Positionspapiere
Die Unternehmen im Münsterland und in der Emscher-Lippe-Region benötigen konkurrenzfähige Standortbedingungen, um sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten. Basierend auf Positionen, die die Vollversammlung als Gesamtinteressenvertretung der gewerblichen Wirtschaft der Region beschlossen hat, fordert die IHK Nord Westfalen zur Bundestagswahl 2025 eine wirtschaftspolitische Zeitenwende mit folgenden Eckpunkten.
Erwartungen an die neue Bundesregierung
© Hartmann/IHK Nord Westfalen
Was jetzt zu tun ist:
- 1. Verlässlichkeit und Planungssicherheit wiederherstellen
Die wichtigste Aufgabe der neuen Bundesregierung ist es, schnellstmöglich das Vertrauen der Unternehmen in den Wirtschaftsstandort wiederherzustellen und die herrschende Verunsicherung zu beseitigen.Die IHK Nord Westfalen fordert deshalb eine Wirtschafts- und Energiepolitik, die den Unternehmen wieder Planungs- und Investitionssicherheit gibt.
- 2. Investitionsbremsen lösen
Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Förderung von Investitionen sind Reformen in der Steuer- und Förderpolitik notwendig.
Zu den konkreten Forderungen der IHK Nord Westfalen in diesem Bereich gehören:
- Die nominale Steuerbelastung sollte rechtsformunabhängig von derzeit rund 30 Prozent auf ein wettbewerbsfähiges Niveau von 25 Prozent reduziert werden.
- Die Gewerbesteuer sollte durch eine gewinnabhängige Kommunalsteuer mit einem eigenen Hebesatzrecht ersetzt werden. Eine systemfremde und investitionsfeindliche Besteuerung von Kosten sollte unterbleiben – das betrifft insbesondere die Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer.
- Die Zahl spezifischer Förderprogramme mit Dutzenden an Klauseln und Einschränkungen sollte deutlich reduziert werden. Stattdessen sollte es allgemeingültige, unbürokratische Angebote geben, ergänzt um Zuschussprogramme vor allem für kleine und mittlere Betriebe.
- 3. Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen sichern
Die IHK Nord Westfalen fordert eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Die hohen Energiekosten sind eine Belastung für die deutsche Wirtschaft und schränken deren internationale Wettbewerbsfähigkeit ein.
Deshalb fordert die IHK Nord Westfalen:
- Die Energiewende erfolgt bisher nicht unter Wirtschaftlichkeitsaspekten. Das führt bisher zu hohen Kosten und Belastungen für Unternehmen. Das Projekt Energiewende bedarf deshalb eines Projektmanagements und eines Controllings, um die bisherigen Kosten zu ermitteln, die noch zu erwartenden Kosten einzuschätzen, die Finanzierung sicherzustellen und den realistischen Projektabschluss einzuschätzen. Dies muss eine vordringliche Aufgabe der neuen Bundesregierung sein.
- Die nächste Bundesregierung muss auf Basis der im Raum stehenden Vorschläge schnell einen neuen, gemeinsamen und über die Grenzen der Legislaturperioden geltenden Kompass für die Energiewende in Deutschland erarbeiten und transparent machen. Dazu muss festgelegt werden, welche Technologien kurz-, mittel- und langfristig genutzt und gefördert werden, welche finanziellen Lasten tragbar sind und welcher Zeithorizont angestrebt werden soll. Es braucht eine klare Verständigung über den zumutbaren Rahmen für die Wirtschaft, insbesondere die Industrie.
- Ein wichtiges Anliegen der Wirtschaft ist der Erhalt der Versorgungssicherheit, die zu den zentralen Standortfaktoren für Unternehmen gehört. Kurzfristig muss deshalb sichergestellt werden, dass Kraftwerkskapazitäten nur dann abgeschaltet bzw. stillgelegt werden, wenn eine andere, nicht volatile Ersatzleistung gesichert und grundlastfähig zur Verfügung steht.
- Die Übernahme der EEG-Umlage in den Bundeshaushalt, die ein erster notwendiger Entlastungsschritt war, sollte durch eine umfassende Reform der „Nebenkostenstruktur" ergänzt werden. Dazu zählen insbesondere die Absenkung der Stromsteuer für alle Branchen auf das europäische Mindestmaß. Grundsätzlich müssen die staatlich induzierten Abgaben und Umlagen auf den Strompreis genauso gesenkt werden wie die Gesamt- kosten der Energiewende bzw. Transformation.
- 4. Bürokratie abbauen
Wir brauchen nicht nur eine Atempause bei neuen Gesetzen, sondern einen Abbau von bestehenden rechtlichen Vorschriften mit einer mess und spürbaren Entlastungswirkung für die Unternehmen.
Deshalb fordert die IHK Nord Westfalen:
- Es muss ein kontinuierlicher und systematischer Bürokratieabbaupfad festgelegt werden, wie es der Nationale Normenkontrollrat auch in seinem Jahresbericht 2024 beschrieben hat.
- Die Bundesregierung sollte sich selbst rechtsverbindlich dazu verpflichten, in Deutschland eine möglichst schlanke und praxisorientierte Umsetzung der EU-Regulierungen sicherzu- stellen, die nicht über die EU-Regelungen hinausgeht. Ganz konkret sollten die vorliegen- den Vorschläge der IHK-Organisation zum Thema Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) und zur EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) umgesetzt werden.
- Die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege sollten nicht wie vom 4. Bürokratieentlas- tungsgesetz vorgesehen von zehn auf acht Jahre, sondern auf fünf Jahre reduziert werden. Entsprechend sollten Bund und Länder auf Betriebsprüfungen spätestens fünf Jahre nach der Steuerentstehung verzichten.
- Das Vergaberecht sollte so vereinfacht werden, dass sich mehr Unternehmen auch tatsächlich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen.
- 5. Fachkräftemangel reduzieren
Der Fachkräftemangel bleibt angesichts der demografischen Entwicklung unabhängig von einer konjunkturbedingten Abschwächung eine der größten Herausforderungen auch für die Unternehmen im Münsterland und in der Emscher-Lippe-Region.
Deshalb fordert die IHK Nord Westfalen:
- Die schulischen Grundqualifikationen aller Schulabgänger müssen verbessert werden und wirtschaftsbezogene Zusammenhänge stärker im Unterricht berücksichtigt werden. Hierfür müssen ausreichend Lehrkräfte gewonnen werden, etwa durch verkürzte Vorbereitungsdienste und vereinfachte Quereinstiege.
- Die Einführung eines verpflichtenden Gemeinschaftsdienstes würde aus Sicht der Wirtschaft in Nord-Westfalen sowohl den Fachkräftebedarf im sozialen Bereich und damit die Fachkräftekonkurrenz zur übrigen Wirtschaft lindern als auch junge Menschen mit Erfahrungen ausstatten, die im Arbeitsleben von großem Vorteil sind.
- Zur Erhöhung der Gesamtarbeitsleistung sollten deutliche steuerliche Anreize für Überstunden und Berufstätigkeit in der Rente gesetzt werden.
- Der Prozess der Fachkräfteeinwanderung muss erheblich beschleunigt und entbürokratisiert werden. Unternehmen könnten z. B. selbst entscheiden, wer ausreichend qualifiziert ist. Menschen mit Berufserfahrung sollten daher mit Arbeitsvertrag schon bei einem Jahreseinkommen von 36.000 Euro aufwärts nach Deutschland kommen können.
- 6. Technischen Fortschritt unterstützen
Basis für eine auf Dauer wettbewerbsfähige Industrie sind Investitionen in Innovationen und digitale Infrastrukturen. Die Bundesregierung sollte dringend gezielt in den Ausbau digitaler Infrastruktur investieren und Unternehmen durch Förderprogramme und steuerliche Anreize für Forschung und Entwicklung unterstützen.
Zu den konkreten Forderungen der IHK Nord Westfalen in diesem Handlungsfeld gehören:
- Die Unternehmen brauchen einen einfachen und bürokratiearmen Zugang zu Forschungsförderung und -einrichtungen. Der Fokus sollte auf unbürokratische steuerliche Forschungsförderung gelegt werden.
- Die MINT-Fächer müssen in der Schule stärker gewichtet und die MINT-Förderung muss über die Schule hinaus in Kooperation mit Unternehmen ausgeweitet werden.
- Die Bedingungen für Unternehmensgründungen aus den Hochschulen heraus müssen weiter verbessert werden.
- 7. Infrastruktur sichern und weiterentwickeln
Eine gut ausgebaute und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist einer der wichtigsten Standortfaktoren für den Erfolg von Unternehmen und damit eine wesentliche Voraussetzung für Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Beschäftigung in der Region.
Zu den konkreten Forderungen der IHK Nord Westfalen in diesem Handlungsfeld gehören:
- Die von Bund und Ländern im Pakt zur Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung beschlossenen Gesetzesänderungen müssen lückenlos umgesetzt werden. Um die Verfahren für Unternehmen praxistauglicher zu gestalten, müssen unnötige Genehmigungs- und Prüfpflichten abgebaut werden, konkret durch Einführung höherer Bagatellschwellen für genehmigungsfreie Vorhaben oder Ausnahmen von Prüfungen bei Anlageänderungen.
- Sowohl für die Erhaltung und Sanierung als auch für wichtige Neu- und Ausbauprojekte müssen deutlich mehr finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt und die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Dies schließt auch modernere Finanzierungsformen wie ÖPP und in besonderen Fällen die Schaffung von Baurecht per Maßnahmengesetz ein.
- Die Wirtschaft braucht eine vorausschauende Flächenpolitik, die die Transformation der Unternehmen unterstützt und die Zukunftschancen des Wirtschaftsstandortes sichert. Kommunen sollten durch eine aktive und rechtzeitige Bauleitplanung dafür Sorge tragen, dass die durch die Regionalplanung eingeräumten Spielräume zur Siedlungsentwicklung in vermarktungsfähige Flächenangebote umgesetzt werden.
Kontakt
Dr. Sebastian Rehse