Best-Effort-Klausel gegen Sanktionsumgehungen

Im Zuge der verschärften EU-Sanktionen gegen Russland hat die Europäische Kommission mit Artikel 8a der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 ein zentrales Instrument geschaffen, um die Umgehung restriktiver Maßnahmen durch Tochtergesellschaften in Drittstaaten zu verhindern. Diese sogenannte Best-Effort-Klausel verpflichtet EU-Unternehmen, „nach besten Kräften“ sicherzustellen, dass ihre ausländischen Tochtergesellschaften keine Aktivitäten ausüben, die den Zweck der Sanktionen untergraben.
Laut Artikel 8a der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 müssen EU-Unternehmen nach besten Kräften sicherstellen, dass von ihnen kontrollierte oder gehaltene Nicht-EU-Gesellschaften keine Aktivitäten ausüben, die die Wirkung der EU-Sanktionen gegen Russland untergraben. Dies betrifft insbesondere:
  • die Lieferung verbotener Güter nach Russland,
  • den Transfer sensibler Technologien,
  • die Bereitstellung von Finanzmitteln, oder
  • die Erbringung von Dienstleistungen
mit Bezug zu Russland.

Was bedeutet „Best Efforts“ konkret?

Diese Verpflichtung ist nicht absolut, sondern orientiert sich an dem, was für das jeweilige Unternehmen realistisch, zumutbar und durchführbar ist. Dabei sind insbesondere folgende Faktoren zu berücksichtigen:
  • Das Drittland, in dem die Tochtergesellschaft tätig ist – insbesondere, ob dort lokale Gesetze die Umsetzung von EU-Sanktionsmaßnahmen behindern oder verbieten.
  • Die Branche und das Risikoprofil – z. B. ob es sich um besonders sanktionsrelevante Sektoren wie Technologie, Energie oder Rüstung handelt.
  • Die Rechtsform und konkrete Geschäftstätigkeit der Tochtergesellschaft – etwa ob sie operativ tätig ist oder nur als Holding fungiert.
  • Der Grad der Kontrolle durch das EU-Unternehmen – also ob es sich um eine Mehrheitsbeteiligung, eine operative Steuerung oder nur eine passive Beteiligung handelt

„Untergraben“ vs. „Umgehen“

Ein wichtiger Aspekt der neuen Leitlinien ist die Unterscheidung zwischen dem „Untergraben“ und dem „Umgehen“ von Sanktionen. Während „Umgehung“ verdeckte oder formale Umgehungsstrategien beschreibt, bezieht sich „Untergraben“ auf Handlungen, die die Wirkung der Sanktionen direkt konterkarieren – etwa durch die indirekte Unterstützung russischer Kriegswirtschaft durch Tochtergesellschaften.

Praktische Umsetzung für Unternehmen

EU-Unternehmen sind angehalten, ihre Compliance-Strukturen zu überprüfen und zu stärken. Dazu gehören:
  • Implementierung von Compliance-Programmen, die auch für Tochtergesellschaften außerhalb der EU gelten.
  • Schulungen und Sensibilisierung der Mitarbeitenden in Drittstaaten zu Sanktionsvorgaben.
  • Due-Diligence-Prüfungen bei Geschäftspartnern und internen Prozessen.
  • Einschränkung des Zugangs zu geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen, wenn diese zur Umgehung von Sanktionen genutzt werden könnten.
  • Risikobewertung regelmäßig aktualisieren, insbesondere bei Tochtergesellschaften in Hochrisikostaaten.
  • Schnelle Reaktion auf Verstöße, z. B. durch interne Untersuchungen oder Sanktionen gegenüber Tochtergesellschaften.

Haftung und Grenzen der Verpflichtung

Die Kommission sieht es bereits als Verstoß gegen Artikel 8a an, wenn ein EU-Unternehmen Kenntnis von sanktionsrelevanten Aktivitäten seiner Tochtergesellschaft hat und nicht aktiv dagegen vorgeht. Dies kann sogar als Verstoß gegen das Umgehungsverbot nach Artikel 12 gewertet werden.
Gleichzeitig gilt: Wenn z. B. ausländisches Recht wirksame Maßnahmen verhindert oder strafrechtliche Risiken für lokale Mitarbeitende bestehen, wird dies im Rahmen der Bewertung berücksichtigt. Ein selbstverschuldeter Kontrollverlust – etwa durch mangelhafte Risikobewertung oder strategische Entscheidungen – entbindet jedoch nicht von der Verantwortung.