Praxis & Ratgeber

„Nachfolgeprozess so früh wie möglich starten“

Friedbert Menke hat im IHK-Nachfolgeclub die Industrienäherei Schuckenberg kennen- und schätzenglernt und sie 2006 als Externer übernommen. Jetzt übergibt er das in Sassenberg ansässige Unternehmen an seinen Sohn Robert – viel Stoff also für einen Erfahrungsbericht auf dem kommenden IHK-Forum Unternehmensnachfolge am 22. Mai in Dorsten. | Text: Dominik Dopheide
Lebenswerk in gute Hände abzugeben: Das ist längst zu einer anspruchsvollen Herausforderung geworden, weil der Kreis der Interessenten immer kleiner wird. So ist in Familienunternehmen die Übergabe auf die nächste Generation keine Selbstverständlichkeit mehr, weil die Anziehungskraft des Arbeitsmarktes für Fach- und Führungskräfte oft stärker ist als die Verbundenheit zum elterlichen Betrieb. Der aktuelle IHK-Nachfolgereport NRW alarmiert: Laut Studie steuern landesweit nur noch 49 Prozent der Unternehmen, die an der Befragung teilgenommen haben und mehr als 20 Mitarbeitende beschäftigen, auf eine familieninterne Übergabe zu. In der Studie von 2016 waren es noch 71 Prozent.
Der Geschäftsbereichsleiter Sven Wolf nennt Zahlen, die sich exklusiv auf Nord-Westfalen beziehen. Demnach sind hier in rund der Hälfte der eigentümergeführten Familienunternehmen die Inhaberinnen und Inhaber älter als 55 Jahre. Somit sind rund 41.000 Firmen mit insgesamt ca. 220.000 Mitarbeitenden betroffen. „Die Unternehmenszahl liegt um 6.000 höher als 2019, die Lage hat sich also zugespitzt“, betont Wolf. Der IHK-Nachfolgereport NRW zeigt, dass die Folgen der demographischen Entwicklung immer deutlicher spürbar werden. Die „Babyboomer-Generation“ geht in Rente und hinterlässt eine Lücke, die von den 25- bis 45-Jährigen nicht komplett gefüllt werden kann. „Dabei sind es doch gerade die kleinen und mittelständischen Familienunternehmen, die Deutschland und insbesondere unsere Region so stark machen – jetzt stehen viele ohne Nachfolger da“, weist Friedbert Menke auf die drohenden Konsequenzen der Entwicklung hin: Verlust von Arbeitsplätzen und Zukunftsfähigkeit. Genau deshalb wollen er und sein Sohn Robert auf dem IHK-Forum Unternehmensnachfolge für diesen Weg in die Selbstständigkeit werben.

Zehn Jahre Countdown

Einige Tipps geben sie vorab. „Es ist wichtig, mit verschiedenen externen Experten zu sprechen, und erst danach die Wunsch-Berater auszuwählen“, empfiehlt Friedbert Menke. Zudem rät er, den Nachfolgeprozess so früh wie möglich zu starten, damit die verschiedenen Interessen ausgeglichen und die Risiken minimiert werden können. „Ein Erbschaftsvertrag sollte gemeinsam mit der gesamten Familie unterzeichnet werden, sobald die Kinder etwa 18 Jahre alt sind“, sagt Menke, der die Übergabe 2025 abschließen will. Weil der Nachfolgeprozess in der Industrienäherei Schuckenberg nicht mit heißer Nadel gestrickt, sondern auf zehn Jahre angelegt wurde, konnte Robert Menke seinen Berufsweg in Ruhe sondieren. Zwar hatte er schon als 12-Jähriger darüber nachgedacht, das elterliche Unternehmen weiterzuführen. „Ich wollte aber sicherstellen, dass die Nachfolge wirklich die richtige Wahl für mich ist, und nicht nur eine Entscheidung aus Tradition“, erklärt er und fügt an: „Mein Vater hat mich auch nie unter Druck gesetzt“. Nach der Ausbildung zum Industriekaufmann, die Robert Menke in einer anderen Firma absolviert hat, ist er bei Schuckenberg eingestiegen und hat zugleich mit einem Masterstudium im Bereich Controlling Grundlagen für seine Rolle als Geschäftsführer geschaffen. Bereits in dieser Zeit hat er seine Ideen für die weitere Entwicklung der Industrienäherei umgesetzt, insbesondere in den Bereichen Digitalisierung und Kundengewinnung.
Unternehmen i9n Nord-Westfalen
Neue Technologien bringe sein Sohn deutlich besser ein, als er selbst es könne, berichtet Friedbert Menke. So habe Robert den Bestellprozesses komplett automatisiert und die Weichen für eine papierlose Produktion gestellt. Darüber hinaus hat der Nachfolger mit der Entwicklung einer Outdoor-Möbelkollektion einen zweiten Geschäftsbereich aufgebaut. Hatte sich Schuckenberg bisher als Zulieferer für die Caravaning-Branche vor allem auf B2B fokussiert, ist die neue Produktlinie auf den B2C-Bereich zugeschnitten. „Die Kunden können mithilfe eines Konfigurators Schaumformen, Stoffarten sowie Details bis hin zur Sitzheizung auswählen“, erklärt Robert Menke, der mit diesem Konzept hochwertige Importe und lokale Produktion kombiniert. Vater Friedbert begleitet den Aufbruch in den neuen Markt. „Ich kann dabei meine kreative Freiheit voll ausleben – etwas, das mir in meiner Zeit als Selbstständiger nicht immer möglich war“, erzählt er. „Und ich bin froh, dass mein Vater seine Erfahrung dem Projekt zugutekommen lässt, wir ergänzen uns ideal“, freut sich Robert Menke.

Berichte aus der Praxis

Von bürokratischen Barrieren will sich das Vater-Sohn-Team nicht ausbremsen lassen. „Deshalb haben wir ja so früh begonnen, das Erbe und somit die Unternehmensnachfolge vertraglich zu regeln“, erläutert Friedbert Menke. Rechtsbeistand sowie Steuerberatung hält er im Übergabeprozess für unverzichtbar, weil das Erbschaftssteuerrecht folgenreich sei und es beide Seiten einem erheblichen Risiko aussetze. Menkes Empfehlung Nr. 1: „Im Falle der schrittweisen Übergabe den optimalen Zeitpunkt für die Übertragung der restlichen Unternehmensanteile nur in Abstimmung mit den externen Beratern festlegen“.
Aus Sven Wolfs Sicht ist es ohnehin höchste Zeit, dass bürokratische Hemmnisse identifiziert und abgebaut werden. Dies zeigen auch die Ergebnisse des Nachfolgereports NRW: Mehr als die Hälfte der Befragten sieht die stetig wachsende Bürokratie als Hauptverzögerungsfaktor bei der Unternehmensnachfolge. „Zudem braucht Wertschöpfung wieder mehr Wertschätzung“, unterstreicht der Experte für Unternehmensnachfolge. Der Informationsaustausch auf dem IHK-Nachfolgeforum könne den Beteiligten das Leben zumindest etwas leichter machen, ist er sicher. Teilnehmende der vergangenen Veranstaltungen sehen es genauso. „Jeder Nachfolgeprozess hat seine eigenen rechtlichen und steuerlichen Aspekte, und das IHK-Forum hat uns einer guten Lösung für die Familiennachfolge einen großen Schritt nähergebracht“, berichtet Julian Eßler, Prokurist und wie auch sein Bruder Benedikt Eßler, designierter Nachfolger bei der RS Rittel GmbH, Gladbeck. Heike Bringemeier verweist auf die Vielfalt der Nachfolgemöglichkeiten: „Der Vortrag auf dem IHK-Forum hat mir verdeutlicht, dass individuelle, flexible Lösungen einer frühzeitigen Planung bedürfen“, sagt die Geschäftsführerin der in Ibbenbüren ansässigen Wunderle GmbH. Jan-Karl Conermann betont den hohen Nutzwert der Referate: „Die Praxis-Berichte können helfen, die Herausforderung noch effizienter zu meistern“, weiß der Geschäftsführer der in Rheine ansässigen Karl Conermann GmbH – ein Unternehmen, das nunmehr in vierter Generation von der Familie geführt wird.