IHK-Jahresbericht 2023

Wirtschaftliche Entwicklung der Region

Die Folgen der multiplen Krisen der vergangenen Jahre (Corona-Pandemie und Energiekrise) belasteten die Wirtschaft. Die Spuren waren unverkennbar. Die gesamtdeutsche Wirtschaftsleistung lag im Jahr 2023 nur wenig (0,7 Prozent) über dem Niveau wie zu Beginn der Corona-Pandemie vor knapp vier Jahren – so das Ergebnis des Statistischen Bundesamts in seiner aktuellen Jahresrechnung. Das Bruttoinlandsprodukt ist im Jahr 2023 um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. 
Nordrhein-Westfalen war stärker von der Rezession betroffen als Deutschland insgesamt. Im ersten Halbjahr 2023 lag die Wirtschaftsleistung gemessen am Bruttoinlandsprodukt um 1,3 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum (Deutschland insgesamt: – 0,3 Prozent).
Die konjunkturelle Schwäche manifestierte sich auch in der IHK-Region Nord-Westfalen – das zeigte das repräsentative Stimmungsbild aus den IHK-Konjunkturumfragen mit dem IHK-Konjunkturklimaindikator, der zuletzt deutlich unter dem langjährigen Durchschnittsergebnis lag. Bis zum Herbst 2023 ist die erhoffte konjunkturelle Wende ausgeblieben, die wirtschaftliche Schwäche hielt sich hartnäckig. Nach leichter Erholung im Frühjahr ist eine Abkühlung über den Herbst hinaus nicht unwahrscheinlich. 
Der nur allmählich abklingende starke Preisauftrieb und die ausgeprägte Nachfrageschwäche sowohl im Inland als auch aus dem Ausland prägten die wirtschaftliche Situation. Trotz im Jahresverlauf sinkender Energiepreise lasteten insgesamt hoher Kosten- und Transformationsdruck auf der Wirtschaft. Die Energiepreise, die 2022 infolge des russischen Angriffskriegs extrem gestiegen waren, stabilisierten sich auf hohem Niveau und belasteten insbesondere die Industrieproduktion.
Die jahresdurchschnittliche Inflationsrate – gemessen am Verbraucherpreisindex für Deutschland im Vergleich zum Vorjahr - lag bei 5,9 Prozent. Sie fiel damit geringer aus als im Jahr zuvor (historischer Höchststand mit 6,9 Prozent). Im November 2023 hatte sich die Inflationsrate den fünften Monat in Folge abgeschwächt und war im Dezember wieder gestiegen (auf 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat).
Besonders gedämpft war die Industriekonjunktur. Zwar hat sich das Problem der Lieferketten weiter entspannt, doch die Auftragsbestände sind gesunken, das Neugeschäft immer schwächer geworden – im Ergebnis wurde die Produktion gedrosselt. Dies belegen auch die offiziellen Umsatzzahlen der nord-westfälischen Industrie, wonach in den ersten neun Monaten des Jahres ein Rückgang um 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen war (Quelle: IT.NRW). Die Produktion in den energieintensiven Industrien, die auch in der Emscher-Lippe-Region stark vertreten sind, fiel nochmals schwächer aus als in der Industrie insgesamt (zu den energieintensiven Branchen zählen Chemische Industrie, Metallverarbeitung, Glas-, Keramik-, Zementindustrie). Die Bruttowertschöpfung in der deutschen Industrie ging im Vorjahresvergleich um 0,4 Prozent zurück.
Auch das Baugewerbe, v.a. der Wohnungsbau/Hochbau, ist in schwieriges Fahrwasser geraten. Der restriktive Kurs der Geldpolitik und die Zinserhöhungen der EZB sind hier besonders schmerzhaft. Dagegen konnte die Produktion im Tiefbau und im Ausbaugewerbe gesteigert werden. Insgesamt erreichte die Bruttowertschöpfung im deutschen Baugewerbe 2023 preisbereinigt ein kleines Plus von 0,2 %.
In weiten Teilen des Handels war eine anhaltende Konsumflaute spürbar. Kaufzurückhaltung hat im Jahr 2023 zu sinkenden Einzelhandelsumsätzen geführt. Der Einzelhandel in Deutschland hat nach einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Jahr 2023 real (preisbereinigt) 3,1 % weniger Umsatz und nominal (nicht preisbereinigt) 2,4 Prozent mehr Umsatz erwirtschaftet als im Jahr 2022. 
Insgesamt sind die Konsumausgaben der privaten Haushalte im Inland im Jahr 2023 preisbereinigt um 1,1 Prozent zurückgegangen und lagen damit weiter unter dem Vorkrisenniveau des Jahres 2019. Mit der nachlassenden Inflationsdynamik wäre eine grundsätzliche Voraussetzung für die zukünftige Belebung des privaten Konsums gegeben. 
Auch die nord-westfälische Exportwirtschaft hat nicht zu früherer Stärke zurückgefunden. Trotz nachlassender Lieferkettenstörungen ist das Exportgeschäft im vergangenen Jahr nicht stärker in Gang gekommen und ließ bis zuletzt keine Dynamik erkennen. Zwar hatte sich mit Abflauen der Corona-Krise eine Wende zum Besseren gezeigt, doch diese ist mit Beginn des Ukraine-Russland-Konflikts wieder zum Erliegen gekommen. Die schwache Weltkonjunktur dämpfte die Nachfrage und war für 38 Prozent der im Herbst befragten Exportunternehmen ein Problem. Die schon seit Jahren schwierigeren geopolitischen Rahmenbedingungen, derzeit vor allem auch die Spannungen zwischen den USA und China, der anhaltende Krieg zwischen Russland und der Ukraine und der neu aufgekommene Nahostkonflikt, dämpften den Welthandel. 
Der anhaltende Wirtschaftsabschwung ist auch auf dem Arbeitsmarkt angekommen, doch der zeigte sich weiter grundsätzlich robust. Die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen war im Herbst verhaltener als noch im Frühjahr. Hier war festzustellen, dass ein temporär geringerer Arbeitskräftebedarf durch die gedämpfte Konjunktur durch den strukturellen Fachkräftemangel (noch) weitgehend ausgeglichen wird. 
Im Jahresdurchschnitt 2023 lag die Zahl der Arbeitslosen in Nord-Westfalen bei rund 93.600 und damit gut neun Prozent höher als im Vorjahr (Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit). Bis zum März 2023 (aktuellster Wert) war die Tendenz bei den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen weiter aufwärts gerichtet: Es wurden rund 993.300 Beschäftigte in Nord-Westfalen registriert und damit 1,1 Prozent mehr (rund 11.000 absolut) als im entsprechenden Vorjahresmonat.
Konjunktursorgen und Unsicherheiten hinsichtlich der weiteren wirtschaftlichen Perspektiven waren bis zuletzt deutlich spürbar. Die von den nord-westfälischen Unternehmen im Herbst benannten größten Konjunkturrisiken waren: Sorge vor weiteren Nachfragerückgängen, Kostendruck auch durch Lohnanhebungen, Energie- und Rohstoffpreise, Fach- und Arbeitskräftemangel sowie die allgemeine Unzufriedenheit mit den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, insbesondere Bürokratie und hohe Regulierung. Infolgedessen sind dringend erforderliche private (unternehmerische) Investitionen ausgeblieben, die Investitionsneigung war eher verhalten denn von Dynamik gekennzeichnet.