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Neue EU-Maschinenverordnung

Die neue Verordnung (EU) 2023/1230 über Maschinen (Berichtigung vom 4. Juli 2023) ist am 29. Juni 2023 im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden. Sie löst die bisherige Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ab. Sie gilt in vollem Umfang ab 20. Januar 2027 in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Einzelne Regelungen treten aber bereits früher in Kraft. Hersteller müssen damit für Ihre Maschinen ab dem Stichtag die Konformitätserklärung, die technischen Unterlagen usw. entsprechend der neuen Verordnung erstellen.

Geltungsbereich

Die Verordnung gilt gemäß Artikel 2 Absatz 1 für vollständige und unvollständige Maschinen sowie für dazugehörige Produkte wie auswechselbare Ausrüstungen, Sicherheitsbauteile, Lastaufnahmemittel, Ketten, Seile und Gurte sowie abnehmbare Gelenkwellen. In Absatz 2 werden einige Ausnahmen aufgeführt.

Pflichten der Hersteller

von vollständigen Maschinen und dazugehörigen Produkten (Artikel 10), im Folgenden “Produkte” genannt:
  1. Beim Inverkehrbringen oder bei der Inbetriebnahme des Produkts ist sichergestellt, dass es den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen nach Anhang III entspricht.
  2. Vor dem Inverkehrbringen oder der Inbetriebnahme des Produkts sind die in Anhang IV Teil A aufgeführten technischen Unterlagen erstellt, das einschlägige Konformitätsbewertungsverfahren (Artikel 25) durchgeführt, die Konformitätserklärung (Artikel 21) ausgestellt und das CE-Zeichen (Artikel 24) angebracht.
  3. Die Hersteller bewahren die technischen Unterlagen und die EU-Konformitätserklärung nach dem Inverkehrbringen oder der Inbetriebnahme des Produkts mindestens zehn Jahre lang für die Marktüberwachungsbehörden auf. Quellcodes oder Programmierlogiken, die für die in Anhang III aufgeführten grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen von Belang sind, sind auf Anfrage der nationalen Behörde zur Verfügung zu stellen.
  4. Mit geeigneten Verfahren muss bei Produkten aus Serienherstellung stets Konformität mit der Verordnung sichergestellt sein. Je nach dem, wie hoch das von den Produkten ausgehende Risiko ist, nehmen die Hersteller zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Nutzer Stichprobenprüfungen von auf dem Markt bereitgestellten Produkten vor, führen ein Beschwerdeverzeichnis und halten Händler über die Überwachungstätigkeiten auf dem Laufenden.
  5. Identifikation des Produkts (Modell, Baureihe, Typ, Baujahr, Chargen- oder Seriennummer oder ein anderes Kennzeichen zur Identifikationauf dem Produkt oder in Ausnahmefällen auf der Verpackung oder beigefügten Unterlagen)
  6. Herstelleridentifikation (Name, eingetragener Handelsname oder Handelsmarke, Postanschrift, Website, E-Mail-Adresse oder andere digitale Kontaktmöglichkeit auf dem Produkt selbst oder in Ausnahmefällen auf der Verpackung oder beigefügten Unterlagen in einer Sprache, die von den Nutzern und den Marktüberwachungsbehörden leicht verstanden werden kann)
  7. Betriebsanleitung und Informationen nach Anhang III müssen dem Produkt beigefügt sein. Die Betriebsanleitung kann in digitaler Form bereitgestellt werden (Angabe der Zugriffsmöglichkeit auf dem Produkt oder in Ausnahmefällen auf der Verpackung oder beigefügten Unterlagen, in druck- und speicherfähigem Format, Online-Zugriff über mindestens 10 Jahre nach Inverkehrbringen).
  8. Die EU-Konformitätserklärung nach Anhang V Teil A muss dem Produkt beiliegen. Alternativ können die Hersteller in der Betriebsanleitung und den Hinweisen nach Anhang III Abschnitt 1.7 die Internetadresse oder den maschinenlesbaren Code für den Zugriff auf die EU-Konformitätserklärung angeben (Online-Zugriff über mindestens 10 Jahre nach Inverkehrbringen).
  9. Die Verordnung sieht ausdrücklich die Pflicht zur Beobachtung der Produkte am Markt, zu Korrekturmaßnahmen und ggf. Rückrufmaßnahmen bei nicht konformen Produkten und zur Information der Behörden.
  10. Regelung zur Zusammenarbeit mit nationalen Behörde, denen auf Verlangen alle Informationen und Unterlagen, die für den Nachweis der Konformität des Produkts erforderlich sind, in Papierform oder in digitaler Form in einer Sprache, die von dieser Behörde leicht verstanden werden kann, zur Verfügung zu stellen sind.

Berücksichtigung von IT-Risiken und digitalen Technologien

Im Vergleich zur Maschinenrichtlinie spielen in der Maschinenverordnung IT-Sicherheitsanforderungen eine wesentlich größere Rolle. Die Anforderungen werden in Anhang III beschrieben.
Nummer “1.1.9. Schutz gegen Korrumpierung” beschreibt die allgemeinen Anforderungen an den Schutz vor unbeabsichtigten und beabsichtigten IT-Angriffen auf Hard- und Software (Konstruktive IT-Sicherheit, Schutz von Software und Daten, Erfassung von Eingriffen in Hard- und Software, Kennzeichnung von für den sicheren Betrieb erforderlicher Software).
Die Anforderungen an die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Steuerungen (Nummer 1.2.1.) werden umfangreicher als in der Maschinenrichtlinie beschrieben.
Das Thema “Künstliche Intelligenz” wird an verschiedenen Stellen berücksichtigt, z. B. als
  • “Maschinen mit selbstentwickelndem Verhalten” (Anhang IA)
  • “Maschinen oder dazugehörigen Produkten, deren Verhalten oder Logik sich bestimmungsgemäß vollständig oder teilweise entwickelt” (Anhang III f und g – Ergonomie),
  • “Steuerungssysteme für Maschinen oder dazugehörige Produkte, deren Verhalten oder Logik sich vollständig oder teilweise selbst entwickelt” (Anhang III 1.2.1. Satz 2)
  • “Lernphase der Maschine” (Anhang III 1.2.1. Satz 2 d, Satz 4 c – Sicherheit und Zuverlässigkeit von Steuerungen).

Übergang von der Richtlinie zur Verordnung

Bis zum 20. Januar 2027 gilt die Maschinenrichtlinie weiter. D.h., Hersteller, die ein Produkt vor dem 20. Januar 2027 in Verkehr bringen (erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Unionsmarkt), werden mit einer Konformitätserklärung nach Maschinenrichtlinie ausgeliefert. Produkte, die nach dem 20. Januar 2027 in Verkehr gebracht werden, müssen die Anforderungen der Maschinenverordnung erfüllen und werden mit einer Konformitätserklärung nach Maschinenverordnung versehen. Hersteller können allerdings Anforderungen der Verordnung, z. B. zur Security jetzt schon berücksichtigen.

Früher in Kraft tretende Regelungen

  • 19. Juli 2023:
    • Artikel 6 Absatz 7 Kategorien von Maschinen und dazugehörigen Produkten, die in Anhang I aufgeführt sind und den einschlägigen Konformitätsbewertungsverfahren unterliegen (Aufnahme potenziell risikobehafteter Maschinenkategorien)
    • Artikel 47 Absatz 2 Ausübung der Befugnisübertragung (Der EU-Kommission wird die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte übertragen.)
    • Artikel 48 Ausschussverfahren
    • Artikel 52 Übergangsbestimmungen (Die Mitgliedstaaten dürfen die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt nicht behindern, die entsprechend der Richtlinie 2006/42/EG vor dem 20. Januar 2027 in Verkehr gebracht wurden. Für Produkte, für die ein Verfahren nach Artikel 11 der Maschinenrichtlinie eigeleitet worden ist, gilt Kapitel VI der Verordnung (Überwachung des Unionsmarkts und Schutzklauselverfahren der Union) ab 19. Juli 2023 entsprechend. EG-Baumusterprüfbescheinigungen und Zulassungen bleiben bis zu ihrem Ablauf gültig.)
  • 20. Januar 2024:
    • Kapitel V Notifizierung von Konformitätsbewertungsstellen
  • 20. Juli 2024:
    • Artikel 6 Absätze 2 bis 6 und 11 Kategorien von Maschinen und dazugehörigen Produkten, die in Anhang I aufgeführt sind und den einschlägigen Konformitätsbewertungsverfahren unterliegen (Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte zur Änderung des Anhangs I und Vorgaben zum Verfahren der Aufnahme von Maschinen in Anhang I.)
    • Artikel 47 Ausübung der Befugnisübertragung (Bedingungen zum Erlass delegierter Rechtsakt)
    • Artikel 53 Absatz 3 Bewertung und Überprüfung (Vorgaben zur regelmäßigen Bewertung und Überprüfung der Verordnung
  • 20. Oktober 2026:
    • Artikel 50 Absatz Sanktionen (Die Mitgliedsstaaten erlassen Vorschriften über Sanktionen.)

Zielsetzung der Verordnung

Laut einer Pressemeldung der EU-Kommission verfolgt die neue Maschinenverordnung folgende Zielsetzungen:
  • Gewährleistung der Sicherheit von Maschinen und Stärkung des Vertrauens der Nutzer in neue Technologien
    Die Hersteller müssen sicherstellen, dass Maschinenprodukte die grundlegenden Gesundheitsschutz- und Sicherheitsanforderungen der Verordnung in vollem Umfang erfüllen. Sechs Maschinenkategorien werden einer obligatorischen Zertifizierung durch Dritte unterliegen, hinzu kommt ein zukunftssicheres Verfahren zur Aktualisierung der Anzahl.
    Mit den Vorschriften werden neue Sicherheitsanforderungen für autonome Maschinen, die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine und erstmals die sichere Nutzung von Systemen der künstlichen Intelligenz in Maschinen eingeführt.
    Um die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen nachzuweisen, können sich die Hersteller weiterhin auf harmonisierte Normen stützen, die ständig an den technischen Fortschritt angepasst werden, Innovationen fördern und die Wettbewerbsfähigkeit der Branche stärken.
  • Verringerung des Verwaltungsaufwands und der Kosten für die Hersteller
    Es werden administrative Vereinfachungen eingeführt, wie z. B. digitale Formate für die Betriebsanleitung, die dabei helfen sollen, bis zu 16,6 Mrd. EUR pro Jahr einzusparen. Mit den neuen Vorschriften wird auch der Weg für die Anpassung der Gebühren für die Konformitätsbewertung an die Bedürfnisse von KMU festgelegt, die 98 Prozent des Maschinensektors ausmachen. Darüber hinaus verbessern die neuen Vorschriften die Kohärenz mit den Verordnungen über künstliche Intelligenz und Cyberresilienz.
  • Förderung der Rechtssicherheit
    Die künftige Maschinenverordnung enthält klare und verhältnismäßige Vorschriften, die in der gesamten EU einheitlich angewandt werden, und sie erhöht die Rechtssicherheit für Hersteller. Es werden außerdem Fragen im Zusammenhang mit dem Anwendungsbereich, den Begriffsbestimmungen, den grundlegenden Anforderungen und den Konformitätsbewertungsverfahren geklärt. Im Text wird der Begriff der wesentlichen Modifikation von Produkten weiter präzisiert.
  • Wirksamere Marktüberwachung
    Mit den neuen Vorschriften werden die Schutzmaßnahmen gegen nichtkonforme Maschinenprodukte an diejenigen angeglichen, die im umfassenderen EU-Rechtsrahmen für Produkte verwendet werden.
(Quelle EU-Amtsblatt, EU-Kommission)