Praxis & Ratgeber

Neues Jobticket erleichtert Umstieg

Das „Deutschlandticket Job“ soll es Berufspendlern erleichtern, auf Bus und Bahn umzusteigen. Zuschüsse des Arbeitgebers schaffen Anreize, die Verkehrsbetriebe sind mit dem Start des Tickets zufrieden. | Text: Tobias Hertel
Seit mehr als eineinhalb Jahren gibt es das Deutschlandticket Job, das das bekannte „Jobticket“ weitgehend ersetzt hat. Für Daniel Janning ist das Angebot „ein wichtiger Baustein des betrieblichen Mobilitätsmanagements“. Die Frage, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stressfrei, günstig und nachhaltig zur Arbeit kommen, ist dabei nur ein Aspekt. Der Mobilitätsexperte der IHK Nord Westfalen denkt zudem an neue Optionen für Unternehmen: Werde der ÖPNV auch dank vergünstigter Tickets attraktiver als der eigene Pkw, könnten sie bisher als Parkplätze genutzte Flächen für andere Zwecke umwidmen. Voraussetzung sei natürlich, dass ein entsprechendes ÖPNV-Angebot in der Nähe vom oder direkt am Betriebssitz vorhanden ist. Hieran scheitere es jedoch häufig außerhalb der Städte und Ballungsräume. Dennoch sei das Deutschlandticket Job für viele Betriebe „ein zusätzliches Benefit und eine gute Möglichkeit, attraktiv für Fachkräfte zu sein“, findet er.

Arbeitgeber übernimmt wenigstens 25 Prozent

49 Euro kostete das Ticket bis Ende vergangenen Jahres, zum 1. Januar ist der Preis auf 58 Euro gestiegen. Unternehmen übernehmen wahlweise den kompletten Betrag oder einen Anteil, mindestens 25 Prozent. Die Verkehrsbetriebe steuern weitere fünf Prozent bei. Dank der überregionalen Gültigkeit bietet sich die Fahrkarte nicht nur für den Weg zur Arbeit an. „Auch für Dienstfahrten ist sie interessant“, erklärt Janning. Nicht zuletzt profitieren Auszubildende, für die das „Deutschlandticket Job“ dank bundesweit möglicher Fahrten attraktiver ist als das auf NRW begrenzte Azubi-Ticket.
Das Ticket kann monatlich gekündigt werden, der Aufwand für die Unternehmen bleibt aus Sicht von Janning überschaubar. „Über einen Unternehmensaccount, wie ihn zum Beispiel die Deutsche Bahn anbietet, verwalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr Abo einfach selbst.“

200 Firmen in Münster beteiligen sich

Auch die Stadtwerke Münster haben ein digitales Portal eingerichtet. Was aus Sicht des für Mobilität zuständigen Geschäftsführers Frank Gäfgen den Einstieg für Firmen ebenfalls erleichtert: „Es gibt keine Mindest-Abnahmezahl“. Aktuell bestehen in Münster rund 15.500 Deutschlandtickets Job-Abos bei mehr als 200 Firmen. Ein Vergleich zur Zeit des alten Job-Tickets: Gegenüber dem Stand von vor gut zehn Jahren ist das ein Zuwachs von über 63 Prozent bei den Fahrgästen und von 82 Prozent bei den Unternehmen.
Seine Bilanz: „Das Deutschlandticket Job kommt super an und hat das klimafreundliche Pendeln wieder zum Thema gemacht.“ Damit das so bleibt, müsse das Ticket auch in Zukunft einfach und günstig sein. „Es darf weder Verkehrsverbünde, die ausscheren oder Sonderregelungen anwenden, noch massive Preissteigerungen geben“, unterstreicht Gäfgen. Das ÖPNV-Angebot müsse allerdings weiter verbessert werden. „Das gelingt nur, wenn die Kommunen dieses auch finanzieren können.“

Regionalverkehr besser ausbauen

Ein besser ausgebauter Regionalverkehr im eher ländlichen Münsterland ist für Julian Hericks ebenfalls ein Thema. Für den Geschäftsführer der Westfälischen Verkehrsgesellschaft, zu der auch der RVM Regionalverkehr Münsterland gehört, ist „das Angebot nicht immer passend für Unternehmen“.
Das Angebot ist nicht immer passend für Unternehmen.

Julian Hericks, Westfälische Verkehrsgesellschaft

Das gelte gerade für die Erschließung von Gewerbegebieten. Deshalb urteilt er verhaltener. „Aktuell ist das Deutschlandticket Job nicht der Gamechanger im Kontext nachhaltiger Mitarbeitermobilität.“ Dennoch: Das Ticket habe „einen gewissen Schwung in den Absatz gebracht“, der sich an den Zahlen ablesen lässt: Knapp 1.000 Bezieher, die bei 35 Unternehmen beschäftigt sind, zählt die Westfälische Verkehrsgesellschaft. Vor der Einführung waren es gerade mal 400 Jobticket-Kunden bei acht Unternehmen.
Nur „bedingt zufrieden“ mit der Resonanz auf den Jobticket-Nachfolger sind die Vestischen Straßenbahnen. Zwar verzehnfachte sich die Zahl der Unternehmen, über die Verträge abgeschlossen worden sind, auf 90. Die Abonnenten-Zahl kletterte dagegen nur um ein knappes Fünftel auf 380. Oliver Wiegand, Abteilungsleiter Marketing und Kundenmanagement, führt das auf bisher ausgebliebene eigene Akquisitionsmaßnahmen zurück. „Die Vestische ist seit Oktober in diesem Bereich aber aktiv“, versichert er.
Rund 24 Prozent mehr Abonnements als vor der Einführung des „Deutschlandtickets Job“ verzeichnet die BOGESTRA. Im Geschäftsgebiet des öffentlichen Nahverkehrsanbieters, dessen Bus- und Bahnflotte auch durch Gelsenkirchen rollt, nutzen insgesamt rund 14.400 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Ticket.

„Klimafreundlich und attraktiv“

Deutlich lobende Worte findet Oliver Wittke. Für den Vorstand des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) ist das Deutschlandticket Job „eine der größten Errungenschaften der letzten Jahre“. Es ermögliche „klimafreundliche Mobilität zu besonders attraktiven Konditionen“. Im Verbund, zu dem auch Gelsenkirchen, Bottrop und der Kreis Recklinghausen gehören, zählt er 109.000 Abos, was einem Zuwachs von neun Prozent gegenüber dem früheren Jobticket entspricht. Das findet weiterhin seine Nutzer: Etwa 10.000 Abonnenten fahren mit dem alten Jobtickets, weil es übertragbar ist oder sie damit ein Fahrrad mitnehmen können.
Vergünstigungen rund um die Mobilität sind Kunden “wichtig” oder “sehr wichtig”.

Oliver Wittke, Verkehrsverbund Rhein-Ruhr

Vergünstigungen rund um die Mobilität seien den Kundinnen und Kunden laut Umfragen „wichtig“ oder sogar „sehr wichtig“, unterstreicht Wittke. Für einen langfristigen Erfolg wünscht er sich einen Dialog zwischen den Tarifpartnern. „Es ist die Aufgabe von Gewerkschaften und Unternehmen, nicht nur über Löhne und Arbeitszeiten zu sprechen, sondern auch darüber, wie Beschäftigte möglichst kostengünstig und klimafreundlich zum Arbeitsplatz kommen“, erklärt er.

Mehr Angebote für Schichtarbeiter

Dabei denkt der VRR-Vorstand gerade an diejenigen, die im Schichtdienst arbeiten. Für sie setze der Verkehrsverbund gemeinsam mit den kommunalen Aufgabenträgern alles daran, die Verkehre früh morgens und spät abends deutlich auszubauen. „Wenn es uns gelingt, im Zuge einer Nachfragesteigerung durch das Deutschlandticket Job die Betriebszeiten des ÖPNV auszudehnen, dann schafft das eine Win-win-Situation für Arbeitnehmende, für Unternehmen, die Umwelt und am Ende für den ÖPNV“, ist er überzeugt.
Bei der DB Regio Bus NRW, unter dessen deren Dach auch die WB Westfalen Bus fährt, liegen die Verkäufe für das Deutschlandticket Job in etwa auf dem Niveau des früheren Jobtickets. Daniela Niehues, Leiterin Erlösmanagement der DB Regio Bus NRW, zählt acht Firmen im Bereich des Westfalen-Tarifs, über die 200 Deutschlandtickets Job ausgestellt worden sind.
Die Zurückhaltung vieler Unternehmen führt sie auf mehrere Gründe zurück. Manche Arbeitgeber möchten keine Zuschüsse zahlen, zumal ab Mai 2023 das – von früheren Jobticket-Nutzern gut angenommene – Deutschlandticket bereits die Fahrtkosten reduziert habe. „Viele Arbeitgeber mussten außerdem erst die Regelungen zum neuen Deutschlandticket Job kennenlernen und entscheiden, ob sie ihre Verträge für die Jobtickets umstellen“, erläutert sie
Voraussetzung für einen dauerhaften Erfolg ist Verlässlichkeit. Hier sieht sie die Politik gefragt: „Fahrgäste brauchen Klarheit über den längerfristigen Fortbestand des Deutschlandtickets.“ Preise dürften lediglich moderat erhöht werden. Die Verkehrsunternehmen selbst vereinfachten die Bestellmöglichkeiten immer mehr. „Der Aufwand, ein Deutschlandticket Job abzuschließen, wird immer geringer“, stellt Niehues fest. Ihr Fazit: „Die Basis ist gelegt, um noch mehr Berufspendler für den ÖPNV zu gewinnen.“