Kauf- und Vertragsrecht

Produkthaftung

Allgemein

Unter Produkthaftung versteht man die Haftung des Herstellers für Schäden, die aus der Benutzung seiner Produkte resultieren. Geregelt ist sie im Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG). Die Regeln des ProdHaftG treten neben die Haftung aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Deshalb bleiben beispielsweise Mängelansprüche von der Haftung aus dem ProdHaftG unberührt. Das ProdHaftG ist zwingendes Recht und kann daher vertraglich nicht abgeändert oder ausgeschlossen werden.

Abgrenzung zur Mängelhaftung

Produkthaftungsansprüche sind zu unterscheiden von Mängelansprüchen, die sich entweder aus dem mit dem Verkäufer geschlossenen Kaufvertrag oder einer Garantie ergeben können.
Beispiel:
Werden nach dem Inverkehrbringen von Produkten Sicherheitsmängel festgestellt, sind die Herstellerpflichten darauf beschränkt, vor etwaigen Gefahren zu warnen und dafür Sorge zu tragen, dass bereits ausgelieferte gefährliche Produkte möglichst effektiv aus dem Verkehr gezogen werden. Die Herstellerhaftung ist hingegen nicht darauf gerichtet, dem Erwerber/Benutzer eine mangelfreie Sache zur Verfügung zu stellen. Denn es geht im Produkthaftungsrecht lediglich um den Schutz absoluter Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit und Eigentum. Folglich muss ein Hersteller auch nicht die Kosten für Nachrüstungen tragen.

Anspruchsvoraussetzungen

Paragraph (§ )1 Absatz (Abs.) 1 ProdHaftG begründet eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung. Verschuldensunabhängige Haftung bedeutet, dass der Hersteller auch dann haftet, wenn ihm weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann. Der Hersteller haftet sogar bei nicht vermeidbaren Fehlern an Einzelstücken (sogenannte „Ausreißer“). Bei industrieller Fertigung, in der Endprodukte oftmals aus vielen einzelnen Teilprodukten von unterschiedlichen Herstellern zusammengesetzt werden, wird bei der Geltendmachung von Haftungsansprüchen nicht selten die Frage nach dem Verantwortlichen aufgeworfen. Häufig können mehrere der Hersteller nebeneinander haftbar gemacht werden und eventuell auch noch Importeure und Händler die Haftungskette erweitern.
Für einen Schadensersatzanspruch nach § 1 Abs. 1 ProdHaftG müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
  • Es muss ein fehlerhaftes Produkt vorliegen. Produkt im Sinne des § 2 ProdHaftG ist jede bewegliche Sache, auch wenn sie Teil einer anderen Sache ist, sowie Elektrizität. Unter den Produktbegriff fallen zudem landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Jagderzeugnisse. Ein Fehler liegt vor, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigten Sicherheitserwartungen des Verbrauchers nicht erfüllt werden. Sicherheitserwartungen können sich aus der Darbietung, dem üblicherweise zu erwartenden Gebrauch und/oder dem Zeitpunkt der Inverkehrbringung ergeben.
  • Die Verletzungshandlung muss in Form einer Tötung, einer Körper- oder Gesundheitsverletzung oder einer Sachbeschädigung an einer anderen Sache als dem fehlerhaften Produkt erfolgt sein. Im Falle einer Sachbeschädigung muss die Sache zugleich für den privaten Gebrauch gemacht und auch bestimmungsgemäß eingesetzt worden sein. Das Vermögen als solches ist nicht geschützt.
  • Darüber hinaus ist erforderlich, dass der Schaden auf den Produktfehler zurückzuführen ist.
  • Anspruchsberechtigt ist sowohl der unmittelbar als auch der mittelbar Geschädigte.
  • Nach § 1 ProdHaftG haftet der Hersteller. Dieser Begriff wird in § 4 ProdHaftG konkretisiert.
  • Es haften:
    - der tatsächliche Hersteller des Endprodukts.
    - der Zulieferer eines Teilprodukts, sofern dieses tatsächlich fehlerhaft war.
    - der Importeur eines Produkts von außerhalb der EU.
    - der Händler, soweit er auf dem Produkt seinen Namen, sein Warenzeichen oder ein anderes unterscheidungskräftiges Kennzeichen anbringt.
    - der Lieferant, wenn der Hersteller des Produkts nicht festgestellt werden kann. Dies gilt nicht, wenn der Lieferant innerhalb eines Monats, nachdem er durch den Geschädigten aufgefordert worden ist, den Namen seines Vorlieferanten oder Herstellers mitteilt.
Alle aufgeführten Personen haften als Gesamtschuldner, so dass sich der Geschädigte beispielsweise den Finanzkräftigsten herausgreifen kann. Nach § 1 Abs. 2 und 3 ProdHaftG ist die Haftung ausgeschlossen, wenn:
  • der Hersteller das Produkt nicht in den Verkehr gebracht hat (Beispiel: das Produkt wurde ihm gestohlen).
  • der Fehler nach dem Inverkehrbringen des Produkts entstanden ist (Beispiel: es wurde eine unsachgemäße Reparatur durchgeführt).
  • das Produkt nur für den privaten Eigenbedarf gefertigt wurde.
  • der Fehler auf der Berücksichtigung von zwingendem Recht beruht.
  • der Fehler nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zur Zeit des Inverkehrbringens nicht erkannt werden konnte.
  • das Teilprodukt eines Zulieferers für sich fehlerfrei war und der Fehler erst durch die Herstellung des Endprodukts entstand.
Für den Fehler, den Schaden und den ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden ist der Geschädigte beweispflichtig (§1 Abs. 4 ProdHaftG). Der Hersteller muss Umstände, welche ihn entlasten können, beweisen. Für beide gilt, dass etwas dann bewiesen ist, wenn dafür die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht.
Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre (§ 12 ProdHaftG). Sie beginnt, wenn der Geschädigte von dem Schaden, dem Fehler und dem Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt oder hätte erlangen müssen. Sind seit dem Inverkehrbringen des Produkts mehr als zehn Jahre vergangen, können keine Ansprüche aus Produkthaftung mehr geltend gemacht werden (§ 13 ProdHaftG).
Umfang der Ansprüche aus Produkthaftung
  • Personenschäden sind vom Hersteller bis zu einer Höhe von 85 Mio. Euro zu ersetzen. Eine maßgebliche Änderung hat das zweite Gesetz zur Änderung schadenersatzrechtlicher Forderungen, welches am 1. August 2002 in Kraft getreten ist, bewirkt. § 8 ProdHaftG billigt dem Geschädigten – anders als in der Vergangenheit – nunmehr einen Schmerzensgeldanspruch zu.
  • Sachschäden müssen nur ersetzt werden, soweit andere Sachen als das Produkt selbst beschädigt wurden. Die Haftung wird weiter auf Sachen beschränkt, die für den Privatgebrauch bestimmt sind und auch hauptsächlich für private Zwecke verwendet wurden. Der Geschädigte muss sich zudem mit einem Betrag von 500 Euro selbst an der Beseitigung des Sachschadens beteiligen. Bei der Haftung für Sachschäden gibt es indes keine Obergrenze.
Das ProdHaftG ist zwingendes Recht und kann vertraglich nicht abgeändert oder ausgeschlossen werden.
Ergänzt wird das ProdHaftG durch das am 1. Mai 2004 in Kraft getretene Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG).  Vorschriften zur Produktsicherheit stellen die Anforderungen an die Sicherheit von Produkten und deren Überwachung dar.
Hinweis:
Die Veröffentlichung von Merkblättern ist ein Service der IHK Nord Westfalen für ihre Mitgliedsunternehmen. Die Merkblätter enthalten nur erste Hinweise und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.