Nachhaltige Verunsicherung

Nach dem Motto „machen statt meckern“ hat sich die mittelständische Pergan GmbH seit 1,5 Jahren vorbereitet auf die große Herausforderung CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive / Richtlinie der EU zur Berichterstattung von Nachhaltigkeit in Unternehmen). Schließlich konnte zu Beginn niemand wissen, dass Deutschland die Frist zur Umsetzung verfehlt und die Europäische Kommission zwei Jahre nach Inkrafttreten die Kriterien der Berichtspflicht ändern will. | Text: Dominik Dopheide
Corporate Social Responsibility – die gesellschaftliche Unternehmensverantwortung – sei wichtig, müsse aber einfacher geregelt werden, sagt Dr. Petra Schlüsener. Sie ist Geschäftsführerin der Pergan GmbH, die ihren Hauptsitz in Bocholt hat. Der Hersteller von organischen Peroxiden ist 2021 als „CSR-Unternehmen Münsterland“ ausgezeichnet worden. Danach hat er sich im Rahmen des international und branchenübergreifend etablierten Ratings „ecovadis“ einer Bewertung seiner Nachhaltigkeitsleistung unterzogen. „Wir mussten nachprüfbare Unterlagen einreichen, die sehr detailliert gewertet wurden“ berichtet Schlüsener. Jedes Jahr wird die Firmengruppe auf den Prüfstand gestellt, um ihr Top-Ergebnis zu bestätigen. „Mit der Berichtspflicht nach der EU-CSRD-Richtlinie käme aber noch ein Wahnsinns-Aufwand dazu“, sagt die Geschäftsführerin. Ein vierköpfiges interdisziplinäres Team beschäftigt sich im Rahmen eines Projektes seit anderthalb Jahren mit den mehr als 1.000 angefragten Daten und kann dabei auf externe Expertise zurückgreifen. „Wir haben etliche Gründe die Bürokratielast zu kritisieren, wollen aber einen konstruktiven Weg gehen und nehmen deshalb am Projekt ‚DiNaOpt4KMU‘teil“, erklärt Schlüsener. Dort, genauer gesagt am Fachbereich Wirtschaft und Informationstechnik am Standort Bocholt der Westfälischen Hochschule, wird ein digitales System entwickelt, das KMU die Berichterstattung erleichtern soll. In welchem Umfang Pergan künftig berichten muss, ist seit April aber unklar, da im Zuge des „EU-Omnibus-Pakets“ die Anwendungsbereiche und Standards neu gefasst werden sollen. „Wir sind mit viel Schwung gestartet, jetzt wird alles in Frage gestellt, das bringt viel Unsicherheit“, bedauert Schlüsener, die eine engere und frühzeitigere Abstimmung zwischen EU und dem Bund fordert. „Wir brauchen weniger Regeln, aber bessere, die in der Praxis umsetzbar sind und dann auch Bestand haben“, betont sie. Zunehmen dürfe gern das Vertrauen in das Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen. „Nachhaltiges Handeln liegt in unserem eigenen Interesse“, begründet Schlüsener. So habe Pergan beispielsweise den CO2-Fußabdruck in den vergangenen vier Jahren um mehr als 70 Prozent verkleinert und damit zugleich Kosten reduziert.

„Hochkomplex und zeitaufwendig“

Grundsätzlich kann Schlüsener nachvollziehen, dass für die Nachhaltigkeitsberichtserstattung Standards definiert werden, um Transparenz und Vergleichbarkeit zu schaffen. „Die großen Konzerne haben sich ja gern Themen herauspickt, das will der Gesetzgeber nicht mehr“, erklärt sie. Doch bürde die EU-Kommission den berichtspflichtigen Unternehmen mit der „Doppelten Wesentlichkeitsanalyse“ eine immense Belastung auf: Die Firmen sollen sowohl die Auswirkungen des eigenen Geschäftsbetriebs auf Mensch und Umwelt als auch die Einflüsse von Nachhaltigkeitsaspekten auf das Unternehmen analysieren. Auf Basis der Ergebnisse werden die wesentlichen Themen bestimmt, zu denen berichtet werden muss. In einem weiteren Schritt sind Chancen und Risiken zu definieren. „Das Verfahren ist hochkomplex und enorm zeitaufwändig“, sagt Schlüsener. Umso wichtiger seien Angebote wie DiNaOpt4KMU (Digitales Nachhaltigkeitsreporting optimieren für kleine und mittlere Unternehmen), in das auch die IHK als Projektpartner eingebunden ist. Mit systematischem Feedback aus der Praxis trägt Pergan zur Softwareentwicklung bei. „Somit helfen wir uns selbst und zugleich auch anderen mittelständischen Unternehmen, die mit der digitalen Lösung künftig Kosten reduzieren können“, sagt Schlüsener und verweist auf die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrats Nr. 6847, nach der die Nachhaltigkeitsberichterstattung eine finanzielle Dauerbelastung von durchschnittlich jährlich ca. 108.000 Euro pro Unternehmen verursache – Einführungskosten nicht mitgerechnet. Schlüsener begrüßt, dass möglicherweise für viele Unternehmen die Verfahren vereinfacht und Redundanzen aus dem System genommen werden. Doch kann sie zugleich nachvollziehen, dass sich angesichts der aktuellen Planungsunsicherheit einige am liebsten ganz abwenden würden vom Thema CSRD. Die Geschäftsführerin der Pergan GmbH sieht es anders: Die Projektarbeit am Nachhaltigkeits-Reporting werde wie geplant fortgesetzt.