Im Fokus

Gemeinsam ans Klimaziel

Der Sicherheitsschuhhersteller L. Priebs hat sich bei seinen Klimazielen an wissenschaftlichen Standards orientiert. Spätestens 2050 will er seine Produkte zu 90 Prozent emissionsfrei herstellen und vertreiben. (Von Melanie Rübartsch)
Die L. Priebs GmbH & Co. KG hat im Jahr 2007 erstmals ihren CO2-Fußabdruck durch ein externes Beratungsunternehmen erstellen lassen. Bereits ein Jahr später waren die Geschäftsprozesse des Sicherheitsschuhproduzenten am Firmenstandort in Haltern am See durch Einsparungen und Kompensationen in Form von Investitionen in Klimaschutzprojekte klimaneutral. „Auf den bisher ergriffenen Maßnahmen wollten wir uns aber nicht ausruhen“, sagt Geschäftsführer Markus Nelke. Ihm und seinen Mitarbeitern ging es vielmehr darum, das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz grundlegend bei allen Geschäftsaktivitäten zu verankern und vor allem sicherzustellen, dass die Vorgehensweise wirkungsvoll ist.
„Daher waren wir auf der Suche nach Wegen, wie wir einerseits absichern, dass wir auf dem richtigen Weg im Sinne der globalen Klimaziele sind und andererseits sinnvolle neue Ziele setzen können“, erinnert sich Nelke. Die Lösung hat der Nachhaltigkeitsbeauftragte Kilian Hornig in Form der Science Based Targets Initiative (SBTi) gefunden. Diese SBTi hat auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse berechnet, was die globale Wirtschaft pro Jahr an CO2-Emissionen einsparen müsste, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Danach müssten Unternehmen den CO2-Ausstoß pro Jahr um durchschnittlich 4,2 Prozent reduzieren, um das 1,5-Grad- Ziel zu erreichen. „Unternehmen, die sich auf dieser Grundlage eigene Klimaziele setzen, können sich diese offiziell von der SBTi als wirksam im Sinne des Pariser Klimaabkommens validieren lassen“, erklärt Hornig. Dabei lässt die SBTi im Bereich der direkt verursachten Emissionen (Scope 1) oder der indirekten Emissionen aus eingekaufter Energie (Scope-2) nur echte Einsparungen gelten.
Kompensationen etwa über Spenden für Waldaufforstungen sind nur bei Scope-3-Emissionen akzeptiert. L. Priebs hat den Antrag auf Anerkennung seiner Ziele erstmals im Mai 2022 gestellt. Als Basisjahr der Berechnung haben die Halterner dabei das Jahr 2018 festgelegt. Zum einen haben sie sich nun verpflichtet, bis 2030 mindestens 50 Prozent ihrer Scope-1- und Scope-2-Emissionen einzusparen (kurzfristiges Ziel). Zum anderen wollen sie bis 2050 in den ersten beiden Bereichen - ohne Kompensation - komplett klimaneutral sein und darüber hinaus auch 90 Prozent aller indirekten Emissionen innerhalb der Wertschöpfungskette eliminiert haben (Langfristziel). 

Öffentliches Statement

„Mit diesen Zielen sind wir nun auf der Webseite des SBTi global sichtbar gelistet“, erklärt Marketingchefin Karin Nelke-Mertens. Einmal im Jahr muss das Unternehmen zudem einen Fortschrittsbericht veröffentlichen. „Damit geben wir öffentlich das Statement ab, dass wir diese Ziele als verbindlich ansehen und uns daran messen lassen wollen.“ Ihr gefällt die Idee,  „dass wir gemeinsam mit inzwischen weltweit über 3900 gelisteten Unternehmen als Vorbild und Appellierer vorangehen“. Die Klimaziele seien nur über gemeinsame Anstrengungen erreichbar – jeder Wirtschaftsteilnehmer müsse mitziehen.
Sein kurzfristiges Ziel hat L. Priebs bereits übererfüllt. „Die direkten und indirekten Emissionen aus eingekaufter Energie konnten wir an unserem Standort in Haltern auch ohne Kompensation seit 2018 um mehr als 50 Prozent reduzieren“, sagt Nelke-Mertens. Vorarbeit hatte der Schuhproduzent hier bereits geleistet, indem er 2009 auf Ökostrom umstieg und 2014 eine Photovoltaikanlage installiert hatte. 2020 kam nun ebenfalls Biogas aus der Zuckerproduktion hinzu, was den entscheidenden Schritt zum Erreichen des SBTi-Ziels brachte. 

Einsparpotenzial beim Material

Sehr viel schwieriger wird es aber, die Emissionen entlang der Wertschöpfungskette zu minimieren. Gerade kommt systematisch alles auf den „CO? -Prüfstand“: Materialien, Transportwege, Emissionsausstoß der Zulieferer, Flugreisen zu den Produzenten in Asien und Europa, Verpackung, Retourenmanagement und Materialien. Das größte Einsparpotenzial liegt dabei bei den Materialien. Nach detailliert berechneten CO?-Werten für jedes seiner Sicherheitsschuhmodelle der Marke Lupriflex entfallen mehr als 80 Prozent der Emissionen auf die Rohstoffe.
Nelke-Mertens: „Mikrofasermaterial oder Carbon sind beispielsweise hochverarbeitete und energieintensive Materialien, die also kritisch zu sehen sind.“ Das bestehende Sortiment kann aber erst einmal nicht ohne Weiteres verändert werden, denn die Sicherheitsschuhe sind als persönliche Schutzausrüstung zertifiziert. „Jeder Eingriff würde eine neue Prüfung auslösen.“ Den strategischen Schlüssel sieht sie im Ökodesign, das bei der Entwicklung neuer Modelle zur Anwendung kommen soll. Ein erstes Ergebnis ist „PETer“, ein Lupriflex-Schuh aus recycelten PET-Flaschen. In spätestens fünf Jahren muss das Unternehmen seine Ziele überprüfen und gegebenenfalls re-validieren lassen. „Ich bin selbst gespannt, wie weit wir dann bereits sind“, sagt Geschäftsführer Markus Nelke.  «
Priebs-Geschäftsführer Markus Nelke und seine Frau Karin Nelke-Mertens, Marketing-Chefin des Unternehmens, wollen sich nicht auf dem bisher Geleisteten auf dem Weg zur Klimaneutralität ausruhen.      Foto: Lupriflex

Logo mit Schriftzug „Nachhaltig in Nord-Westfalen“
Was ist die SBTi?

Die Science Based Targets-Initiative ist eine Partnerschaft zwischen den Non-Profit-Organisationen Carbon Disclosure Project (CDP), dem United Nations Global Compact, dem World Resources Institute (WRI) und dem World Wide Fund for Nature (WWF). Ihr Ziel ist, Unternehmen weltweit dazu zu animieren, sich ein wissenschaftlich fundiertes Klimaziel zu setzen und zu verfolgen.
Unternehmen können von der SBTi offiziell anerkennen lassen, dass ihre Ziele im Einklang mit einer 1,5-Grad- und Netto-Null-Zukunft gemäß des Pariser Abkommens stehen. Gibt die SBTi grünes Licht, werden die Firmen auf den Websites des SBTi und des UN Global Compact als „Unternehmen mit den ehrgeizigsten wissenschaftlich fundierten Zielen“ gelistet.
Die Preise für die Validierung hängen von der Unternehmensgröße ab. Für kleine und mittlere Unternehmen werden pro Ziel 1000 US-Dollar fällig. 

Die drei Stufen der Emissionsreduktion

Nach den Vorgaben des „Treibhausgas protokolls“ (GHG Protocoll – Greenhouse Gas Protocol) werden Treibhausgas-Emissionen kategorisiert als Scope-1-, Scope-2- oder Scope-3-Emissionen. 
  • Scope-1-Emissionen sind alle Ausstöße aus Quellen, die direkt von dem Unternehmen verantwortet oder kontrolliert werden. Dazu gehören Emissionen aus Energieträgern am Standort, wie Erdgas und Brennstoffe sowie Kühlmittel.
  • Scope-2-Emissionen sind indirekte Treibhausgas-Emissionen aus eingekaufter Energie, wie Strom, Wasserdampf, Fernwärme oder -kälte.
  • Scope 3 umfasst alle indirekten Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette entstehen. Hier geht es um Anlagen, deren Aktivitäten das Unternehmen unmittelbar beeinflusst.