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Täglich grüßt das A1-Formular
In der innovationsintensiven Wasserstofftechnologie-Branche ist hohe Geschwindigkeit Voraussetzung für den Erfolg. Doch die Bürokratie tritt in Deutschland und der EU auf die Bremse, wie Gerrit Kaufhold, Vorstand der Enapter AG, immer wieder erlebt. | Text: Dominik Dopheide
Der freie Personenverkehr und die freie Wahl des Arbeitsorts gelten als Grundpfeiler des europäischen Binnenmarkts. Doch hat die EU Arbeitgeber verpflichtet, für Mitarbeitende selbst bei eintägigen Dienstreisen und Entsendungen ins EU-Ausland oder in einen EFTA-Staat eine A1-Bescheinigung einzuholen – zum Nachweis des Verbleibs in der Sozialversicherung des Heimatlandes. „Das ist grundsätzlich okay, denn es geht darum, Verantwortlichkeiten zu klären“, sagt Kaufhold, der als Vorstand zuständig für die Bereiche Finance, Legal & Investor Relations sowie Compliance ist. Seine Kritik: Es könnte mit dem „Once-Only-Prinzip“ und Dauerbescheinigung alles ganz einfach sein, ist es aber nicht. Enapter ist ein deutsch-italienisches Unternehmen der Wasserstoffwirtschaft, das unter anderem eine Produktionsstätte in Saerbeck unterhält. Von den insgesamt rund 200 Mitarbeitenden seien ca. 50 quasi permanent auf Achse, berichtet Kaufhold. Personal- und Buchhaltungsleiterin Ingrid Feger sei also einen ganzen Tag pro Woche ausschließlich mit dem A1-Management beschäftigt. Dazu kommt die Tätigkeit eines Rechtsanwalts, der ca. acht Stunden pro Woche aufwenden muss, um behördliche Regelungen zu begleiten.
Gerrit Kaufhold, Vorstand der Enapter AG
Problem der Dauerbescheinigungen
Weil Enapter seine Elektrolyseure in Anlagen vor Ort bei den Kunden integriert, sind sowohl Vertriebsteam als auch Technikabteilung auf die Dokumente angewiesen. „Zurzeit versuche ich, für vier Kollegen der Sales-Abteilung eine Dauerbescheinigung zu erhalten – es geht einfach nicht“, beklagt Feger. Die Erklärung von IHK-Arbeitsrechtsexperte Markus Krewerth lässt erahnen, warum der A1-Regelung der Ruf eines „Bürokratiemonsters“ anhaftet: Demnach könnten für gewöhnlich in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten als erwerbstätig geltende Personen, die ihre Beschäftigung regelmäßig wiederkehrend an mindestens einem Tag im Monat oder an mindestens fünf Tagen im Quartal in mehr als einem Mitgliedstaat ausüben, eine längerfristige A1-Bescheinigung für die Mitgliedstaaten ausgestellt werden, in denen die Person gewöhnlich eingesetzt wird. Daraus folgt: „Eine pauschale Ausstellung für sämtliche Mitgliedstaaten, in denen kein regelmäßig wiederkehrender Einsatz erfolgt, ist nicht möglich“, klärt Krewerth auf.

Nicht nur die A1-Anträge würde Gerrit Kaufhold gerne von der To-Do-Liste streichen. Er kann grundsätzlich nicht nachvollziehen, warum immer wieder ähnliche oder identische Daten in verschiedenen Plattformen hinterlegt werden müssen, zumal die Enapter AG als börsennotiertes Unternehmen diese Informationen ohnehin auf ihrer Website publiziert. Die Idee, dass Standardinformationen nur einmal an die öffentliche Verwaltung übermittelt werden müssen, weil sie danach mit Zustimmung des Unternehmens ausgetauscht und wiederverwendet werden dürfen, ist alles andere als neu. Bereits 2009 haben sich die EU-Mitgliedsstaaten in einer Ministererklärung sowie danach im EU-eGovernment-Aktionsplan 2016-2020 darauf verständigt, das sogenannte Once-Only-Prinzip anzustreben. Das Beispiel Enapter zeigt: Etabliert hat sich dieses Instrument zur Bürokratie-Reduktion in Deutschland offensichtlich nicht.
„Genehmigungswahnsinn“ in der EU
Kaufhold nennt noch einen weiteren bürokratischen Entschleuniger unternehmerischen Handelns, der in der gesamten EU anzutreffen sei: „Wir wollen, dass unsere Anlagen bei den Kunden vor Ort so schnell wie möglich zum Einsatz kommen, aber der Genehmigungswahnsinn verzögert die Projekte“, beklagt der Manager. Weil die Elektrolyseure mit anderen Geräten verbunden werden, unterscheiden sich die Vorhaben, und sei es nur geringfügig, erklärt er. Grundsätzlich aber müsse für jedes Projekt ein neues langwieriges Genehmigungsverfahren eingeplant werden. Eine schnelle Entscheidung der zuständigen Behörde hat Kaufhold hat noch nie erlebt. Aus ähnlichem Grund, weil nämlich der hohe bürokratische und somit zeitliche Aufwand nicht zur Taktung der Branche passt, verzichtet Enapter neuerdings sogar auf die Förderangebote von EU und Bund. „Im Zweifelsfall lassen wir eine Projektidee lieber fallen“, sagt Kaufhold.
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IHK Nord Westfalen