Praxis & Ratgeber

Digitale Barrierefreiheit wird Pflicht

Ab dem 28. Juni 2025 gilt: Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Websites, Onlineshops und digitalen Dienste barrierefrei zugänglich sind. Grundlage hierfür ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Damit soll sichergestellt werden, dass digitale Produkte und Dienstleistungen für alle Menschen, unabhängig von körperlichen oder geistigen Einschränkungen, zugänglich sind. Das birgt für Unternehmen eine strategische Chance, neue Zielgruppen zu erschließen und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. | Text: Mareike Scharmacher-Wellmann
Einer, der täglich mit digitalen Hürden kämpft, ist Bernd Leitz. Leitz ist im Alter von 45 Jahren erblindet. Er nutzt Screenreader-Software, um sich durch das Internet zu navigieren. Doch viele Webseiten machen ihm das Leben schwer: „Seiten, bei denen mehr Wert auf die Optik als auf die Nutzung gelegt wird, sind ein Problem. Der Screenreader kann keine Grafik auslesen. Er überspringt sie. Und wenn wichtige Inhalte wie Anmelde-Buttons in der Grafik stecken, bekomme ich das nicht mit“, erklärt er.

Eine große Chance

„Weltweit sind eine Milliarde Menschen von irgendeiner Form der Einschränkung betroffen“, erklärt Holger Rohde von der Business Academy Ruhr. „Darunter 215 Millionen Sehbehinderte, für die digitale Barrieren den Zugang zu Informationen und Dienstleistungen erschweren.“ Die Anpassung von Websites sei nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern auch ein Beitrag zur Inklusion und ein potenzieller Marktvorteil.
Leitz ist überzeugt, dass neue Technologien helfen können, viele digitale Hürden zu beseitigen – wenn sie sinnvoll eingesetzt werden: „Mittlerweile tut sich auch gerade durch die KIs viel. Mittlerweile kann ich so Links aus irgendwelchen Grafiken herausfiltern oder ich kann der KI sagen: Sag mir doch bitte, was gibt es auf dem Bild zu sehen?“ Doch ohne ein grundlegendes Umdenken der Unternehmen bliebe Barrierefreiheit oft Stückwerk. „Ich habe selbst bei der Bundesstelle für Barrierefreiheit eine Barriere gefunden, die ich dort gemeldet habe. Nach sechs Wochen haben sie sich dann dafür entschuldigt.“

Wer muss handeln?

Von Onlineshops über Banken bis hin zu Dienstleistungsplattformen: „Tatsächlich müssen alle, die kommerzielle Dienste für Endkunden anbieten, für Barrierefreiheit sorgen“, so Rohde. „Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wie schnell Unternehmen digitale Angebote barrierefrei gestalten.“

Schritt für Schritt zur barrierefreien Website

Die Umstellung auf eine barrierefreie Website wirkt auf den ersten Blick aufwendig. Doch wer systematisch vorgeht, kann mit gezielten Maßnahmen Hindernisse abbauen und den Prozess effizient gestalten.
  1. Bestandsaufnahme: „Zunächst sollte geprüft werden, welche digitalen Kanäle und Systeme bereits bestehen und wo Barrieren auftreten“, empfiehlt der Experte. Dazu gehören Websites, Apps, Kassensysteme und Verkaufsflächen.
  2. Schrittweise Optimierung: Inhalte müssen so gestaltet sein, dass sie für alle Nutzer zugänglich sind – das bedeutet skalierbare Schriftgrößen, Untertitel für Videos und Alternativtexte für Bilder. „Ein einfaches Beispiel: Ein Video ohne Untertitel schließt automatisch Menschen aus, die nicht hören können“, erklärt Rohde.
  3. Technische Unterstützung nutzen: Moderne CMS-Systeme, KI-gestützte Tools und Plugins vereinfachen den Prozess. Wer mit Agenturen arbeitet, sollte Barrierefreiheit zur Priorität machen. Rohde empfiehlt: „Viele Agenturen bieten bereits Lösungen an, doch der Impuls muss von den Unternehmen selbst kommen.“
„Barrierefreiheit sollte nicht als Last, sondern riesige Marktchance begriffen werden“, betont der Experte für Onlinemarketing und Websites. Unternehmen profitierten nicht nur von einer breiteren Zielgruppe, sondern auch von einem besseren Image. Nicht zuletzt: Eine benutzerfreundlichere Website kommt als Nebeneffekt allen Nutzern zugute. Mit Blick auf 28. Juni 2025 rät Rohde, neue Inhalte sofort barrierefrei zu gestalten und bestehende Angebote schrittweise zu optimieren.

Checkliste: Erste Schritte zur barrierefreien Website

  • Klare, gut lesbare Schriftgrößen und Kontraste nutzen
  • Bilder mit Alternativtexten versehen
  • Videos mit Untertiteln ausstatten
  • Texte strukturieren: Überschriften nutzen (H1, H2, H3, etc.), kurze Absätze schreiben, Aufzählungszeichen nutzen
  • einfach formulieren: alltägliche Worte statt Fachbegriffe benutzen, kurze Sätze schreiben, wichtige Informationen zuerst nennen
  • Interaktive Elemente wie Formulare nicht vergessen und barrierefrei gestalten
  • Regelmäßige Tests und Optimierungen durchführen