Praxis & Ratgeber

Nach Feierabend in die Vorlesung

Erst Auszubildende, zwei Jahre später selbst Ausbilderin und zuletzt neben dem Job noch Studentin: Maike Bartsch pendelte mit ihrem berufsbegleitenden Studium erfolgreich zwischen Vorlesung und Büro. | Text: Tobias Hertel
Eigentlich hat Maike Bartsch bei TECE in Emsdetten Industriekauffrau gelernt. Doch schon im Vertiefungsjahr während ihrer Ausbildung spezialisierte sie sich auf das Personalwesen. „Ich habe gemerkt, da möchte ich hin“, erzählt sie – und übernahm nach ihrem Abschluss im Jahr 2020 schnell Verantwortung. 2022 erwarb sie den Ausbilderschein bei der IHK. Seitdem ist sie zuständig für die Auszubildenden, die dualen Studentinnen und Studenten sowie Praktikantinnen und Praktikanten im Unternehmen.

„Das Lernen fehlte mir“

Das sei bisher eine „aufregende Zeit“ gewesen, sie sei froh über das große Vertrauen der Personalleitung. Wie sie aber bald feststellte, findet sie das Personalcontrolling „noch spannender“. Deshalb tauchte Maike Bartsch ab in die Welt der Zahlen, wertet nun Kennziffern des Unternehmens aus und klopft sie ab auf ihre Bedeutung für Budget- und Personalplanung.
Vor gut drei Jahren entschloss sie sich, trotz ihrer anspruchsvollen Aufgaben ein berufsbegleitendes Studium draufzusatteln. „Das Lernen fehlte mir, ich wollte noch mehr Wissen aufbauen und Praxis mit Theorie verbinden“, berichtet sie. Staatliche wie private Hochschulen bieten berufsbegleitende Studiengänge an, im On- wie im Offline-Format oder als Fernstudium. Sie entschied sich für den von der IHK Nord Westfalen gemeinsam mit der Fachhochschule Münster angebotenen berufsbegleitenden Studiengang Betriebswirtschaft. Ein Fach, das eine Grundlage für weitere Aufgaben schaffe, betont sie. Mit ihrer letzten mündlichen Prüfung hat sie nun, neben dem Bachelor of Arts, auch den Abschluss als Betriebswirtin VWA geschafft.

Anregung der Unternehmen

Unternehmen wie TECE hatte die IHK im Blick, als sie 2013 die berufsbegleitenden Studiengänge mit der FH Münster aus der Taufe hob. „Betriebe haben uns angesprochen, weil sie gute Auszubildende nach dem Abschluss an ihr Unternehmen binden wollten“, blickt IHK-Teamleiter zurück. Weiterbildungsangebote sind dabei ein gutes Argument, Nachwuchsfachkräfte zum Bleiben zu bewegen. Die FH bürgt für die wissenschaftliche Qualität, das Studium ist akkreditiert.
Bewährt hat sich das berufsbegleitende Konzept schon bei den Weiterbildungen für Fachwirte und Meister, die ebenfalls nach Feierabend lernen. Während sie nach eineinhalb bis zwei Jahren ihren Abschluss in der Tasche haben, brauchen die Studentinnen und Studenten mehr Ausdauer. Sieben Semester, also dreieinhalb Jahre, dauert der Studiengang.
Jedes Jahr im September beginnen um die 20 bis 25 Erstsemester, die neben einer abgeschlossenen Ausbildung in einem anerkannten kaufmännischen Ausbildungsberuf und einem Beschäftigungsverhältnis in einem Unternehmen noch die Berechtigung zum Hochschulzugang vorweisen müssen.
Besonders übersichtlich war der Jahrgang von Maike Bartsch, bedingt durch die Coronapandemie. Nur zehn weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen mit ihr das berufsbegleitende Studium auf. „Das war ein Riesenluxus“, sagt sie rückblickend – selbst wenn die Gruppen auch der anderen Jahrgänge klein genug für eine intensive Betreuung durch die Dozentinnen und Dozenten sind.

Praxis statt Elfenbeinturm

Maike Bartsch im IHK-Bildungszentrum
Nach Feierabend besuchte Maike Bartsch die Vorlesungen bei der IHK und bestand die Prüfungen mit Bravour. © Hertel/IHK
Diese Nähe zu den Lehrkräften empfindet Maike Bartsch als großen Vorteil. Vor allem kommen die Fachleute nicht aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm, sondern sind nah dran an der Praxis. Denn häufig sind sie auch als Beraterinnen und Berater in Unternehmen tätig. Da die Vorlesungen nicht als Frontalvortrag gehalten werden, blieb genug Raum für eigene Anregungen. „Fragen stellen, Feedback geben, all das ist möglich“, erzählt die TECE-Personalreferentin.
Auch der Draht zu den Kommilitoninnen und Kommilitonen war kurz. „Wir waren eine gemischte Truppe aus verschiedenen Unternehmen mit einem gemeinsamen Ziel“, berichtet sie. Das schweißte zusammen, „alle unterstützten sich gegenseitig“. Schwierige Aufgaben löste die Gruppe gemeinsam in Online-Meetings.
Das Lernpensum sei straff, aber zu schaffen, erklärt IHK-Teamleiter Hols: „Viele Arbeitgeber unterstützen ihre Beschäftigten, die nebenbei studieren möchten.“. Auf Wunsch übernehmen einige Unternehmen einen Teil der Gebühren oder reduzieren die Stunden. Maike Bartsch entschied sich hingegen dazu, weiter in Vollzeit 40 Stunden zu arbeiten, „so wie die meisten meiner Studienkolleginnen und -kollegen“.

Gute Planung ist notwendig

Mit guter Planung lassen sich der Arbeitsalltag in der Woche und die Vorlesungen freitags und samstags gut miteinander vereinbaren. „Schon zu Semesterbeginn stehen Klausurtermine fest, das Studium ist auf den Beruf abgestimmt“, erklärt sie. TECE erleichterte ihr die Organisation und ermöglichte Homeoffice am Vorlesungsfreitag. Ihr Lerntipp: „Am besten direkt nach der Vorlesung den relevanten Stoff wiederholen.“
Trotz Job und Studium blieb sogar Zeit für Hobbys, dreimal die Woche spielt sie Handball in Steinfurt. Stressig wurde es dennoch manchmal, vor allem rund um Klausuren, Projektarbeiten und als die Bachelorarbeit anstand. Das Thema dafür hatte die TECE-Geschäftsführung angeregt: Wie wird Wissen im Unternehmen gesichert und weitergegeben? „Das ist relevant in Zeiten, in denen die Babyboomer-Generation in Rente geht“, erklärt sie. Im und für das Unternehmen zu schreiben, das findet sie wegen der direkten Anwendbarkeit besonders reizvoll.

Gelerntes ist direkt übertragbar

„Was ich gelernt habe, konnte ich oft direkt aufs Unternehmen übertragen“, resümiert sie. Nachdem die BWL-Grundlagen erarbeitet wurden, setzte sie bei den Aufbaumodulen eigene Schwerpunkte. Personalmanagement, Arbeits- und Sozialrecht sowie Marketing interessierten sie besonders. Dazu wurden „Soft Skills“ vermittelt, von Konfliktmanagement über interkulturelle Kompetenz bis hin zu Präsentationstechniken.
Den Bachelor-Abschluss hat sie geschafft, die nächste Weiterbildung aber schon im Blick. Weiteres Wissen will sie im Controlling erwerben. Nach den Erfahrungen im berufsbegleitenden Studium steht für sie fest, dass es kein Masterstudiengang in Vollzeit werden soll: „Ich möchte mich weiterbilden, aber dabei im Job bleiben“ – die Erfahrung zeigt, dass das kein Widerspruch ist.