Finanzwissen ist das neue Seepferdchen

In Teilzeit arbeiten 49 Prozent der Frauen, zwölf Prozent der Männer. Bei Müttern kleiner Kinder liegt der Anteil bei 73 Prozent. Christiane von Hardenberg, promovierte Volkswirtin, FAZ-Kolumnistin und Gründerin der Wealth Academy in Berlin nennt dies eine „unsichtbare Schieflage“ – ein Ungleichgewicht, das Frauen nur durch Eigeninitiative beheben können.

Das Gespräch, das fehlt

„Das Wichtigste ist, dass Paare besprechen, wer wie viel arbeitet, welche heutigen und späteren Einkommensverluste entstehen und wie man sie ausgleicht", sagt von Hardenberg. Der Mann könnte in einen ETF-Sparplan einzahlen, in eine Eigentumswohnung auf den Namen der Partnerin investieren oder einen anderen Versorgungsausgleich schaffen. „Romantisch ist das nicht, aber nötig", fügt sie hinzu.
Das Problem: Diese Gespräche fänden gar nicht oder viel zu spät statt. Aus zwei Gründen: Erstens, weil niemand mit 30, wenn die Kinder kommen, die Folgen absehen kann. „Viele planen nur fünf Jahre Teilzeit – und starten später aus der zweiten Reihe", sagt von Hardenberg. Zweitens, weil viele Paare Hemmungen haben, über Geld zu sprechen. „Es waren nicht die romantischsten Abende mit meinem Mann", erzählt von Hardenberg. „Aber sie waren wichtig."
Ihr Rat: „Frauen müssen das Gespräch suchen. Männer spüren oft keinen Leidensdruck, für sie ändert sich nichts."

Der Mythos der Ahnungslosigkeit

Studien zeigen: Jede zweite Frau hält sich in Finanzfragen für ahnungslos. „Fragt man dieselben Frauen konkret zu Finanzthemen, schneiden sie kaum schlechter ab als Männer", sagt von Hardenberg. Warum das so ist: Männer behaupteten selbstbewusst, sie könnten es. Frauen würden alles zu 120 Prozent verstehen wollen, bevor sie sagen: Ich kenne mich aus. „80 Prozent reichen. Man muss nicht alles wissen, um Geld anzulegen“, sagt die Finanzexpertin.

Zwei Wochen, eine halbe Stunde pro Abend

Frauen, die ihre Finanzlage verbessern wollen, rät von Hardenberg zu kleinen Schritten: „Investieren Sie zwei Wochen lang jeden Abend eine halbe Stunde in Finanzbildung – schauen Sie YouTube-Videos, lesen Sie Finanztip oder die FAZ, verstehen Sie die Grundlagen." Finanzwissen sei Pflicht: „Wie Schwimmen. Wer kein Seepferdchen hat, geht unter."
Beim zweiten Female Finance Day des Netzwerks Frauen u(U)nternehmen, das am 11. November im IHK-Bildungszentrum in Münster stattfand, gab von Hardenberg ihr Wissen über Zinseszins, Rendite und Fonds an rund 170 Gäste weiter. „Wir wissen mittlerweile alle, dass die staatliche Rente nicht reichen wird und wir privat vorsorgen sollen“, so von Hardenberg. Darum rät sie, mehr am Aktienmarkt zu investieren.

ETFs als Einstieg

Zum Einstieg empfiehlt von Hardenberg Exchange Traded Funds, kurz: ETFs. „Sie sind der Türöffner", sagt sie. „Breit gefächert, einfach zu handhaben." ETFs bilden ganze Märkte ab und streuen das Risiko über Branchen und Länder. Keine Überrendite, aber solide Marktrendite. „Schon die marktübliche Rendite ist besser als null Prozent auf dem Girokonto – oder nach Inflation sogar negative Zinsen."
Wichtig: Es gibt keine ETFs, die besser für Frauen oder Männer geeignet sind. „Mein Mann kauft keinen anderen ETF als ich", sagt von Hardenberg. Der Unterschied liege in der Ansprache. Frauen bräuchten oft mehr Sicherheit und Verständnis, bevor sie handeln. „Die typische Ansprache in der Finanzbranche, die von Männern geprägt ist, erreicht Frauen nicht."
Die Finanzexpertin gibt zwei Ratschläge. Erstens: „Wählen Sie einen ETF mit niedriger Gesamtkostenquote. Hohe Kosten mindern die Rendite. “ Zweitens: „Legen Sie die Dividenden wieder an, um automatisch den Zinseszinseffekt zu nutzen. “

Die Invest-Daumenregel

Wie viel Geld sollte man anlegen? „10 bis 30 Prozent des Nettoeinkommens sollten pro Monat in ETFs fließen.“ Ihr Motto: Je länger, desto besser. „Wer sein Geld fünf Jahre oder länger investiert, wird fast immer belohnt."
Selbst wer erst mit 50 beginnt, kann viel erreichen. „Wir unterschätzen, wie alt wir werden", sagt von Hardenberg. „Eine 50-Jährige hat eine Lebenserwartung von über 90 Jahren – das sind 40 Jahre, in denen ihr Kapital arbeiten kann." Und selbst wer mit 67 in Rente geht, braucht nicht sofort sein gesamtes Vermögen. „Bis ich den letzten Euro ausgegeben habe, kann der auch noch mal 20, 25 Jahre am Kapitalmarkt für mich weiterarbeiten."

Marktschwankungen aussitzen

Rendite gäbe es nicht ohne Risiken. Anfang April etwa, als US-Präsident Trump den „Liberation Day" ausrief und ein Paket mit weitreichenden Importzöllen für fast 185 Länder ankündigte, gingen die Börsen weltweit in die Knie. „Das kann man nicht ausblenden", sagt von Hardenberg. „Für solche Situationen sollte man einen Sicherheitspuffer haben."
Geld ist kein Tabu, sondern Werkzeug. Wer es versteht, gewinnt Unabhängigkeit – und Zeit. Christiane von Hardenberg fasst es so zusammen: „Es ist nie zu früh – aber selten zu spät.“