Verträge mit Russischen Unternehmen
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 sind zahlreiche Sanktionen der EU und weiterer Staaten in Kraft getreten. Auch zivilrechtlich hat der Konflikt durch die Ausfälle von Flugverbindungen, die Störung von Lieferketten, die umgesetzten Sanktionen und andere den Geschäftsverkehr behindernde Umstände Auswirkungen auf bereits geschlossene Verträge.
Beachtung der Sanktionslisten
Verträge mit russischen Geschäftspartnern müssen auf die neuen Sanktionsregelungen überprüft werden.
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Die aktuellen Sanktionskataloge enthalten Listen von Personen, Unternehmen und Institutionen, einschließlich Kreditinstituten, mit denen jegliche Transaktionen und Geschäftsbeziehungen bis auf Weiteres verboten sind. Des Weiteren sind die Lieferungen bestimmter Technologien wie Halbleitern oder modernster Software beschränkt.Es liegt in der Verantwortung jedes einzelnen Unternehmens, umgehend zu überprüfen, ob eine der aufgeführten Personen oder Institutionen Vertragspartner ist bzw. Warenlieferungen betroffen sind, deren Zugang für Russland beschränkt ist.
Force Majeure-Klauseln
Manchmal sind Force-Majeure-Klauseln für Fallkonstellationen, die die Erfüllung der Leistungspflicht verzögern oder unmöglich machen, bereits Vertragsbestandteil. Jeder Vertrag muss individuell betrachtet und geprüft werden.
Sind Klauseln zur Höheren Gewalt aufgenommen (sog. Force Majeure Klausel) muss geprüft werden, ob militärische Konflikte/Kriege nicht ausgeschlossen wurden und wie das weitere Vorgehen geregelt ist.
Häufig sind die Force Majeure Klauseln jedoch sehr allgemein formuliert, sodass nicht immer klar ist, welche Ereignisse umfasst sind. Hier kommt es immer auf die Auslegung der individuellen Klausel an.
Auch der Zeitpunkt des Vertragsschlusses kann in diesem Zusammenhang relevant sein. Insofern ist zu berücksichtigen, ob die aktuellen Sanktionen von den Vertragsparteien vorhergesehen werden konnten. Ist dies nicht der Fall, dürften die in den Verträgen befindlichen Klauseln diese Sanktionen umfassen. Für neuere Verträge, die schon unter dem Eindruck der politischen Krise geschlossen wurden, müssten die mit aktuellen Sanktionen verbundenen Probleme der Vertragserfüllung wahrscheinlich schon ausdrücklich in den Vertrag bzw. als Force Majeure-Klausel aufgenommen werden.
Geprüft werden sollte auch, ob Verträge gegebenenfalls eine spezielle Sanktionsklausel enthalten, die das Recht vorsieht, vertragliche Bindungen sofort zu lösen, wenn die Geschäftstätigkeit gegen Sanktionsregelungen verstoßen würde.
Anwendbares Recht
Enthalten Verträge keine besonderen Klauseln zu Höherer Gewalt gelten die gesetzlichen Regelungen. Hier ist zunächst zu prüfen, welches Recht auf den konkreten Vertrag anwendbar ist.
Verträge enthalten häufig eine Rechtswahlklausel, welche ausdrücklich auf die Rechtsordnung eines bestimmten Landes verweist.
Sofern die Vertragsparteien keine Rechtswahl getroffen haben, ist das anwendbare Recht anhand der Regelungen des internationalen Privatrechts zu ermitteln. Bei grenzüberschreitenden Kauf- bzw. Lieferverträgen kommt bei fehlender Rechtswahlvereinbarung regelmäßig das Recht am Sitz des Verkäufers / Lieferanten zur Anwendung. Da sowohl Deutschland als auch Russland Mitgliedstaaten des Wiener Kaufrechtsübereinkommens sind, schließt dies die Geltung des UN-Kaufrechts (CISG) als Bestandteil des jeweiligen nationalen Rechts mit ein. UN-Kaufrecht ist nur dann nicht anwendbar, wenn dieses explizit im Vertrag ausgeschlossen wurde.
Bei einem internationalen Liefervertrag nach UN-Kaufrecht kann nach Art. 79 CISG die Haftung des Unternehmers grundsätzlich für ein aus höherer Gewalt resultierendes Leistungshindernis entfallen.
Auch das russische Recht lässt grundsätzlich eine Berufung auf Höhere Gewalt zu und fasst darunter „außergewöhnliche“ und „unvermeidbare“ Umstände. Offen bleibt jedoch, was genau unter außergewöhnlichen und unvermeidbaren Umständen zu verstehen ist und insbesondere, ob Sanktionen hierunter fallen. Hier wird die russische Rechtsprechung von Bedeutung sein.
Wenn deutsches Recht anwendbar ist, kann eine Suspendierung der gegenseitigen Leistungspflichten aufgrund von Unmöglichkeit nach § 275 BGB oder aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB erfolgen. Eine spezielle Regelung zur höheren Gewalt bei Lieferverträgen gibt es im deutschen Recht nicht.
Entfallen der Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit
Nach § 275 I BGB ist der Anspruch auf die Leistung ausgeschlossen, soweit die Leistung für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Bei vorübergehender Unmöglichkeit ist der Lieferant zumindest bis zur Beseitigung der Beeinträchtigung von seiner Lieferpflicht befreit. Nicht jede Störung führt aber automatisch zu einer Unmöglichkeit der Leistungserbringung des Lieferanten. Die Leistungspflicht ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil eine Lieferung nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist. Daher müssen Unternehmen zunächst alle alternativen Möglichkeiten der Leistungserbringung im konkreten Fall berücksichtigen. Es kommt dabei immer auf den jeweiligen Einzelfall an.
Störung der Geschäftsgrundlage
Wenn weder eine Force Majeure-Klausel vereinbart wurde noch ein Fall der Unmöglichkeit vorliegt, kann eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB gegeben sein. Hierfür gilt ein strenger Anwendungsmaßstab, da Verträge grundsätzlich einzuhalten sind. Unter die sogenannte große Geschäftsgrundlage fällt die Erwartung der Vertragsparteien, dass sich die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen nicht grundlegend verändern werden. Als Störung der Geschäftsgrundlage werden daher Kriege, kriegsähnliche Entwicklungen, Währungsverfall, Naturkatastrophen und andere grundlegende Änderungen der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse anerkannt. In solchen Fällen kann eine Anpassung des Vertrags beispielsweise in Form der Verlängerung von Lieferfristen verlangt werden. Diese Fälle höherer Gewalt führen jedoch nicht automatisch zu Schadensersatzansprüchen oder der Möglichkeit den Vertrag einseitig zu beenden. Rechtsfolge einer gestörten Geschäftsgrundlage ist zunächst eine Vertragsanpassung nach § 313 I BGB und bei Unzumutbarkeit einer solchen Anpassung ein Rücktritts- oder Kündigungsrecht nach § 313 III BGB zu.
Empfehlung
Wird für den Lieferanten ersichtlich, dass er aufgrund von Umständen höherer Gewalt seinen Leistungspflichten nicht nachkommen kann, sollte er seinen Kunden bzw. Abnehmer über das Leistungshindernis und dessen voraussichtlicher Dauer unverzüglich unterrichten. Denn den Lieferanten trifft diesbezüglich in der Regel eine Informationspflicht gegenüber seinem Kunden. Die Verletzung dieser Pflicht kann zu Schadensersatzansprüchen aus §§ 280 I, 241 II BGB führen.
Die rechtliche Bewertung, ob ein Fall höherer Gewalt mit den damit verbundenen Rechtsfolgen vorliegt, ist immer vom Einzelfall abhängig. Damit verbleibt eine gewisse Rechtsunsicherheit. Es ist deshalb immer ratsam, Lieferprobleme und Engpässe direkt mit dem Geschäftspartner unter Hinweis auf die rechtlichen Rahmenbedingungen zu klären.