Zugang zu regionalen Rohstoffen langfristig sichern
Die Vollversammlung der IHK Nord Westfalen hat am 10. März 2022 die vorliegenden Positionen „Zugang zu regionalen Rohstoffen langfristig sichern” beschlossen.
Heimische Rohstoffe sind eine wichtige Grundlage der regionalen Wirtschaft. Sie bilden nicht nur die Basis für die unmittelbare rohstoffgewinnende und -verarbeiten- de Industrie selbst, sondern auch für die Wertschöpfung in den nachgelagerten Wirtschaftszweigen, insbesondere im Hoch- und Tiefbau, der Eisen- und Stahlindustrie, der Chemischen Industrie, der Landwirtschaft und dem Umweltschutz. Die umweltverträgliche, sichere, kostengünstige und möglichst ortsnahe Rohstoffversorgung ist eine wichtige Grundlage für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft.
Auch unsere Wirtschaftsregion ist u.a. im Zusammenhang mit der gewerblichen Produktion, der Energiewende, zahlreichen Infrastrukturprojekten und dem Wohnungsbau auf eine bedarfsgerechte und sichere Versorgung mit mineralischen Rohstoffen angewiesen.
Das Vorkommen der heimischen Rohstoffe ist begrenzt, ortsgebunden und nicht vermehrbar. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit des sparsamen und verantwortungsvollen Umgangs mit den jeweiligen Rohstoffen.
Der langfristigen Sicherung regionaler Rohstoffe kommt daher eine wichtige Bedeutung zu. Verbrauchsnahe Rohstoffgewinnung stößt jedoch zunehmend auf Vorbehalte in der Öffentlichkeit und bei Teilen der Wirtschaft. Konflikte bei konkreten Gewinnungsvorhaben – häufig bereits vor oder im Genehmigungsverfahren – sind die Regel. Eine durch sachliche Informationen geprägte, adressatengerechte Kommunikation kann dazu beitragen, das Bewusstsein in der Öffentlichkeit für die Notwendigkeit eines nachhaltigen regionalen Rohstoffabbaus zu stärken.
Die Region Nord-Westfalen verfügt über umfassende Rohstoffvorkommen, insbesondere bei Steinen und Erden. Bei gleichzeitiger Sicherung von Zugängen zu internationalen Rohstoffmärkten und entsprechenden Lieferketten sollte ein Abbau heimischer Rohstoffe auch langfristig ermöglicht werden. Die Gewinnung heimischer Rohstoffe dient somit auch dem Umwelt- und Klimaschutz, da die Verarbeitung der Rohstoffe regelmäßig in räumlicher Nähe des Abbaus erfolgt und damit lange Transportwege entfallen sowie Emissionen vermieden werden. Die Grundlage für eine verbrauchsnahe Marktversorgung mit heimischen Rohstoffen sollte daher langfristig gesichert werden.
Um den Unternehmen der Rohstoffindustrie Planungssicherheit zu bieten und die Erschließung von Rohstoffvorkommen nicht zu einem unkalkulierbaren Risiko werden zu lassen, müssen die grundsätzlichen Rahmenbedingungen verbessert werden. Hierzu gehört insbesondere, die Komplexität und die Unwägbarkeiten der Genehmigungsverfahren zu reduzieren, um den Unternehmen die Fokussierung auf ihr Kerngeschäft zu ermöglichen. Die rechtlichen Vorgaben sollen übersichtlicher gestaltet und die Dauer der Genehmigungsverfahren verkürzt werden.
Angesichts der Herausforderungen durch den Klimawandel und zunehmender Rohstoffknappheit ist ein weiteres Ziel Stoffkreisläufe zu schließen und Recycling zu stärken. Die Wirtschaft unterstützt die Schaffung eines Marktes für hochwertige sekundäre Rohstoffe. Die Verwertungs- sowie Recyclingquoten von Baustoffen liegen – abhängig von der Art bspw. Bauschutt, Straßenaufbruch – auf unterschiedlich hohen Niveaus, sind jedoch nicht bedarfsdeckend. Eine Gewinnung von Rohstoffen ist und bleibt daher auch in Zukunft wichtiger Baustein für die regionale Wirtschaft. Daher bedarf es eines integrierten Konzepts zur strategischen Sicherung der Rohstoffversorgung auf Landesebene.
Das vorliegende Papier beschreibt anhand verschiedener Themenaspekte die Situation der Rohstoffindustrie, formuliert Rahmenbedingungen und Ziele aus Sicht der Wirtschaft und zeigt Ansätze und Maßnahmen zur Erreichung der Ziele auf.
Das Papier adressiert sowohl die Verwaltung und die Politik als auch die Unternehmen selbst. Es gibt Hinweise, Empfehlungen und Forderungen im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Ziel, eine langfristig gesicherte Versorgung mit heimischen Rohstoffen zu gewährleisten.
- 1. Planung und Rohstoffsicherheit: Flächen langfristig sichern
Flächen für die Rohstoffindustrie müssen langfristig und verbindlich gesichert werden.
Situation:
- Die Lageabhängigkeit, das Vorkommen der Rohstoffe nur an bestimmten Orten, ist eine besondere Herausforderung. Umso mehr ist die Rohstoffindustrie auf eine langfristige Planungssicherheit angewiesen, um betriebliche Abläufe und Investitionen durch entsprechende Rahmenbedingungen kalkulierbar zu machen.
- Hinsichtlich der Ausweisung von „Bereichen für die Sicherung und den Abbau bodennaher Bodenschätze“ (BSAB) in der Regionalplanung sind diese Rahmenbedingungen nicht immer gegeben.
- In der Abgrabungspraxis fehlen aktuell Flexibilität und Reaktionsfähigkeit, um zeitnah auf Abbauhindernisse reagieren zu können.
- Unternehmen berichten, dass die Bedarfe und Vorkommen im Monitoringbericht des Geologischen Dienstes, der u.a. als Grundlage für die Ausweisung von BSAB dient, nicht immer korrekt wiedergegeben sind.
Ziel:
- Flächen für die Rohstoffindustrie müssen langfristig und verbindlich gesichert werden.
- Die Qualitäten der Rohstoffe sollten im Regionalplan differenziert dargestellt bzw. bei der Ausweisung von BSAB berücksichtigt werden. Grundlage muss eine qualifizierte Datenbasis sein.
- In Abwägungsprozessen gilt es Entscheidungsspielräume zu nutzen. Die Lageabhängigkeit von Rohstoffen sollte dabei berücksichtigt werden.
- Die Regionalplanung sollte so ausgestaltet sein, dass mit einer möglichst großen Planungsflexibilität reagiert werden kann.
Lösungsansätze:
- Die Raumordnung sollte, unabhängig von einzelnen Gewinnungsvorhaben, langfristig Flächen und Standorte für den Rohstoffabbau sichern, indem sie Standorte planerisch festlegt und dauerhaft von Nutzungen freihält, die einer Rohstoffgewinnung entgegenstehen könnten. So kann auf der Ebene der Raumordnung ein entscheidender Beitrag geleistet werden, Nutzungskonflikte zu minimieren bzw. schon im Vorfeld auszuräumen. Dadurch könnten die nachgelagerten Zulassungsverfahren erheblich entlastet und die Erschließung von Abbaustandorten deutlich erleichtert werden.
- Die Bereitschaft zum offenen Dialog und Austausch von Unternehmen und Behörden sollte intensiviert werden – sowohl im Planungs- als auch Genehmigungsverfahren.
- Flächennutzungskonkurrenzen sollten minimiert, pauschale Abbauverbote z.B. in Trinkwasser- und Gewässerschutzzonen kritisch geprüft werden.
- 2. Flächenverfügbarkeit: Planungsflexibilität erhöhen
Zunehmende Nutzungskonkurrenz erfordert flexible Lösungen.
Situation:
- Obwohl es in Nord-Westfalen reiche Vorkommen an Rohstoffen gibt, stehen nur wenige Vorkommen für den Abbau tatsächlich zur Verfügung. Gründe hierfür liegen insbesondere in Nutzungskonkurrenzen und eigentumsrechtlichen Hürden.
- Die Bereitschaft von Dritten, Flächen zu verkaufen, die für den Rohstoffabbau geeignet sind, nimmt deutlich ab. Zunehmende Nutzungskonkurrenz treibt die Bodenpreise zusätzlich in die Höhe.
Ziel:
- Die Flächenverfügbarkeit muss gesteigert werden. Hierzu sollten auf der Ebene des Regionalplans flexiblere Regelungen getroffen werden. Beispielsweise sollten, sofern Flächen für den Abbau nicht zur Verfügung stehen, andere Flächen genutzt werden können.
- Es sollte die Möglichkeit bestehen, aus einem „Flächenvorrat“ zu schöpfen, um Flächen im Tausch (temporär) verfügbar zu machen.
Lösungsansätze:
- Ein partnerschaftlicher Dialog zwischen den bzgl. der Flächennutzung involvierten Akteuren (insb. Landwirtschaft) und den rohstoffabbauenden Unternehmen sollte verstetigt werden.
- Die Gewinnung von Rohstoffen führt zu Eingriffen in Natur und Landschaft – überwiegend jedoch nur temporär. Durch Nachnutzungskonzepte können Standorte entwickelt werden, die Belangen des Tourismus, der (ehemaligen) Flächeneigentümer oder des Naturschutzes Rechnung tragen können.
- Die Regeln zur Verfüllung nach einem Abbau von Rohstoffen sollten geprüft und ggf. angepasst werden, um einen größeren Spielraum zu ermöglichen. Dabei sollte die Art der Nachnutzung berücksichtigt werden.
- 3. Genehmigungsverfahren beschleunigen und Komplexität reduzieren
Prozessbeschreibungen für Verfahren sollten verbindlich festgelegt und Anforderungen an die einzureichenden Genehmigungsunterlagen definiert werden, sodass Unternehmen frühzeitig über Verfahrensabläufe und rechtliche Anforderungen informiert werden können.
Situation:
- Genehmigungsverfahren sind in zunehmendem Maße umfangreich und komplex. Sie sind zudem zeitaufwändig und kostenintensiv. Die Gesetzesanforderungen und Regelwerke wirken als starkes Hemmnis für die Rohstoffindustrie.
- Die Strukturen und die personelle Ausstattung von Verwaltungen hemmen z.T. eine sachgerechte und zeitnahe Bearbeitung.
- In laufenden Verfahren werden häufig neue oder von einzelnen Akteuren abhängige Anforderungen für eine Genehmigung gestellt – dies führt zu Verzögerungen und Kostensteigerungen (z.B. für weitere Gutachten).
Ziel:
- Die Schritte des Genehmigungsverfahrens müssen allen Beteiligten gegenüber transparent kommuniziert werden. Die Bereitschaft zur zeitnahen Bearbeitung sollte Konsens sein.
- Die Genehmigungsverfahren müssen in ihrer Laufzeit verkürzt und in ihrer Komplexität reduziert werden. Förderlich ist, wenn von Beginn an ersichtlich und nachvollzieh- bar ist, welche Dokumente erforderlich sind. Die Bearbeitung sollte innerhalb definierter Fristen erfolgen und Verabredungen verbindlich eingehalten werden.
- Die Verfahren müssen anhand der Sachlage entschieden werden, „politische“ Aspekte sollten fachlich fundierte Entscheidungsvorlagen nicht konterkarieren.
Lösungsansätze:
- Um die Transparenz und Verbindlichkeit zu erhöhen sowie die Komplexität in den Verfahren zu reduzieren, sollten in den Behörden weitere Personalkapazitäten für die Genehmigungsverfahren geschaffen, Zuständigkeiten geklärt, Sachkompetenzen entwickelt und ggf. externes Expertenwissen eingebunden werden.
- Prozessbeschreibungen für Verfahren sollten verbindlich festgelegt und Anforderungen an die einzureichenden Genehmigungsunterlagen definiert werden, sodass Unternehmen frühzeitig über Verfahrensabläufe und rechtliche Anforderungen informiert werden können.
- Neben den formellen Aspekten des Genehmigungsverfahrens sollten den Unternehmen auch alle Informationen und eventuell eine fachliche Voreinschätzung zum beabsichtigten Vorhaben zur Verfügung gestellt werden.
- Entscheidungskompetenzen und -spielräume sollten aktiv zur Verfahrensbeschleunigung genutzt werden. Innerhalb des Genehmigungsverfahrens müssen Abweichungen im Einzelfall gerechtfertigt sein. Nur so kann den komplexen Anforderungen an die Rohstoffgewinnung Rechnung getragen werden.
- Beschleunigungspotenziale durch eine stärkere Digitalisierung der Beteiligungs- und verwaltungsinternen Abstimmungsprozesse sollten genutzt werden. Gleichzeitig muss auch in digitalen Verfahren der Schutz unternehmensbezogener Daten sichergestellt sein.
- 4. Interessenkonflikte: Dialog zwischen den Beteiligten stärken
Politik und Wirtschaft sollten gemeinsam das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Notwendigkeit regionalen Rohstoffabbaus stärken.
Situation:
- Unternehmen berichten, dass Interessenskonflikte aufgrund verschiedener Raumnutzungsansprüche häufig emotionsgeladen diskutiert werden.
- Unklarheiten bei der Auslegung der Rechtsgrundlagen, insbesondere im Bereich Naturschutz, führen zu Konfliktpotential.
- Die Kompromissfindung mit Akteuren aus den Bereichen Umwelt- und Naturschutz wird gelegentlich durch Organisationsstrukturen erschwert. Die Positionen der Akteure auf lokaler und überregionaler Ebene weichen z.T. voneinander ab.
Ziel:
- Die Kommunikation muss auf einer sachlichen Ebene stattfinden.
- Auf lokaler Ebene ausgehandelte Kompromisse sollten von den Akteuren auf allen Ebenen mitgetragen werden.
- Es sollte gewährleistet sein, dass getroffene Verabredungen eingehalten und nicht aufgrund politischer Erwägungen aufgekündigt werden.
- Gesetzliche Rahmenbedingungen müssen harmonisiert werden, um Konflikte zwischen einzelnen fachgesetzlichen Anforderungen zu minimieren.
Lösungsansätze:
- Ein regelmäßiger Austausch zwischen verschiedenen Akteuren / Interessensvertretern kann zur schnelleren Konsensfindung für einen nachhaltigen Rohstoffabbau und zu gegenseitigem Verständnis beitragen.
- Politik und Wirtschaft sollten gemeinsam das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Notwendigkeit regionalen Rohstoffabbaus stärken.
- 5. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen: Maßgeschneiderte Kompensationskonzepte ermöglichen
Maßgeschneiderte Kompensationskonzepte sind flächensparend, kosteneffizient und nachhaltig.
Situation:
- Unternehmen aus der Branche berichten, dass die Anforderungen umweltrechtlicher Art in NRW zum Teil über die Anforderungen der EU hinaus gehen. Das führt zu Standortnachteilen für die regionale Rohstoffindustrie.
- Erforderliche Ausgleichsmaßnahmen, insb. wenn Wald in Anspruch genommen wird, führen zu erheblichen Kostensteigerungen durch unverhältnismäßige Kompensationserfordernisse und zu Kalkulationsunsicherheiten.
- Generell wird die Flächenkonkurrenz durch Kompensationsmaßnahmen, die i.d.R. auf landwirtschaftlichen Flächen erfolgen, verstärkt.
Ziel:
- Die Umsetzung umweltrechtlicher Vorgaben soll auf allen Ebenen (z. B. Gewässer- und Naturschutz) nicht über EU-Forderungen hinaus gehen, sodass Exploration und Gewinnung regionaler Rohstoffe in NRW ohne Standortnachteile möglich bleiben.
- Kompensationsmaßnahmen dürfen die Flächenkonkurrenz nicht zusätzlich erhöhen.
Lösungsansätze:
- Die Kompensationserfordernisse sollten hinsichtlich ihrer Ausgestaltung geprüft und angepasst werden.
- Die Förderung und Entwicklung alternativer Kompensationskonzepte kann alle Beteiligten entlasten.
- Kompensationsmaßnahmen sollten im Hinblick auf eine zunehmend eingeschränkte Flächenverfügbarkeit vorrangig auf eine qualitative Kompensation zielen, also z.B. solche Maßnahmen vorsehen, die gleichzeitig zu positiven Effekten für mehrere Schutzgüter und Funktionen sowie zu einer Wiedervernetzung in Form von Verbundkorridoren (Grüne Infrastruktur) führen können.
- Maßgeschneiderte Kompensationskonzepte verstärken diese Vorteile bzw. können durch Funktionsüberlagerungen die Flächeninanspruchnahme reduzieren. Solche Konzepte sind flächensparend, kosteneffizient und nachhaltig.
Rohstoffindustrie im IHK-Bezirk Nord Westfalen
Die Region Nord Westfalen verfügt über umfassende Rohstoffvorkommen. Im Münsterland und in der Emsche -Lippe-Region werden vor allem Kies und Sand, Quarzsand, Quarzki s, Ton, Tonstein, Sandstein und Mergelstein sowie Kalkstein, Mergelkalks ein, Dolomitstein und Steinsalz abgebaut.
Die Rohstoffe sind wichtige Grundlage für vielfältige Erzeugnisse und Verwendungsbereiche:
- Kies und Sand, Sandstein: Betonherstellung, Bau- und Füllstoff im Straßen-, Hoch- und Tiefbau u.a.
- Quarzsand, Quarzkies: Herstellung von Glas, Solarzellen und Feuerfestprodukten u.a.
- Ton, Tonstein, Mergelstein: Ziegeleiprodukte, Grobkeramik u.a.
- Kalkstein, Mergelkalkstein: Zementherstellung, chemische Industrie, Stahlindustrie u.a.
Die Rohstoffbasis in der Region ist also breit gefächert. Unmittelbar in und an den Lagerstätten sind zahlreiche Unternehmen größtenteils seit Jahrzehnten mit dem Abbau und der Weiterverarbeitung der Rohstoffe befasst. Entsprechend groß ist die Bedeutung für die Wirtschaft im IHK-Bezirk.
Allein in Nord-Westfalen gilt dies für rund 130 Unternehmen. Darunter sind Abgrabungsunternehmen ebenso wie Zementhersteller oder Ziegel-, Klinker-, Kalk- und Kalksandsteinwerke.