Industriepolitik: Wettbewerb sichern, Wachstumskräfte entfalten
Das Industriepolitische Leitbild der IHK Nord Westfalen wurde auf der Vollversammlung im Jahr 2013 im Rahmen des wirtschaftspolitischen Leitbildes bestimmt. Das Leitbild dient nicht nur der Handlungsweisung für die IHK, es ist vor allem als eine Handlungsaufforderung der nordwestfälischen Industrie an die Politik zu verstehen. Besonders besorgniserregend ist, dass viele Themen, die 2013 schon als Problemfelder benannt wurden, die Industrie auch heute noch vor Schwierigkeiten stellen, teilweise sogar noch stärker als zuvor.
In dieser Situation war die Industrie im Jahr 2013
Industrie ist Motor der deutschen Wirtschaft: Das produzierende Gewerbe trägt in Deutschland unmittelbar ein Viertel zur Wirtschaftsleistung bei – mehr als in den meisten anderen Industrieländern. Dieser starke industrielle Kern legt auch die Basis für Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich und formt damit das Netzwerk Industrie. Aus Sicht der Industrie zählen zu den Stärken des Wirtschaftsstandortes Deutschland neben der Verfügbarkeit von Zulieferunternehmen und Dienstleistern vor Ort insbesondere gut ausgebildete Fachkräfte.
Industrie treibt Fortschritt voran: 90 Prozent der nationalen Ausgaben für Forschung und Entwicklung leistet die Wirtschaft. Als Träger von Forschung und Entwicklung hat die Industrie innovative Technologien und effiziente Verfahren entwickelt. Sie trägt damit auch immer stärker zur Lösung von Umweltproblemen und zum nachhaltigen Umgang mit Ressourcen bei.
Hindernisse für die Industrie bestehen: Das Steuerrecht ist zu komplex und zu wenig praxistauglich. Substanz belastende Elemente stellen ein großes Investitionshemmnis dar. Zudem besteht erheblicher Bedarf, in Energie-, Verkehrs- und Breitbandnetze zu investieren. Auch fehlen der Industrie vielerorts Gewerbeflächen. Lange Planungs- und Genehmigungsverfahren erschweren vielfach die rasche Umsetzung von Infrastrukturvorhaben.
Energiekosten und Fachkräftemangel als Risiko: Die Mehrheit der Industrieunternehmen sieht in hohen Energie- und Rohstoffpreisen ein großes Risiko für ihre geschäftliche Entwicklung. Neben Sorgen um die Arbeitskostenentwicklung erweist sich der Fachkräftemangel zunehmend als Engpass für die Industrieunternehmen.
Gefahr der Wettbewerbsverzerrung steigt: Verschiedene Länder erschweren den internationalen Handel mit Schutzzöllen oder Vorgaben für die Produktion vor Ort („local content“), um eigenen Unternehmen Vorteile zu verschaffen. Der Wettbewerb wird verzerrt – nicht zuletzt zu Lasten der deutschen Exportunternehmen.
Um das Potenzial des Industriestandorts Deutschland besser zu nutzen, muss die Politik die industriellen Standortfaktoren stärken – und für deren Akzeptanz sorgen.
Folgende Leitlinien sollen das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:
Auf Wettbewerb setzen: Vornehmliche Aufgabe des Staates muss es sein, sektorübergreifende Rahmenbedingungen zu setzen, die die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowie ihr Wachstum fördern – auf nationaler wie auf europäischer Ebene. Eine interventionistische Industriepolitik hingegen hemmt den Wettbewerb, zementiert Strukturen und löst Subventionen aus. Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer.
Clusterpotenziale für die Industrie nutzen: Clusterpolitik kann als ein Instrument der Standortpolitik Forschung und Innovation sowie unternehmerische Dynamik fördern – und damit auch die Herausbildung neuer Wertschöpfungsketten flankieren. Basis jeder politischen Aktivität sollten dabei die Bedürfnisse und Aktivitäten der Unternehmen vor Ort sein (,,Bottom-up"-Ansatz). Eine Clusterförderung (z. B. für ein Clustermanagement) sollte von Beginn an zeitlich begrenzt und degressiv ausgestaltet werden, einen Eigenbeitrag der regionalen Akteure erfordern und Anreize für selbsttragende Strukturen setzen.
Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland stärken: Die Schuldenkrise hat deutlich gemacht, wie wichtig eine gute Eigenkapitalbasis der Unternehmen ist. Im Steuerrecht müssen Investitionsbremsen gelöst werden. Die Substanzbesteuerung muss beendet und die degressive AfA wiedereingeführt werden. Zudem muss die Politik die Wirtschaft bei der Bewältigung des Fachkräftemangels unterstützen. Der Bildungsstandort muss gestärkt werden. Das heimische Erwerbspersonenpotenzial sollte besser genutzt und eine arbeitsmarktorientierte Zuwanderung Bestandteil eines Gesamtkonzepts zur Fachkräftesicherung sein. Zudem braucht es eine höhere Akzeptanz für den Industriestandort – insbesondere für den notwendigen Aus- und Umbau der Infrastruktur einschließlich notwendiger Industrie- und Gewerbeflächenausweisungen.
Rahmenbedingungen für Energie- und Rohstoffversorgung verbessern: Unternehmen brauchen eine sichere Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen. Hierzu muss insbesondere der europäische Energiebinnenmarkt vollendet werden. Zudem sollte die Politik internationale Rohstoffabkommen mit transparenten Regelungen für die Ex- und Importländer vorantreiben. Zudem müssen die Rahmenbedingungen zur Erschließung heimischer Rohstoffe verbessert werden.
Internationalen Wettbewerbsverzerrungen entgegenwirken: Subventionen und Schutzzölle konservieren nicht-zukunftsfähige Strukturen und können Gegenmaßnahmen provozieren – dies wäre für die exportintensive deutsche Industrie schädlich. Die Bundesregierung muss auf die Einhaltung der WTO-Standards achten und diese auch von Handelspartnern einfordern.