler, motivierte, aber in ihrer aktuellen Stelle „falsche“ Azubis sowie Studienabbrecher sind gute Kandidaten für Unternehmen. Um die zu finden, arbeitet das Team der „Passgenauen Besetzung“ eng mit Schulen, Berufskollegs, Jobcentern und der Fachhochschule zusammen. „Viele Kontakte kommen zudem über Mund-zu-Mund-Werbung im Freundeskreis und in der Familie zustande“, erklärt Maike Breuer.

Was brauchen die Unternehmen?

Entscheidend für ein aussagekräftiges Anforderungsprofil ist für die „Passgenaue Besetzung“, was die Unternehmen brauchen. Bei Kristine Soiron und AlphaLing spielen zum Beispiel aufgrund der internationalen Belegschaft und Kundschaft sprachliche Fähigkeiten eine wichtige Rolle. Englisch auf B1-Niveau ist Voraussetzung, weitere Sprachen sind erwünscht. Nicht weniger wichtig sind ihr aber auch „Teamfähigkeit und Zuverlässigkeit, Service und Lösungsorientierung, demzufolge die Motivation und Flexibilität“.
Gern beschäftigt AlphaLing auch Auszubildende mit Migrationshintergrund. Sie werden ein Jahr gefördert, inklusive intensiver Sprachunterstützung, dann folgt die dreijährige Regelausbildung.
Wir möchten ein klares Zeichen setzen für Integration und Diversität in der Arbeitswelt. 

Kristine Soiron, Geschäftsführende Gesellschafterin, AlphaLing

Gregor Christmann achtet vor allem darauf, was Bewerberinnen und Bewerber schon in der Schulzeit gemacht haben. Erste unternehmerische Gehversuche wie die von Baran Irmak sind natürlich die Ausnahme, „aber Begeisterung für Computer, Netzwerke oder auch Spiele sollte schon da sein“, betont er.
Mit diesen Informationen gefüttert, erstellt die „Passgenaue Besetzung“ ein Anforderungsprofil für eine Vorauswahl. Einen Eindruck der Kandidaten gewinnt das Team aus den Bewerbungsunterlagen und aus persönlichen Gesprächen. „Wir bieten keine Berufsorientierung“, unterstreicht Maike Breuer. Es gehe mehr ums Feintuning. Bewerberinnen und Bewerber sollten also schon wissen, welche Richtung sie einschlagen möchten, und sie sollten auch Schwachstellen im Lebenslauf offenlegen.

Weniger Abbrecher

Die konkreten Bewerber-Fragen werden dann bei der „Passgenauen Besetzung“ geklärt: Welche Ausbildungsbetriebe gibt es für das Berufsziel, ist Team-Arbeit gewünscht, suchen Kandidaten eher kleine Betriebe oder große Unternehmen, welche Erfahrungen zum Beispiel aus Nebenjobs bringen sie mit? „Wir lernen die Stärken der Bewerber kennen und nehmen Kontakt zum passenden Betrieb auf“, erklärt Anke Sültemeyer. „Wir sind Türöffner“, bringt sie es auf den Punkt.
Dass die vom Bund geförderte „Passgenaue Besetzung“ wirklich passt, belegt die Statistik. Bis zu 25 Prozent der jungen Leute, die über übliche Verfahren ein Unternehmen gefunden haben, brechen ihre Ausbildung ab. Bei der passgenauen IHK-Besetzung schwankt der Wert zwischen fünf und sechs Prozent.
Auf der Homepage von Consense Consulting sind aktuell zwei Stellen für Auszubildende ausgeschrieben, über die Lehrstellenbörse ist die IHK ebenfalls an der Suche beteiligt. AlphaLing will im August gleich zwei Auszubildende einstellen. Kristine Soiron verlässt sich dabei erneut auf die „Passgenaue Besetzung“. „Dank der Vorauswahl der IHK sind wir sicher, nur die geeignetsten Bewerber zu bekommen, die zu uns passen“, betont die Unternehmerin.
Passgenaue Besetzung