Eckpunkte zur Landtagswahl 2022

Positionen der IHK Nord Westfalen

Die „Eckpunkte zur Landtagswahl 2022“ hat die Vollversammlung der IHK Nord Westfalen am 10. März 2022 beschlossen.

Eckpunkt 1: Aktive und vorausschauende Flächenpolitik – (Re-)Aktivierung und (Neu-)Ausweisung im Gleichklang

Neben der Ausweisung neuer Flächen – bei gleichzeitigem Schutz des Freiraums – liegt die Zukunft von räumlichen Entwicklungspotenzialen für die Wirtschaft zunehmend im bestehenden Siedlungsraum. Das Ziel, die Neuausweisung von Flächen zu reduzieren, kann jedoch nur umgesetzt werden, wenn die Reaktivierung von Brach- und Konversionsflächen gleichermaßen an Tempo und Umfang zunimmt.
Damit die Aufwertung sowie Nutzungsoptimierung bestehender Gewerbegebiete und die Reaktivierung altindustrieller Flächen zu vom Markt akzeptierten Flächenpotenzialen führen, braucht es staatliche Mittel, z. B. in Form eines umfangreich ausgestatteten Flächenfonds. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des erfolgten bzw. noch laufenden Strukturwandels in besonderem Maße für die altindustriellen bzw. verdichteten Regionen in NRW.

Eckpunkt 2: Innenstadtentwicklung muss im Fokus der Landespolitik bleiben!

Endlich ist die Bedeutung des “Wirtschaftsstandorts Innenstadt” in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen. Gerade die Klein- und Mittelstädte müssen in ihren Bemühungen um Attraktivität und Frequenz unterstützt werden, um Beschäftigte in Industrie und Gewerbe am Ort zu halten. Die unterschiedlichen Aktivitäten und Lösungsansätze vor Ort (z. B. Digital Scouts, Quartiersmanager, Kümmerer etc.) sollten von Seiten der Landespolitik weiterhin gezielt unterstützt werden, um das Zusammenwirken von Einzelhandel, Gastronomie, Kultur, Dienstleistungen, Stadt und Immobilieneigentümern bestmöglich zu koordinieren und so die Zentren attraktiv zu halten.

Eckpunkt 3: Nachhaltige Mobilität: Stärkung des ÖPNV/SPNV

Vor dem Hintergrund gestiegener Mobilitätsanforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft, der Herausforderungen des Klimaschutzes sowie der Sicherung und Verbesserung der Erreichbarkeit der Unternehmen ist die Weiterentwicklung des ÖPNV/SPNV unabdingbar, um möglichst flächendeckend attraktive Alternativen zum MIV zu schaffen. Die Stärkung des kommunalen und regionalen ÖPNV (z. B. der Ausbau der regionalen Schnellbusnetze) sowie die Ausbauziele im SPNV (z. B. S-Bahn Münsterland), setzen eine Erhöhung der finanziellen Mittel auf Bundes-, Landes- und auf kommunaler Ebene voraus. Neben der Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen ist insbesondere auch die Finanzierung zusätzlicher Betriebsleistungen sicherzustellen. Das Land ist daher aufgefordert, sich gegenüber dem Bund für eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel einzusetzen. Zudem sollte die neue Landesregierung selbst Wege suchen, um den finanziellen Spielraum für die Aufgabenträger des straßengebundenen ÖPNV zu verbreitern.

Eckpunkt 4: Berufsorientierung in der gymnasialen Oberstufe verstärken!

Gute Berufsorientierung hilft, den Fachkräftebedarf zu sichern. Die Hälfte der Auszubildenden in IHK-Betrieben startet mit einem (Fach-)Abitur in die Ausbildung. Gleichzeitig brechen rund 30 Prozent der Studierenden ihr Studium ab. Gymnasiale Oberstufen sind daher besonders gefordert, gleichberechtigt über Studium und berufliche Bildung zu informieren. Berufliche Bildung bedeutet ausdrücklich Ausbildung und höhere Berufsbildung. Berufsorientierung sollte daher fester Bestandteil der Lehrkräfteaus- und -weiterbildung sein.

Eckpunkt 5: Erreichbarkeit der Berufsschulen für Auszubildende sichern!

Die Nähe zur Berufsschule ist für Auszubildende ein wichtiges Kriterium bei der Ausbildungsplatzsuche und unterstützt den Ausbildungserfolg. Gerade für den ländlichen Raum der IHK Nord Westfalen mit weit auseinander liegenden Schulstandorten sollten auch kleinere Fachklassen erhalten bleiben und genügend Lehrkräfte für guten Unterricht zur Verfügung stehen. Die Erfahrungen des Distanzunterrichtes sollten genutzt werden, um mit digitalen oder hybriden Beschulungslösungen Teile des Fachunterrichts effizienter oder schulstandortübergreifend zu vermitteln.

Eckpunkt 6: Grundsteuer aufkommensneutral und bürokratiearm gestalten

Das Land NRW orientiert sich bei der anstehenden Novellierung der Grundsteuer (Jahre 2022 bis 2025) an der bundesgesetzlichen Regelung. Diese wird absehbar zu nicht unerheblichen bürokratischen Aufwänden führen. Die Landesregierung sollte eine bürokratiearme Umsetzung unter Nutzung digitaler Verfahren sicherstellen. Zudem sollte die Reform aufkommensneutral erfolgen ohne Mehrbelastung für die Wirtschaft.

Eckpunkt 7: Realsteuerhebesätze an Bundesniveau anpassen

Die Rückführung der Gewerbesteuer- und der Grundsteuerhebesätze auf ein zum bundesdeutschen Durchschnitt vergleichbares Niveau wird zum wichtigen Wettbewerbsfaktor für die Unternehmen in NRW. Über ein umfassendes Wettbewerbsmonitoring sollte die kommende Landesregierung die Wettbewerbsbedingungen der Kommunen und der dort ansässigen Unternehmen in den Blick nehmen und eine Rückführung der hohen Steuersätze verfolgen.

Eckpunkt 8: Markt, Innovation, Energierohstoffe und -Versorgung

Die Detailsteuerung der Energiewende hat zur Folge, dass die Bedeutung des Markts im Energiesektor immer weiter zurückgedrängt wird. Die Energiewende verheddert sich in einem bürokratischen Dickicht. Die Berechenbarkeit der Energiepolitik ist gering, die Preise für Energieträger sind zu hoch und werden durch Abgaben und Umlagen stark belastet. Die hohen Energiekosten entziehen vielen Industrieunternehmen finanzielle Mittel, die dringend für Investitionen in die zukünftige Transformation in Richtung Dekarbonisierung benötigt werden. Die regionale Wirtschaft ist langfristig auf den sicheren Import von Energierohstoffen und synthetischen Energieträgern zu wettbewerbsfähigen Preisen angewiesen. Versorgungs- und Systemsicherheit müssen für die regionale Wirtschaft auf höchstem Niveau erhalten bleiben. Deshalb sollte insbesondere der Netzausbau beschleunigt werden. Erneuerbare Energien, Speicher und flexible Lasten sind in der Regel an das Verteilnetz angeschlossen, weshalb diese immer wichtiger für die Netzstabilität werden.

Eckpunkt 9: Innovationspotenziale im Mittelstand heben

Ein verschärfter technologischer Wettbewerb, kürzere Produktlebenszyklen und globale Entwicklungen wie die Digitalisierung oder der Klimawandel erhöhen den Innovationsdruck. Gerade KMU haben häufig eingeschränktere Möglichkeiten, z. B. bei der Finanzierung, bei der Fachkräftegewinnung oder auch bei der Entwicklung geeigneter FuE-Strategien. Als Innovationspartner sind KMU auch bei den Forschungseinrichtungen unterrepräsentiert. Auch das Potenzial einer innovativen öffentlichen Beschaffung wird bislang kaum genutzt. Um Innovationsvorhaben neuen Schwung zu verleihen, bedarf es einer breiten Innovations- und Standortpolitik, die sowohl kleine, junge und mittelständische Unternehmen als auch größere Unternehmen berücksichtigt.

Eckpunkt 10: Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft stärken

Die Hochschulen sowie öffentlichen und privaten Forschungseinrichtungen müssen gestärkt werden, den Wissenstransfer – und somit insbesondere die wissenschaftliche Weiterbildung, den Technologietransfer sowie die Förderung von Ausgründungen – weiter auszubauen und somit das Angebot privater FuE-Dienstleister ergänzen zu können. Die Schaffung geeigneter und bürokratiearmer Anreizsysteme sowie zusätzlicher finanzieller und personeller Ressourcen sind richtige Ansätze. Hilfreich wäre zudem eine erhöhte, insbesondere auch digitale Transparenz zu FuE- und Transferkompetenzen.

Eckpunkt 11: Bürokratie abbauen und Verfahren vereinfachen

Innovationsförderung sollte grundsätzlich entbürokratisiert werden, um innovativen mittelständischen Unternehmen einen beschleunigten Zugang zum Markt mit neuen Produkten zu ermöglichen. Die Prüfung von Gesetzesvorschläge auf Innovationsfreundlichkeit und Innovationshemmnisse, die sich aus dem geltenden Recht für Unternehmen ergeben, sollten abgebaut werden. Die Corona-bedingte Verschlankung und Flexibilisierung der Förderprogramme sollte beibehalten und auf andere Programme ausgeweitet werden.

Eckpunkt 12: Rechtliche und technische Rahmenbedingungen für die Datenökonomie verbessern

Unternehmensdaten sollten nach dem „Once-only“-Prinzip nur einmal eingegeben werden müssen. Die Politik muss gemeinsam mit der Wirtschaft und der Wissenschaft die Vernetzung von KMU entlang der Lieferkette weiterhin unterstützen und fördern. Die öffentliche Hand sollte ihre wirtschaftlich nutzbaren Daten für die Unternehmen umfassend in maschinenlesbaren Formaten zugänglich machen. Über die EU-Datenschutzgrundverordnung hinaus hat Klarheit über die Nutzungsrechte an Daten für die Wirtschaft höchste Priorität. Daher darf der Datenschutz nicht zu hohen bürokratischen Hürden führen.

Eckpunkt 13: Außenwirtschaftsförderung und Aufgabenverteilung

Die Außenwirtschaftsförderung des Landes muss unter einer starken Eigenverantwortlichkeit der Wirtschaft gesichert bleiben. Der Einfluss der IHKs auf die landesfinanzierte Außenwirtschaftsförderung sollte erhalten bleiben und wirksame Instrumente der Außenwirtschaftsförderung insbesondere auf digitaler Ebene, sollten in NRW weiter gemeinsam entwickelt werden. Die Aufgabenverteilung zwischen der Landesgesellschaft NRW.GlobalBusiness und IHKs sollte nachvollziehbar aufgeteilt sein.

Eckpunkt 14: Förderprogramme stärker auf Gründerinnen und Gründer ausrichten

Viele Gründerinnen und Gründer klagen über Schwierigkeiten bei der Finanzierung ihrer Ideen. Häufig haben Gründende im Vergleich zu bestehenden Unternehmen höhere Hürden zu überwinden, da ihre Geschäftsmodelle schwierig vom Risiko her zu bewerten sind und vertrauensbildende Elemente wie eine Unternehmenshistorie und Sicherheiten fehlen. Umso wichtiger sind öffentliche Förderungen. Das Land NRW sollte seine Förderprogramme stärker an den tatsächlichen Bedürfnissen der Grün- der*innen ausrichten, die Meistergründungsprämie ausweiten sowie Antrags- und Genehmigungsverfahren für Förderungen vereinfachen.
Die „Eckpunkte zur Landtagswahl 2022“ hat die Vollversammlung der IHK Nord Westfalen am 10. März 2022 beschlossen.